Kolumne "Mitten in ...":Miguel seufzt

Denn die besonderen Reize von Uruguay haben einen Haken. Und eine spätsommerliche Mittagspause in München stinkt den Bistro-Gästen bald gewaltig.

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Mitten In

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Pedrera

Uruguay, ein Hippie-Dorf an der Atlantikküste. "Wegen Tango, Mate-Tee und der riesigen Steaks brauchen wir Argentinier ja nicht hierherzukommen", sagt Miguel, der von Buenos Aires aus den Rio de la Plata mit dem Schiff überquert hat. Auch nicht wegen Empanadas und Dulce de Leche. "Haben wir selbst alles im Überfluss." Klar, die langen weißen Strände seien super. Aber sonst sei Uruguay doch nur die kleine, langweilige Schwester Argentiniens, doziert er leicht überheblich. Doch seit zwei Jahren, seine Stimme klingt plötzlich anerkennend, seien die Uruguayos um einiges cooler geworden. Wegen der Fußball-Nationalelf? Ach was, wegen des Marihuanas! Seit 2017 ist Kiffen legal. Also sind deshalb die ganzen argentinischen Touristen hier? Leider nicht, seufzt Miguel. Verkauft werden darf das Zeug nur an Einheimische, nicht an Ausländer.

Beate Wild

SZ vom 13. September 2019

MI_Dubrovnik

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Dubrovnik

Oh, das war anstrengender als gedacht, diese Tour mit dem Kajak um die legendäre Insel vor Dubrovnik (ja, die von Game of Thrones). Zurück, sehnt man sich nach einem kühlen Getränk; wie schön, dass sich der Partner in den Supermarkt aufmacht. Es dauert ewig, dann ist er zurück, ohne Getränke, dafür mit Panik in den Augen. Die Kreditkarte ist weg. Man versucht zu beruhigen - und läuft seinen Weg ab, mit wenig Hoffnung, aber wer weiß. Fragt nach bei Bootsverleih, Zeitungskiosk, Bankfiliale, Touribüro: Kreditkarte gefunden? Nein. Nein. Nein. Also zurück, da ist noch ein Hotel, ein letzter Versuch. Großes Gerangel, telefonierende Gäste, man schlängelt sich vor zum Hotelboy und will nach der Karte fragen - da sieht man sie liegen, so unwirklich wie unschuldig direkt auf dem Counter. Hat jemand abgegeben, sagt der Hotelboy. Schön, dass Sie sie holen. Wow!

Cerstin Gammelin

SZ vom 13. September 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... München

Mittagspause. Es ist heiß an diesem Tag, vor einem Feinkost-Bistro an der Prinzregentenstraße aber stehen die Stühle und Tische im Schatten. Die Gäste schauen trotzdem verdrießlich, denn unmittelbar vor den Tischen hält eine Limousine. Eine Dame hat sich zum Einkaufen herfahren lassen, nun ist sie im Laden verschwunden, der Chauffeur lehnt an der Wagentür, und der Motor läuft. Die Gäste würden gerne essen, aber alles riecht nach Benzin. Und bei der Dame dauert es offenbar etwas länger. Nach mehreren Minuten steht einer der Gäste auf und geht hinüber zum Chauffeur. Ob er denn nicht den Motor abschalten könne, während das Auto da herumstehe, die Abgase störten beim Essen dann doch. Aber er blitzt ab. Der Fahrer sagt, ganz cool: "In meinem Arbeitsvertrag steht: Ich habe ein Recht auf einen klimatisierten Arbeitsplatz."

Jakob Wetzel

SZ vom 13. September 2019

MI August

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... New York

Viermal in der Woche öffnen sich kurz vor 8.30 Uhr im 1200er-Block der Dean Street in Crown Heights, Brooklyn, die Haustüren und ein seltsames Schauspiel beginnt. Heraus kommen verschlafen dreinblickende Männer und Frauen, manche im Bademantel, manche mit nassen Haaren. Alle mit Autoschlüssel in der Hand. Wenig später steht auf der einen Seite der Straße kein Auto mehr. Um zehn Uhr sind alle wieder zurück. Zwischendurch huscht irgendwann die Straßenreinigung vorbei. Das Spiel wiederholt sich auf dieser Straßenseite jeden Montag und Donnerstag. Auf der anderen jeden Dienstag und Freitag. "New York Park-Dance" nennen das die Leute.

Könnte lustig sein, wenn es nicht so furchtbar nerven würde. In den reichen Vierteln wird übrigens auf jeder Straßenseite nur einmal pro Woche gekehrt. Weil da angeblich die Straßen sauberer sind.

Thorsten Denkler

SZ vom 6. September 2019

MI August

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Frankfurt

Es ist einer dieser heißen Tage in Frankfurt, an denen vernünftige Zwei- und Vierbeiner daheim oder im Schatten bleiben und die Innenstadt meiden. Auf den Straßen und Trottoirs sind nur diejenigen unterwegs, die keine Wahl haben - oder Touristen sind. Letztere bewegen sich nicht nur zu Fuß oder Bus, sondern gern auch mit Leih-Fahrrädern und, klar, den schicken, neuen E-Scootern durch die Stadt. Auf die Herausforderungen des deutschen Verkehrs sind nicht alle eingerichtet, nicht einmal, wenn die Straßen so gut wie leer sind.

