Kommentar:Friede den Palästen

Die neu gebauten Hütten in den Alpen erhitzen die Gemüter der Traditionalisten. Dabei müssen Bergunterkünfte heute ganz andere Anforderungen erfüllen als früher.

Von Hans Gasser

Wer einmal in Gebirgen war, in denen es keine Berghütten gibt, wird feststellen: schön, wild, leer - aber doch ein bisschen ungemütlich. Im Kaukasus gibt es kaum Hütten, und selbst im viel besuchten Nepal sind die Lodges oft zugige Bretterbuden. So gesehen ist das im 19. Jahrhundert von Großstädtern aus Berlin, Wien und München begründete Hüttenwesen in den Alpen ein Segen: Man wandert oder klettert in der faszinierenden Gebirgslandschaft und muss am Abend nicht ins Tal, sondern kann da oben in beheizten Räumen schlafen, essen, und Touren für den nächsten Tag planen.

Da immer mehr Menschen ihre Wochenenden im Gebirge verbringen wollen, erleben die früher als einfache Schutzhütten gedachten Gebäude eine Metamorphose: Statt Massenlager gibt es Mehrbettzimmer mit anständigen Betten, statt Erbseneintopf oft hochwertige À-la-carte-Küche und statt Spitzgiebel mit Schindeln schauen die neuen Hütten eher aus wie Raumstationen.

Dagegen macht sich unter sogenannten Traditionalisten immer wieder Unmut breit: Eine Hütte sei kein Hotel, heißt es, so ein moderner Zweckbau sei ungemütlich und passe nicht ins Hochgebirge. Dazu hat der große Architekturmodernisierer Adolf Loos schon 1913 die passende Antwort gegeben, mit seinen Regeln für das Bauen am Berg: "Baue nicht malerisch. Überlasse solche Wirkung den Mauern, den Bergen und der Sonne." Des Weiteren fordert er die Städter auf, sich im Gebirge am Bauen der Bauern zu orientieren und flache Dächer zu schaffen: "In den Bergen darf der Schnee nicht abrutschen wann er will, sondern wann der Bauer will." Das Althergebrachte sei immer vorzuziehen, es sei denn: "Haben die Fortschritte der Technik es möglich gemacht, die Form zu verbessern, so ist immer diese Verbesserung zu verwenden."

Die Zeit bleibt nicht stehen. Man baut heute nicht mehr mit Bruchstein und Holzbalken, sondern mit Betonfertigteilen, dreifach verglasten Fenstern, und das Holz dient vor allem als schicke Innenverkleidung der Räume. Die Gebäude in 2000 bis 3500 Metern Höhe sind heute so energiesparsam, dass man sie kaum heizen braucht, der Strom kommt von Photovoltaikanlagen, Kläranlagen reinigen das Abwasser. Wenn das mal keine Verbesserung ist!

Viele neue Berghütten schauen sich ziemlich ähnlich: die Monte-Rosa-Hütte, die Schwarzensteinhütte in Südtirol oder die brandneue Seethalerhütte am Dachstein. Außen prismenförmig, innen mit heller Holztäfelung und puristischen Möbeln. Aber sehen nicht die alten Schindelhütten auch ähnlich aus? Der Preis für solche Hightech-Paläste in den Bergen wird oft kritisiert. Zwei, drei Millionen Euro kostet so eine Unterkunft schnell, manche auch mehr. Das Bauen im Hochgebirge ist teuer. Rein privatwirtschaftlich würde sich das nicht rechnen. Deshalb fließen oft Fördergelder in die Hütten. Das ist gut angelegtes Geld, denn die Bauten sind auf Jahrzehnte ausgelegt und bieten vielen Menschen einen leichten und meist nachhaltigen Zugang zur Bergnatur. Und wer kehrt nicht lieber in einer hellen, warmen und gut gebauten Hütte ein, als in einer muffigen und zugigen?

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