Süddeutsche Zeitung

Kreuzfahrt von/bis Honolulu:Alles Aloha

Sieben Tage, 52 Wochen im Jahr: Die "Pride of America" befährt den Hawaii-Archipel. Viel Zeit bleibt nicht, um die Inseln zu erkunden.

Von Emma Gehrmann

Das Beste kommt zum Schluss. Das weiß auch Donna aus New Jersey, die ihren Mann James die Treppen der Pride of America hochtreibt, auf das Sonnendeck im 14. Stock des Kreuzfahrtschiffs. "Wow", entfährt es ihr, als sich die Schiebetüren öffnen und sie einen ersten Blick auf die schroffen, grün-braunen Berge werfen kann: die Na-Pali-Küste im Nordwesten der Insel Kauai. Diese bewachsenen, mehr als 1000 Meter hohen Klippen direkt am Meer sind nicht nur eines der dramatischsten Fotomotive in Hawaii - einem Archipel, der nicht arm ist an beeindruckenden Szenerien. Sie waren und sind Kulisse für Hollywood-Filme.

Vom Land aus erweist sich der Besuch der Küste als gar nicht so einfach - zumindest nicht so, dass man sie in ihrer ganzen Größe fassen kann. Mit dem Auto nämlich kommt man nur zu einem Parkplatz und muss dann wandern - und das geht nur im Sommer. Entweder den 18 Kilometer langen Kalalau-Weg, der vom Ke'e Beach durch fünf verschiedene Täler bis zum Kalalau Beach führt. Hierfür braucht man nicht nur eine gültige Erlaubnis, sondern muss auch sehr fit sein. Denn der "Hike" ist nichts für ungeübte Wanderer. Alternativ gibt es eine Kurzversion, die vom Ausgangspunkt zum Hanakapi'ai Valley oder dem dortigen Wasserfall führt - dafür reicht eine Tageswanderung.

Wahlweise kann man sich bei einem Helikopterflug einen Eindruck verschaffen - oder eben von der Wasserseite aus. So wie die Passagiere der Pride of America, die nach dem Ablegen in Nawiliwili auf der Garteninsel Kauai wieder auf dem Weg nach Honolulu sind und dabei in aller Ruhe vor der Na-Pali-Küste kreuzen. "Wir haben tolle Natur gesehen in der vergangenen Woche", sagt Donna, die den Blick gar nicht von den Felsen wenden kann. Das Segelboot zwischen dem NCL-Schiff und den Felsen wirkt wie ein Spielzeug. "Aber das ist der beeindruckendste Anblick."

Am Samstagnachmittag sind Donna und John mit gut 2000 anderen Passagieren und rund 900 Mann Besatzung an Bord des Schiffes gegangen, im Hafen von Honolulu. Dieses Schauspiel wiederholt sich jede Woche. Denn die Pride of America geht 52 Mal im Jahr auf dieselbe Reise. Als einziges Schiff auf der ganzen Welt. Und als einziges Kreuzfahrtschiff, das direkt in Honolulu ablegt.

"Nur wir dürfen das, weil wir unter der US-amerikanischen Flagge fahren", sagt Kaj Turunen, der General Manager. Als einziges Schiff der Reederei, denn unter dem Star-Spangled-Banner zu fahren, bringt Kosten und Abstriche mit sich - zumindest für die Reederei. Viele Passagiere schätzen hingegen sogar, dass einiges nicht im Angebot ist. So gibt es kein Casino an Bord, keine "Open Bar" - und der Großteil der Besatzung muss einen US-Pass haben. Auch müsste das Schiff eigentlich in den USA gebaut worden sein. Doch die Geschichte liegt bei diesem Schiff etwas komplizierter: Teile stammen aus der Lloyd Werft in Bremerhaven.

"Destination Cruise" nennt NCL diese Art von Kreuzfahrt. 156 Stunden dauert sie, von Samstagabend bis Samstagfrüh. Von Honolulu nach Honolulu. Rund 100 Stunden davon liegt die Pride of America an einer der vier Inseln vor Anker: Oahu, Maui, Big Island mit den Stopps Hilo und Kona sowie Kauai. "Das ist ein tolles Konzept", schwärmt Libby, die aus Las Vegas nach Hawaii geflogen ist. "So bekommt man von den Inseln einen ersten Eindruck und kann sich entscheiden, wohin man später in den Urlaub fliegen will." Viel mehr als einen ersten Eindruck gibt es tatsächlich nicht - denn viele Ausflüge bewegen sich nicht allzu weit weg vom Hafen. Und selbst wer sich ein Auto mietet, schafft es nicht, alles anzusehen, was die Inseln bieten. Dafür sind sie zu groß.

Nicht nur die Crew ist größtenteils amerikanisch - auch die Passagiere sind es. Neben einigen aus Australien und Asien. Denn der 50. US-Bundesstaat ist von der amerikanischen Westküste in fünf Flugstunden zu erreichen, von China und Australien aus sind es jeweils zehn. Wer in Deutschland startet, fliegt dagegen mindestens 18 Stunden.

