Kreuzfahrt-Havarie vor Lettland:Das Schwächeln der Mona Lisa

Warum das Kreuzfahrtschiff Mona Lisa vor der lettischen Küste auf Grund gelaufen ist, ist weiter unklar. Experten haben mehrere Erklärungen.

Im deutschen Fernsehen wirkt so eine Kreuzfahrt meist schwer romantisch: Der Himmel ist ewig blau, die Stimmung unter den Passagieren heiter, die Kabinen sind erstklassig in Schuss, und abends trifft sich die Kreuzfahrtgemeinde zum eleganten Dinner mit einem Kapitän, der in jeder Lebenslage die Fassung bewahrt.

Die Wirklichkeit sieht manchmal anders aus, nicht jede Kreuzfahrt ist eine Schönwetterreise, wie die Passagiere der MS Mona Lisa erfahren haben: Am Sonntag lief das mehr als vierzig Jahre alte Schiff bei gutem Wetter vor der Ostseeküste von Lettland auf Grund, alle Passagiere blieben unverletzt.

Schlepper bemühten sich vergebens, die nur leicht beschädigte Mona Lisa, die von Estlands Hauptstadt Tallinn nach Riga unterwegs war, wieder flottzukriegen.

So richtig kann sich keiner erklären, warum der zuständige Brückenoffizier etwa 38 Kilometer vor der Küste vom Kurs abwich - mit dem Resultat, dass 651 Passagiere am Montag zum Hafen von Ventspils ausgeschifft wurden.

Nach einer Nacht in einem Hotel in Riga sollten die Reisenden nach Deutschland geflogen werden. Die lettische Küstenwache nahm auch einen Teil der 320 Besatzungsmitglieder an Bord.

"Es war ein Manövrierfehler", erklärt der Geschäftsführer des Veranstalters Lord Nelson Seereisen, Herbert Fervers. Das Unternehmen mit Sitz in Erkelenz bei Mönchengladbach trat Spekulationen der baltischen Nachrichtenagentur BNS entgegen, an Bord der Mona Lisa hätten allzu laxe Sitten geherrscht. Alkohol sei bei der griechischen Schiffsführung nicht im Spiel gewesen, der zuständige Offizier ein erfahrener Mann mit Kapitänspatent, beteuert Fervers.

Die meist älteren Passagiere hätten sicher auf die Schiffe der Küstenwache umsteigen können, die wegen des ruhigen Seegangs an der Bordwand festmachen konnten.

Das Schwächeln der Mona Lisa

Eine betagte Dame

Bei Kreuzfahrtkennern gilt die Mona Lisa als "betagte Dame", die bessere Zeiten gesehen hat. Reisende schätzen den Cruise-Liner dagegen wegen der vergleichsweise moderaten Preise; im Internet wird kontrovers über Vor- und Nachteile des Oldtimers diskutiert.

Das auf den Bahamas registrierte Schiff verfügt über klassische Annehmlichkeiten wie Pools, Kino, eine Musikbühne, einen Friseursalon und ein Originalmobiliar, das vor allem Nostalgiker anspricht. Mit neuen Luxusschiffen wie der Aida kann die Mona Lisa längst nicht mehr mithalten.

Die Ostsee-Touristen, die nun unfreiwillig den Heimflug antreten mussten, zahlten im Schnitt 1400 Euro für die Reise. Immerhin können sie mit einer Entschädigung rechnen; "die Versicherung ist informiert", so Fervers. Schon einmal gab es erhebliche Probleme bei der Mona Lisa, die 2003 vor der Insel Spitzbergen auf Grund lief. Damals kam das 1966 erbaute Schiff jedoch aus eigener Kraft wieder frei.

Zwei mögliche Ursachen

Nach Ansicht von Experten gibt es zwei Möglichkeiten, warum ein fast 200 Meter langes Kreuzfahrtschiff, das über funktionstüchtige Tiefenlote verfügen müsste, auf Grund laufen kann. Joachim Hahne vom Institut für Sicherheitstechnik und Schiffssicherheit in Rostock hält einen individuellen Fehler für denkbar - oder technisches Versagen bei den Turbinen.

Nautiker nennen den plötzlichen Ausfall der Hauptmaschinen, die das Schiff antreiben, einen "Blackout". "In solchen Fällen können Schiffe auflaufen, weil sie den Windangriffsflächen voll ausgesetzt sind", sagt Hahne. Aus Erfahrung weiß der Experte, wie mühsam es sein kann, ein auf Grund gelaufenes Schiff wieder zu befreien. Wenn so ein Kahn festgefahren ist, schaffen es oft große Schlepper nicht, ihn ins freie Wasser zu ziehen: "Freispülen" bei günstigen Windverhältnissen sei dann eine realistische Option.

Das Auseinanderbrechen eines Kreuzfahrtschiffes sei kaum zu befürchten. Nicht immer sei das Alter der Grund für technisches Versagen, sagt Hahne. "Manchmal erleben wir das bei Schiffen, die gerade mal ein halbes Jahr alt sind."

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