Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Ägypten? Unbedingt hinfahren.

Ägypten ist ein anstrengendes Land für Reisende. Aber wer dort Nähe zulässt, wird belohnt. Und man sollte die Menschen nicht bestrafen für ihre zunehmend diktatorische Regierung.

Kommentar von Monika Maier-Albang

Ägypten hält seine Urlauber gern in einer Blase. Sie werden in Bettenburgen kaserniert, von Hurghada aus für einen Tag nach Luxor gekarrt, in Bussen, so groß, dass der Alltag der Bauern auf ihren Eseln ganz klein erscheint. Dabei kann man Ägypten tatsächlich bereisen - man muss nur die Taxipreise kennen, nervige Feluken-Anwerber abblitzen lassen und Züge meiden, wenn man sich vor verdreckten Sitzen ekelt. Ägypten ist anstrengend. Andererseits wird, wer Nähe zulässt, durch die Freundlichkeit der Menschen belohnt. Schüler und ihre Lehrer stehen an zum Selfie mit Frau aus fernem Land. Und wohin man auch kommt, empfängt einen ein ehrlich gemeintes "welcome to my country".

Die Menschen in Ägypten, sie freuen sich über die Rückkehr der Touristen. Seit diesem Herbst füllen sich langsam wieder die Badeorte am Roten Meer, und auch die Kreuzfahrt-Schiffe, die jahrelang am Ufer des Nils ankerten, brechen mittlerweile wieder vereinzelt auf Richtung Assuan.

Das Gefühl, wieder Teil der Weltgemeinschaft zu sein

Jeder Gast trägt Geld ins Land und schafft Arbeitsplätze - allein das ist für die Menschen Grund zur Freude. Die Rückkehr der Touristen aber bedeutet mehr: Vor allem der dünnen Bildungsschicht gibt sie das Gefühl, wieder Teil der Weltgemeinschaft zu sein, nicht auch noch bestraft zu werden, weil man die Demokratie nicht erreicht und von Islamisten bedrängt wird. Und: Nein, man ist hier nicht sicher vor Anschlägen. Aber wirklich sicher vor Anschlägen ist man auch nicht in Berlin oder Paris.

Die Frage ist also weniger die: Kann man hinfahren? Sondern: Soll man hinfahren? Und damit das Regime unter dem zunehmend diktatorisch herrschenden Abdel Fattah al-Sisi stützen, der sich gerade im Amt bestätigen hat lassen und sich mit Militär und Geheimdiensten an der Macht hält.

Im Falle Ägyptens ist die Antwort: Ja, man sollte fahren. Denn ohne das Geld der Gäste droht das Land noch mehr zu verarmen, droht in Folge eine weitere Islamisierung. Und ein Ägypten unter den Muslimbrüdern, die den Ägypterinnen den letzten Rest Selbstbestimmung nehmen, das kann man dem Land nicht wünschen.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2018/ihe
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