Fans von Kreuzfahrtschiffen:"Da quietscht nichts"

Für ReiseMein Schiff4

Beste Aussicht: Panoramadeck der Mein Schiff 4. Der gelbe Pinguin gehört zum Kunstprogramm.

(Foto: Frank Behling)

Von wegen Jungfernfahrt. Wer Kreuzfahrten wirklich liebt, der ist schon zur Vorpremiere an Bord. Unterwegs auf der "Mein Schiff 4" mit Fans, die es kaum erwarten können.

Von Roman Deininger

Wenn begeisterte Kreuzfahrer an Bord eines neuen Schiffes gehen, wenn sie zum ersten Mal ihre Kabine betreten, wenn sich ihre fachliche Beschlagenheit plötzlich entlädt, dann ist das schon ein kleines, auch sehr deutsches Schauspiel. Zumindest hier auf der Mein Schiff 4 im Hafen von Kiel, mit dem netten Rentnerpaar aus Hamburg in der Hauptrolle. Schlohweißes Haar, Baseball-Kappen vom Golfklub. Es ist die vierte Kreuzfahrt der beiden - im Jahr 2015.

Der Mann durchmisst den hellen Raum zielstrebig in Richtung Balkontür, nur nebenbei registriert er Bett, Fernseher und Kaffeemaschine; die Frau verschwindet sofort entschlossen im Bad. Der Mann öffnet die Verriegelung der Schiebetür, sehr sorgfältig, er schiebt sie nach rechts, er schiebt sie nach links, erst ganz langsam, dann schneller. Er horcht, er ruft: "Die läuft federleicht, da quietscht auch nichts!" Im Bad läuft das Wasser, nach einer Weile kommt die Frau heraus, völlig trocken. Sie sagt: "Sehr gute Armaturen in der Dusche. Mit Kunststoffverkleidung, da wird nichts heiß." Nun zählen Mann und Frau gemeinsam die Zierkissen auf dem Bett.

Ein großes Schiff ist eine kleine Stadt, die Mein Schiff 4 ist 294 Meter lang und 36 Meter breit, auf 15 Decks beherbergt sie etwa 2500 Passagiere und 1000 Besatzungsmitglieder. Eine Stadt wird nicht an einem Tag erbaut, bei der Mein Schiff 4 waren es genau 714 Tage. Begeisterte Kreuzfahrer haben die Fortschritte in der Werft in der finnischen Stadt Turku natürlich über Internet-Blogs verfolgt. Wenn ein neues Schiff dann endlich in See sticht, wollen begeisterte Kreuzfahrer nur eines: drauf.

Für ReiseMein Schiff4

Unter Deck gibt es zahlreiche Bars, Restaurants und Lounges.

(Foto: Frank Behling)

Laien brauchen zur Orientierung in der Schiff-Stadt einen Faltplan; Profis wie das nette Paar aus Hamburg haben einen inneren Kompass. Bei der Inspektion von Deck 4 haben sie in der Waterkant-Bar zwischen Loungemöbeln Ausguck bezogen. Der Mann sagt: "Auf der Drei ist hier das Meeresmuseum." Vier sauber durchnummerierte Schiffe fahren unter der Flagge von Tui Cruises, Profis erkennt man daran, dass sie nicht laienmäßig "Mein Schiff 3" sagen, sondern ganz lässig: "die Drei". Der Herr aus Hamburg sagt ab und zu auch "das Schätzelein", und damit meint er nicht seine Frau. Auf der Drei jedenfalls gibt es an genau dieser Stelle ein Meeresmuseum, das ist nicht mehr da auf der Vier . Stattdessen gibt es eine weitere Bar, die 13. an Bord. Der Mann überlegt gewissenhaft und sagt: "Das kann man machen. So verteilen sich die Leute ein bisschen besser nach dem Abendessen."

Stammkunden bekommen eine Ehrennadel. Oder ein Essen mit der Geschäftsführung

In der Sprache der Branche nennt man Gäste wie das Ehepaar aus Hamburg "Repeater", Wiederholer, die enthusiastischsten Kreuzfahrer von allen. Repeater rechnen in zwei Währungen: in Reisen und in Bordtagen. Manche Reedereien verleihen Ehrennadeln für 50 Reisen oder für 365 Tage an Bord. Hapag-Lloyd belohnt 1500 Tage auf See mit einem Abendessen mit der Geschäftsführung - wenn das der große Preis ist, müssen die Chefs höchst unterhaltsame Menschen sein. Bei einigen Serien-Repeatern wäre es leichter zu zählen, wie viele Tage sie überhaupt noch an Land verbringen. Der Rekord an Bordtagen soll bei etwa 3000 liegen.

Acht Jahre eines Menschenlebens auf einem schwimmenden Stahlkoloss, auf engem Raum mit 3500 Menschen: ein Horror! Oder doch ein Traum? Das Kreuzfahrtgeschäft boomt, laut Deutschem Reiseverband machten 2014 fast 1,8 Millionen Deutsche Urlaub auf hoher See, die Passagierzahlen haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Auf die Vier von Tui Cruises soll 2016 die Fünf folgen und 2017 die Sechs.

"Die schlimmsten Matratzen hatten wir '98 in der Karibik"

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"Da quietscht nichts." Routinierte Passagiere erkunden das Schiff.

(Foto: Frank Behling)

Es ist Ende Mai, als die Vier in Kiel zur "Vorpremierenfahrt" nach Kopenhagen, Göteborg und Oslo ausläuft, noch ungetauft. Die Vorpremiere kommt vor der Jungfernfahrt, sie ist bei Kreuzfahrt-Profis besonders beliebt. Die Vorpremiere ist die erste Gelegenheit, ein neues Schiff kennenzulernen. Am ersten Morgen der Reise, die Vier legt gerade in Kopenhagen an, sitzen die zwei Profis aus Hamburg mit zwei Profis aus Iserlohn in der Backstube auf Deck 12 und führen ein Profi-Gespräch: "Die Matratzen sind besser als auf der Zwei." - "Die schlimmsten Matratzen hatten wir '98 in der Karibik."