Am Kaiserplatz radelt ein Tourist in der Fahrbahnmitte, hört Musik per Knopf im Ohr und singt fröhlich mit. Den Asiaten auf dem E-Roller, der ihm entgegenkommt und auf sein Handy statt auf die Straße blickt, bemerkt er nicht. Zusammenstoß, es scheppert. Erschrockener Blick - auf die Mobiltelefone. Funktionieren noch. Alles okay.

Susanne Höll

SZ vom 6. September 2019

mitten_prag

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Prag

Die Touristin aus Asien hat auf einem weißen Plastikstuhl Platz genommen. Ein Fehler, wie sie gleich erfahren wird. "You must sit on this chair!", bedeutet ihr eine Dame in blauer Uniform. Widerstand zwecklos, die Asiatin schiebt ihren Hintern auf einen spitzen, dreieckigen Holzstuhl, das Replikat eines 1911 entstandenen Designs des Künstlers Pavel Janák. Es ist alles geometrisch und kantig im Kubismus-Museum in Prag, das über dem ebenfalls kubistischen "Grand Café Orient" untergebracht ist.

Die meisten Leute bleiben bei den quadratischen Windbeuteln hängen und schaffen es erst gar nicht bis hinauf, weshalb das Museumspersonal sich jedem Besucher persönlich widmen kann, fest entschlossen, niemanden gehen zu lassen, ehe er nicht zum glühenden Anhänger kubistischer Sitzmöbel geworden ist. Jetzt sind wir an der Reihe. "Setzen!", befiehlt die Uniformierte.

Jutta Czeguhn

SZ vom 6. September 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Edingburgh

Während des Edinburgh Fringe Festival sind die Straßen der schottischen Hauptstadt eine einzige große Bühne, bevölkert von Clowns, Frauen, die Riesenseifenblasen in die Menschenmassen pusten, Musikern jeder Stilrichtung. Eine der besten Straßenshows ist aber ohne Frage ein simples Metallgestell, das ein findiger Mensch am Middle Meadow Walk aufgestellt hat. Daran ist in zweieinhalb Metern Höhe eine Stange angebracht. "Häng dich für 2 Minuten dran - gewinn 100 Pfund!" steht auf dem Schild darüber.

Wer's versuchen will, muss fünf Pfund zahlen. Leicht verdientes Geld, scheinen die vielen, meist männlichen Kandidaten zu denken. Einen nach dem andern sieht man erst hängen und lächeln, dann zittern und prusten, dann loslassen und scheitern. Selten wurde menschliche Selbstüberschätzung mit derart einfachen Mitteln so unterhaltsam und einträglich genutzt.

Alexander Menden

SZ vom 30. August 2019

MI August

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Tokio

Bei der Kontoeröffnung war der Herr von der Bank etwas abgelenkt. Der Hund der Filiale erregte seine Aufmerksamkeit, genauer gesagt der Roboterhund der Filiale, ein Aibo der neuesten Generation aus dem Hause Sony. "Das ist Kotaro", sagte der Herr von der Bank. Er betrachtete den Vierbeiner mit seligem Lächeln, kraulte seinen nackten Schädel. Kotaro war ein ganz Braver, legte die Ohren an, wedelte mit dem Schwanz, blickte aus treuen Glasaugen. "Sitz!", sagte der Herr von der Bank. Allerdings machte Kotaro nicht Sitz.

Er wackelte scheppernd über den Teppich. "Sitz!" Kotaro machte ein Geräusch zwischen Fiepsen und Bellen. Auf bedingungslosen Gehorsam ist er nicht programmiert, er hat andere Vorzüge. "Er schmutzt nicht, gell." Der Herr von der Bank überging die gute gemeinte Bemerkung des Kunden und schaute der Maschine gerührt nach.

Thomas Hahn

SZ vom 30. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... München

Ein paar Bahnen im Freibad geschwommen, dann noch heiß geduscht, herrlich, so eine Morgenerfrischung. Vor den Spiegeln im Umkleidebereich ist ziemlich was los, es werden Wimpern getuscht, Gesichter eingecremt, Haare in Form geföhnt, offensichtlich geht es für die meisten aus dem Wasser ziemlich flugs weiter in ihre Büros. Endlich ist man in der Föhnschlange selbst dran, da spürt man recht nah und irgendwie drängend jemanden hinter sich stehen. Schulterblick, Verwunderung: Der Typ hat eine Glatze! Was will der bloß hier?

Aber der Schatten geht einfach nicht weg. Erobert sich mit seiner Hartnäckigkeit recht schnell den heiß begehrten Föhn. Setzt sich in aller Ruhe auf eine Bank. Und fängt dann ohne ersichtlichen Grund, aber geradezu liebevoll an, seine Zehen der Reihe nach mit der warmen Luft zu trocknen.

