Kreuzfahrt durch Nord- und Ostsee:Champagner im U-Boot

Die amerikanische "Crystal Symphony" gilt als eines der luxuriösesten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Jetzt will die Reederei den Komfort noch übertreffen.

Von Christian Döbber

Es gibt viele Versuchungen an Bord der Crystal Symphony. Bei der Wiener Kaffeestunde im "Palm Court" könnte man den Kellner im Brokatkostüm zum Beispiel bitten, gleich die ganze Sachertorte auf den Porzellanteller zu laden. Oder man traktiert den Room Service und probiert aus, wie viele Flaschen des inkludierten Champagners der Steward am Ende tatsächlich auf die Kabine liefert. Was für Europäer aber noch viel interessanter wäre auf einem Kreuzfahrtschiff voller Amerikaner gut ein Jahr, nachdem Donald Trump US-Präsident wurde? Die Passagiere einfach mal zu fragen, wie das denn, bitte schön, passieren konnte.

"Unterstehen Sie sich", sagt Josef Matt mit erhobenem Zeigefinger und vibrierendem Schnauzer. Der gebürtige Vorarlberger ist Hoteldirektor auf der Crystal Symphony - und weist gleich zu Beginn der Reise in bestem Schwarzenegger-Englisch auf die wichtigste Regel an Bord hin: "Here we don't talk about sex, religion or politics." Daran hält sich der Österreicher. Wenn Matt über seine Passagiere redet, dann nur in Form von sympathischen Anekdoten. Zum Beispiel, dass neulich eine ältere Dame nach dem Landgang in Kapstadt ein Dutzend Waisenkinder aus der Township mit an Bord gebracht und zum Eisessen eingeladen hat. "So etwas erlebt man nur bei Crystal", sagt der Hoteldirektor stolz.

Als die Crystal Symphony auf der Passage durch das Baltikum in St. Petersburg anlegt, gehen die meisten Passagiere aber nicht der Wohltätigkeit wegen von Bord. Viele kennen Eremitage, Katharinenpalast und Mariinski-Theater bereits von früheren Reisen. Auf die Tatsache, dass der typische Crystal-Kunde die ganze Welt in der Regel schon mehrmals bereist hat, stellt sich die Reederei natürlich ein. Sie will ihren Kunden an Land vor allem außergewöhnliche Erlebnisse anbieten und bleibt dafür oft mehrere Tage im selben Hafen. Dank solcher Overnights, die andere Reedereien wegen hoher Liegegebühren meist scheuen, können die Passagiere der Symphony für zwei Nächte mit dem Hochgeschwindigkeitszug ins 600 Kilometer entfernte Moskau zum Sightseeing rauschen. Wem das zu unspektakulär ist, der kann einen Flug in einer russischen MIG buchen - für schlappe 45 000 Dollar. Ob das auf einer Kreuzfahrt wirklich sein muss?

"Um Himmels willen, nein", findet Michelle Wright. Für die Industriellen-Gattin aus Atlanta war schon die Anreise im Flugzeug trotz Business Class eine Tortur. In St. Petersburg begnügt sich die Amerikanerin mit einem Spaziergang auf dem Newski-Prospekt. Für die Enkelkinder shoppt sie schnell einige Matrjoschkas und Fabergé-Eier, für Mr. Wright gibt es ein T-Shirt mit Putin-Print als Souvenir - "awesome". Danach geht es im Lada-Taxi wieder zurück aufs Schiff. Michelle - man spricht sich nur mit Vornamen an - genießt es, dass sich das ohnehin großzügig bemessene Luxusschiff an Hafentagen, wenn die knapp 700 Passagiere auf dieser Reise an Land sind, in eine riesige Privatyacht verwandelt. Im Büffet-Restaurant bitten die Kellner ihre Gäste dann recht devot, den gerade beladenen Teller für sie an den Tisch tragen zu dürfen. Und auf dem menschenleeren Pooldeck patrouillieren die nimmermüden Bartender auf der Suche nach dem einen oder anderen Gast, dem sie ein Glas Champagner an die Sonnenliege reichen können.

Das in der Kreuzfahrtbranche so wichtige Passagier-Crew-Verhältnis ist auf der Crystal Symphony ungeschlagen gut. Auf kaum einem anderen Schiff kümmern sich mehr Angestellte um so wenige Passagiere. Und nirgends auf See, versichert der chilenische Küchenchef Daniel Cataldo, wird mehr Geld für das Essen ausgegeben. Zwar gibt es auf der Crystal Symphony anders als auf anderen Luxusschiffen keinen "caviar splash" mehr - darunter versteht man Champagner und Kaviar satt, den Badenden von Kellnern in Livree im Pool serviert. Ob aus Kostengründen oder einfach der Schicklichkeit halber, vermag niemand so genau zu sagen. Das stört aber die wenigsten. Fischrogen gibt es schließlich auch im Restaurant "Silk Road". Hier wird bestes Sushi von Nobuyuki Matsuhisa kredenzt. Für ein Drei-Gänge-Menü des gefeierten Sushi-Meisters bezahlt man in New York oder L. A. gut und gerne 200 Dollar. An Bord der Symphony sind Sashimi, Wagyu und Co. einmal pro Reisewoche inklusive. Und auch im Hauptrestaurant, dem "Crystal Dining Room", wird mit Erlesenem nicht gegeizt.