Eine Vorpremierenfahrt ist eine sehr gute Möglichkeit, dem deutschen Kreuzfahrer mal richtig nahezukommen.

Seine Routine und Gelassenheit kann man gleich bei der obligatorischen Seenotrettungsübung beobachten. Als Laie denkt man da erst mal an die Costa Concordia und wird lieber fünf Minuten vor der Zeit an der "Musterstation" vorstellig. Der Profi sitzt an der nächstgelegenen Bar neben drei vollen Pilsgläsern und rät: "Bestell dir noch schnell was zu trinken, während der Übung machen sie hier dicht." Das Mustern erschöpft sich dann darin, dass man seine Zimmerkarte gegen ein Lesegerät hält. Der Profi sagt: "Schwimmweste probieren, das hatten wir das letzte Mal auf der Preziosa."

Kopenhagen ist eine reizende Stadt, allerdings nicht reizend genug, um jeden Kreuzfahrer beim achtstündigen Aufenthalt an Land zu locken. Die schicken Mittfünfziger aus Iserlohn können das schlüssig erklären: "Landgang in Kopenhagen, das hatte doch jeder hier schon zwei Dutzend Mal, da weißt du irgendwann, wie der Hase läuft." Da bleibt man lieber an Bord, bedient sich an der "Wohlfühlbowle" in der "Unverzicht Bar", versucht sein Glück beim Bingo oder schwimmt ein paar Bahnen im 25-Meter-Pool als Vorbereitung auf das zweite Frühstück und die Massage danach. Der Herr aus Iserlohn holt sich täglich um neun einen frisch ausgelegten Sudoku-Zettel: "So hat jeder sein Programm. Finden Sie mal ein Hotel, das dieses Angebot hat und diesen Komfort."

Eines weiß man rasch über den Kreuzfahrer: Sein wichtigstes Reiseziel ist immer das Schiff. Das Schiff ist ein Stück Zuhause, und zu Hause gilt es, Ordnung zu wahren. Wenn in der X-Lounge, dem VIP-Bereich auf Deck 14, drei Araber ein bisschen lauter reden, tritt ein Hanseat mit Halstuch an den Tisch: "Moin, die Herren! Das ist eine Lounge, da will ich um Ruhe bitten." Die Ordnungsliebe des Kreuzfahrers schlägt sich auch in der minutiösen Planung nieder, wann er in welchem der elf Restaurants was isst. Der General Manager der Vier, Thomas Eder, wäre jedoch froh, wenn nicht alle deutschen Gäste planen würden, um Punkt 18 Uhr zu essen. Eder, ein Österreicher, sagt: "Wenn du da nicht zur Seite gehst, überrennen die dich." Auch die Gewohnheit, Liegen trotz ausdrücklichen Verbots mit dem Handtuch zu reservieren, sei tatsächlich exklusiv deutsch. Der Kreuzfahrer scheint ein treuer und guter, manchmal aber auch anstrengender Kunde zu sein.

Am zweiten Morgen, als die Vier vorbei an schimmernden Schäreninseln in den Hafen von Göteborg gleitet, kann man die Leidenschaft des Kreuzfahrers sehr gut verstehen. Ein Dutzend Passagiere hat morgens um halb sieben schon die oberste Aussichtsplattform erklommen, alle blicken still aufs Wasser, auf Dörfer, Burgen und Leuchttürme an der Küste. Dann sagt einer: "Und morgen früh der Oslo Fjord wird noch schöner." Im Anschluss debattieren die Profis zunehmend hitzig, ob die Schiffs-Silhouette an Backbord eine Stena-Line-Fähre ist oder nicht.

In Göteborg regnet es, da drängt sich doch ein Schiffstag auf. Vor dem "Kids-Club" auf Deck 14 brüllt ein Fünfjähriger seinen Papa an: "Ich will nicht in den blöden Kids-Club!" Auf Nordland-Strecken ist der Kreuzfahrer klischeegerecht schon eher ein Rentner, doch man sieht auch viele Eltern auf der Vier, die froh sind, ihre Kleinen in "Kids-Club" oder "Teens-Lounge" abgeben und sich ganz einem Malkurs im "Atelier" widmen zu können. Den Pinsel muss der Kreuzfahrer noch selbst führen, aber sonst muss er kaum etwas an Bord, außer rund um die Uhr essen. Das Hamburger Profipaar findet: "Es gibt keine bequemere Art von Urlaub."

Bei seiner Schiffsinspektion hat Team Hamburg das "Klanghaus" erreicht, "Rock the Boat" heißt die Musikshow des Abends. "Das Headbanging darf gern passieren heute", ruft die Moderatorin. Das Paar berät lieber flüsternd über seine nächsten Reisepläne. Den Suezkanal könnte man sich mal wieder vornehmen, sagt der Mann. Und die Frau sagt: "Wann genau wird die Fünf fertig?"

Die Mein Schiff 4 ist im Sommer in der Ostsee unterwegs und steuert etwa vom 2. bis 15. August das Baltikum, St. Petersburg und Stockholm an. All-inclusive-Angebote für eine Doppelkabine mit Balkon ab 2598 Euro pro Person. Im Winter ist sie überwiegend im Mittelmeer unterwegs. In der Doppelkabine mit Balkon kostet eine Woche inkl. An- und Abreise p. P. ab 1718 Euro, www.tuicruises.com

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