Kommentar:Disziplin versus Egoismus

Die vielen, die mitmachen, exponieren jene Minderheit, die sich nicht an den empfohlenen Bergsportverzicht während der Krise hält. Manche überschreiten hier Grenzen.

Von Dominik Prantl

Auch Zeiten wie diese bringen kleine Siege hervor. Einer davon ist der unscheinbare Triumph jedes Einzelnen über das eigene Bedürfnis nach einer Reise in Miniaturformat, an den See, an einen Fluss, in die Berge. Das gilt vor allem bei einem derart verlockenden Frühlingswetter, wie es wieder für Teile des Osterwochenendes angekündigt ist. Für die vergangenen Wochen zumindest meldeten diverse Polizeistellen und Bergrettungsdienste, ob in Tirol oder Bayern, Salzburg oder Sachsen, dass sich ein Großteil der Bevölkerung an die Ausgangssperren gehalten habe und den Bewegungsdrang offenbar in der Heimat oder gar den eigenen vier Wänden auslebte. Zuweilen schwingt sogar so etwas wie Stolz in den Stellungnahmen mit. Gerade im Land des Reise- und Naherholungsweltmeisters ist diese gebremste Freizeitmobilität auch durchaus bemerkenswert.

Die Disziplin der Massen exponiert aber auch jene Minderheit, die sich nicht an die durchaus mit Graubereichen ausgestatteten Maßnahmen während der Corona-Krise hält. Dabei geht es weniger um Wanderer, die einen etwas ausgedehnteren Marsch hinterm Haus absolvieren, sondern um durchaus ambitionierte Bergsportler, die sogar Grenzen überschreiten, um sich dann im hochalpinen Gelände zu tummeln. Das ist freilich schon alleine gegenüber jenen Gleichgesinnten unsolidarisch, die mit den Hufen scharren, sich aber zügeln können. Die Begründungen für die wohl eher nicht systemerhaltenden Aktivitäten in Schnee und Fels reichen dabei über die offenbar nur am Steilhang zu konservierende Gesundheit, eine perfide Angst des Formverlustes bis hin zu der Ansicht, dass man keine größere Gefahr sei als ein Spaziergänger - was stimmt, solange nichts passiert. Die anschließende Hubschrauberrettung mit Belegung eines Krankenbetts geht dann jedenfalls auf Kosten der gerade eher empfindlichen Gesellschaft.

Vielleicht ist es aber auch nur ein weiterer kleiner Erfolg, wenn manche Mitglieder der hehren Bergsportgemeinde, in der heute zwar weniger von Seil- und Kameradschaft, aber dafür immer öfter von Selbstkontrolle und -überwindung die Rede ist, einfach einmal als das entblößt werden, was sie sind: selbstgefällige Egoisten.

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