Crystal Cruises glorifiziert sich gerne als luxuriöseste Reederei der Welt. Und glaubt man dem Condé Nast Traveller Guide, ist sie das auch. Dort nämlich rangiert die Crystal Symphony zusammen mit ihrem fast baugleichen Schwesterschiff Crystal Serenity seit Jahren unangefochten auf den ersten Plätzen. Auf dem deutschsprachigen Kreuzfahrtmarkt tut sich die amerikanische Luxusreederei aber immer noch schwer. Auf der Passage durch das Baltikum ist nur eine Handvoll deutscher Passagiere an Bord.

Weitere Informationen

Derzeit ist die Crystal Symphony auf einer Weltreise, von der auch Abschnitte gebucht werden können. Zum Beispiel ab 3. März 2018 der Abschnitt Südsee: in 17 Tagen von Auckland über Bay of Islands, Lautoka, Yasawairara, Nuku'alofa, Alofi, Rarotonga, Aitutaki, Bora Bora, Moorea nach Papeete, Preis ab 5369 Euro pro Person in der Doppelkabine. In Nord- und Ostsee ist dieses Jahr das Schwesterschiff Crystal Serenity sechs Mal auf ähnlichen Routen unterwegs. Zum Beispiel ab 7. Juni in 13 Tagen ab London über Amsterdam, Kopenhagen, Helsinki, St. Petersburg, Tallinn, Stockholm, St. Petersburg nach Stockholm. Preis ab 4362 Euro pro Person in der Doppelkabine zzgl. An- und Abreise. Buchungen über www.vistatravel.de.

Zugegeben, äußerlich ist die 1995 in Dienst gestellte Crystal Symphony schon etwas in die Jahre gekommen. Nach Millionen zurückgelegten Seemeilen glänzt das Teakholzdeck nicht mehr wie am ersten Tag, und hier und da blättert der Lack ein wenig ab. Wenn Kapitän Larsen sein Schiff als "weißen Schwan" bezeichnet, kann das also als nettes, aber nicht ganz ernst gemeintes Kompliment für eine ältere Dame interpretiert werden. Verschmäht wird die Crystal Symphony von den Deutschen jedoch aus einem ganz anderen Grund. Sie passt schlichtweg nicht in das Weltbild vieler deutscher Kreuzfahrer. Mit seinen 238 Metern Länge und knapp 1000 Passagieren an Bord ist das Schiff eigentlich schon zu groß für die Luxuskategorie. Hierzulande gilt auf dem Kreuzfahrtmarkt immer noch die Faustformel: je kleiner, desto exklusiver. Wer viel Geld ausgeben will, wählt also lieber die Europas von Hapag-Lloyd oder Schiffe von Seadream oder Silversea.

Für Michelle käme ein kleineres Schiff nicht infrage. Luxus, das bedeutet für sie vor allem, unter Leute zu kommen, im Theater, wo sie dem Elton-John-Double zujubelt, oder später im Connoisseur Club. Hier dämpfen dicke Perserteppiche und die Mahagoni-Vertäfelung die Stimmen der Passagiere, und der ansonsten gepflegte Small Talk weicht richtigen Gesprächen. Besonders dann, wenn nachts um halb zwei irgendwo zwischen St. Petersburg und Stockholm die Mitternachtssonne für eine halbe Stunde verschwindet. "Immer wenn ein Familienmitglied oder Freund von mir verstirbt, tröste ich mich mit einer Kreuzfahrt", sagt Michelle und sinkt mit ihrem Charleston-Kleid immer tiefer in die braune Ledergarnitur. Es ist Michelles dritte Reise mit Crystal Cruises in diesem Jahr. "Ist nicht so toll gelaufen."

Dieses Trostpflaster muss man sich leisten können. Für eine zweiwöchige Passage in der Ostsee verlangt Crystal Cruises mindestens 4000 Dollar pro Person in der Standard-Außenkabine. Dass die mehr als doppelt so teuren Penthouses mit Butler-Service stets als Erstes ausgebucht sind, kommentiert Suzanne Kochen mit einem nonchalanten Schulterzucken. "Für unsere Gäste spielt Geld in der Regel keine Rolle." Die Holländerin, bei der Reederei für Verkauf und Marketing verantwortlich, berichtet, dass ihr Unternehmen den Luxus auf See bald noch übertreffen will. In diesem Jahr soll die Expeditionsyacht Crystal Endeavour zur Flotte stoßen, mit Hubschrauber und U-Boot. Und keine Sorge, beruhigt Kochen: "Sie können Ihr Champagnerglas in das U-Boot natürlich mitnehmen."

Die Kataloge hat sich Michelle bereits auf die Kabine bringen lassen. "Wer weiß, wer als Nächstes ins Gras beißt", ulkt sie wieder in bester Laune. Kurz bevor das monotone Flimmern der Fox News auf dem Flachbildschirm Michelle in den Schlaf befördert, kommt Trudy in den Connoisseur Club gestöckelt. "Ach Honey, alles wird gut", muntert die Texanerin ihre Freundin auf - und nimmt Michelle mit zum Karaoke-Abend. Dort sitzen sie mit einem älteren Herren aus Mexiko-Stadt am Tisch. Sie könnten jetzt über Politik reden, über ihren Präsidenten und die Mauer, die der bauen will. Sie entscheiden sich aber fürs Singen. Als Titel wählen sie "Guantanamera".

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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