Kreative Entschuldigung eines Lokführers:500 Briefe gegen die Kunden-Wut

So funktioniert Kundendienst: Nachdem ein New Yorker Lokführer seine Fahrgäste vergeblich am Bahnsteig stehen ließ, entschuldigte er sich auf eine besondere Art. Die Reisenden waren begeistert. Ganz im Gegensatz zu seinem Arbeitgeber.

Von Tobias Dorfer

Wenn sich mehr Bahn-Mitarbeiter so verhalten würden wie Michael Shaw, dann würde es sicher auch in Deutschland weniger Ärger über verspätete oder ausgefallene Züge geben. Denn der Zugführer hat, zumindest nachträglich, großes Talent im Umgang mit seinen Kunden bewiesen.

Alles fing damit an, dass Shaw (nebenbei Präsident einer Zugführervereinigung) am vergangenen Freitag seine Passagiere im morgendlichen Berufsverkehr der Metro North in New Haven - etwa 120 Kilometer nordöstlich von New York - dazu aufforderte, nicht in seinen Wagen zu steigen. Vielmehr sollten sie auf den Express-Zug warten, dessen Eintreffen - davon ging Shaw aus - wenige Minuten später veranschlagt war.

Normalerweise fährt Shaw selbst den Express-Zug, doch an diesem Freitag waren ihm von der Zentrale einige Zwischenstopps vorgeschrieben worden. Also riet er an einigen Bahnhöfen den Menschen ("etwa 100 an jedem Gleis"), auf den nächsten Zug zu warten. So seien sie schneller im Büro. Erst später erfuhr er allerdings, dass die spätere Linie ganz aus dem Plan gestrichen worden war.

Michael Shaw war sauer auf seinen Arbeitgeber und besorgt wegen seinen Kunden. Am Wochenende setzte er sich an den Computer, schrieb eine Entschuldigung, druckte sie 500 Mal aus und verteilte sie am Montagmorgen auf die Sitze in seinem Zug. Er habe sich schlecht gefühlt, "Kunden, die ich jeden Tag sehe" unwissentlich belogen zu haben, sagte der 48-Jährige der New York Times.

Die Passagiere haben ihm sofort verziehen.

Nur sein Arbeitgeber war nicht so begeistert, wie ein Sprecher deutlich machte:

"Zugfahrer Mike Shaw ist einer von vielen Fahrern der Metro-North Railroad, die eine starke Verantwortung für ihre Kunden empfinden. Sein offener Brief drückt die Frustration aus, die Kunden und Angestellte angesichts der jüngsten Herausforderungen der Gesellschaft empfinden. Obwohl wir seine Sorgen teilen, dulden wir nicht seine Methoden, diese zu kommunizieren."

Kunden, so der Sprecher in der New York Times, sollten sich nicht bei den Fahrern der Züge über eventuelle Fahrplanänderungen informieren sondern auf der Website des Unternehmens.

Michael Shaw ist trotzdem überzeugt, richtig gehandelt zu haben, wie er noch am Montagabend auf Twitter schrieb.

Die Verspätungen haben mit dem Zugunglück Ende 2013 zu tun, bei dem mehrere Menschen ums Leben gekommen waren und zahlreiche Passagiere verletzt wurden. Damals war ein Vorstadtzug der Metro-North entgleist. Nach dem Unfall werden die Züge durchgecheckt, was derzeit auf der Strecke zu Verspätungen und Zugausfällen führt.

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