"Hawaii ist ein besonderer Staat", sagt General Manager Turunen, der aus Finnland stammt, inzwischen aber amerikanischer Staatsbürger ist. Der einzige, der nur aus Inseln besteht und irgendwo im Nirgendwo liegt. Die Natur ist unvergleichlich: schroff, kahl, vulkanisch an einigen Orten, üppig, grün und fruchtbar an anderen. Kaffee wächst hier und die Macadamia-Nuss, die nur in einem schmalen Streifen rund um den Äquator gedeiht und aufwendig zu ernten und zu verarbeiten ist. Mangos, Ananas, Guaven, Litschis, Passionsfrüchte - kaum eine exotische Frucht, die hier nicht an riesigen Bäumen wächst und am Straßenrand verkauft wird.

Donna aus New Jersey haben es die Berge angetan - darum hat sie ihren James an der Na-Pali-Küste auf das Oberdeck gescheucht. "Der Besuch auf dem Haleakalā war fantastisch", berichtet sie. Das ist der höchste Gipfel auf den Inseln, 9740 Fuß, gut 3000 Meter hoch. Ein Vulkan, natürlich. Dort oben ist nichts zu fühlen von den konstant 30 Grad Celsius auf Meereshöhe, von der Dauer-Sonne. Denn der Gipfel liegt häufig im Nebel. Eine Enttäuschung für einige, die im Ausflugsbus sitzen und meilenweite Ausblicke erwartet hatten.

Schon der Weg auf den Vulkan ist ein Abenteuer - die Straße in einen der ältesten Nationalparks der USA wird immer schmaler und kurviger. Der Fahrer muss immer wieder anhalten. Denn Vorfahrt hat hier das einheimische Federvieh: Nenes heißen die braunen Gänse, auf Deutsch Hawaii-Gans. Diese Tiere gibt es tatsächlich nur im 50. Staat der USA und sonst nirgendwo auf der Welt. Und wenn die Gans-Familie die Straße queren will, dann darf sie das natürlich. Durch die Wolken geht es, kilometerweit - und irgendwann haben die Kreuzfahrer es geschafft. Zwar wird es nichts mit dem Fernblick, und auch die Sonne spitzt zum Untergang nur kurz zwischen den Wolken hervor. Doch es gibt ein anderes, extrem seltenes Phänomen auf dem Haleakalā, wie der Busfahrer erklärt: "Hier oben kann man seine eigene Silhouette in einem Regenbogen sehen."

In Kahului, dem Hafen von Maui, bleibt die Pride of America über Nacht liegen - und am nächsten Morgen kann man gleich zum Tauchen am Molokini-Krater aufbrechen. Oder an den Strand gehen. Oder zum Surfen. Oder zum Stand-up-Padelling. Oder im Winter, von November bis April: Wale beobachten. Denn die bringen im Pazifik vor Hawaii ihre Jungen zur Welt.

Wer gute Tipps für einen Ausflug haben will oder sich für die Besonderheiten Hawaiis interessiert, ist bei Kaulana und China, den beiden "Hawaiian Ambassadors", den Botschaftern an Bord, bestens aufgehoben. Von ihnen lernt man vieles zur Geschichte des einstigen Königreichs, zu den polynesischen Traditionen, zur Sprache, die mit zwölf Buchstaben auskommt. "Aloha" ist denn auch kein Werbespruch, sondern ein Wort für jede Lebenssituation. Von Kaulana and China lernt man zudem, Leis, die traditionellen Blumenkränze, zu flechten und Hula zu tanzen.

Ansonsten ist das Schiff vielerorts tatsächlich sehr festlandamerikanisch: Wer an die Rezeption geht, wähnt sich im Kapitol in Washington - inklusive Seeadler im Marmorboden. Auch Präsidenten haben Pate gestanden für einige der Namen, so gibt es "Jefferson's Bistro" und die "John Adams Coffee Bar". Das "Cadillac Diner" kommt ganz retro daher, mit roten Lederbänken, Burgern und Milchshakes.

Für Donna, James und Libby war die Kreuzfahrt ein voller Erfolg. Das Wetter: überwiegend toll. Der Service, die Unterhaltung und die Verpflegung an Bord ebenfalls. Und Libby aus Las Vegas weiß schon, wohin die nächste Reise geht: "Ich möchte noch mal nach Maui und Surfen lernen", sagt sie.

Reiseinformationen

Nach Hawaii kann man von Deutschland aus in östliche oder westliche Richtung fliegen. Über Vancouver, Seattle, San Francisco oder Los Angeles mit Lufthansa, United und Delta, über Seoul mit Korean. Die Temperaturen sind in Hawaii das ganze Jahr nahezu gleichbleibend hoch. Zwischen November und April allerdings ist Regenzeit. Preisbeispiel: 7 Tage Hawaiis Inselwelten ab/bis Honolulu vom 18. bis 25. Juli 2020 ab 4851 Euro pro Person in der Balkonkabine und 4001 Euro pro Person in der Innenkabine (inkl. Flug). Weitere Auskünfte: www.ncl.com, www.gohawaii.com/de

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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SZ vom 27.06.2019
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