Mareen Linnartz

SZ vom 30. August 2019

Mitten In

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Bergen

Die Kuhglocken läuten in der Ferne, die Bäume wiegen sich im Wind, die Sonne lugt durch die Wolken. Hier, in Oberbayern, weit über der Stadt, ist die Welt noch in Ordnung, denke ich gerade, als die ersten Wanderer die letzten Schritte bis zur Alm zurücklegen. Kurz müssen sie verschnaufen. Der Anstieg war steil, die Wampe tut ihr übriges. Doch lange sitzen sie nicht still vor ihrem Bier. "Wos willst na du mit dem Ausländer", fragt ein mittelalter, weißer Mann die junge Wirtin. Ich blicke verwirrt in die Runde, auf den ersten Blick ist niemand da, auf den diese Beschreibung zu passen scheint. Die Wirtin indes hält den "Ausländer", ihren Hirtenstock aus Bambus, in die Höhe und erwidert lächelnd, aber bestimmt: "Der tut hier schon gut." Auch auf 1035 Metern Höhe gibt es also Rassisten, denke ich betrübt - aber glücklicherweise auch solche, die dagegenhalten.

Jacqueline Lang

SZ vom 23. August 2019

MittenIn

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Schwarzenberg

Der "Sagenweg" führt sagenhaft steil bergauf zur St. Ilga-Kapelle. Die Sonne brennt, der Schweiß rinnt. Entlang des Themenwanderwegs im Bregenzerwald gibt es Stationen, an denen die Geschichte der frommen Einsiedlerin Ilga erzählt wird, aus deren Tränen angeblich die Ilga-Quelle entstand. Jede Station ist mit frischen Blumen geschmückt. Wie gläubig und fleißig die Leute hier doch noch sind! Oder gibt es im Wald heilige Heinzelmännchen? Das Heulen eines Turbo-Diesels zerstört die andächtige Stille. Ein Mercedes-SUV, so breit wie der Forstweg, hält bei einem blumengeschmückten Kreuz. Der Fahrer bleibt bei laufendem Motor sitzen, die Beifahrerin steigt aus, eine Wasserflasche in der Hand. Sie zupft ein paar vertrocknete Blättchen von den Geranien und steigt wieder ein. Die CO₂-Bilanz ist zum Heulen - aber die frischen Blumen sind wunderbar.

Titus Arnu

SZ vom 23. August 2019

Mitten In

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Appenzell

Geburtstagseinladung ins "Schäfli"; zu Fuß von St. Gallen über eine Brücke, so hoch, dass Netze gespannt sind, um Selbstmörder zu retten, und man ist im Kanton Appenzell angekommen, ein Traum von Schweiz: adrette Holzhäuschen am Berg, Sprossenfenster, niedrige Türen. Drinnen Holztische, auf jedem Teller eine Speisekarte, die einen grübeln lässt, weil man alles bestellen möchte. Es stellt sich heraus: Es gibt alles, was auf der Karte steht - für jeden. 15 Vorspeisen, Suppe, drei Hauptspeisen, vier Desserts. Schon nach der vierten Vorspeise trifft man vor der Tür nach Luft japsende und Platz im Magen suchende Mitstreiter und wird aufgeklärt, dass genau so eine "Tavolata" aussieht. Als ich meinen Tischnachbarn anstarre, weil er Stunde um Stunde alles isst, was serviert wird, sagt er: "Satt ist kein Argument." Wieder was gelernt.

Susanne Schneider

SZ vom 23. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... London

Wenn es ausnahmsweise mal heiß ist, treffen sich gefühlt alle Bewohner Londons im Hampstead Heath, einem Park auf einem Hügel im Nordwesten der Stadt, genauer: in den dortigen Swimming Ponds. Die Badeteiche - drei an der Zahl und aufgeteilt in einen für Männer, einen für Frauen und einen für alle Tierchen und Pläsierchen - sind der Spot zum Glotzen und Abhängen. Hampstead Heath und seine romantischen Teiche sind so populär, dass sie ständig in Filmen vorkommen und deshalb immer noch populärer werden. All jenen, die den Massen entgehen wollen, sei gesagt: Der Lido ist viel hipper - ein rund ums Jahr geöffnetes, ungeheiztes Freibad am Fuße des Heath. Wer hier nicht nur im Sommer bei 25, sondern auch im Winter bei 15 Grad schwimmt, der ist angekommen. Die Teiche sind für alle. Der Lido nur für Auserwählte.

Cathrin Kahlweit

SZ vom 16. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Rom

Die Piazza Campitelli im I. römischen Stadtbezirk wäre ja ein hübscher Platz: eine etwas aufgeblasene Kirche, zwei Stadtpaläste, ein Restaurant mit Terrasse, Schutzhecke und teurer Karte. In der Casa di Ponzio hat der stellvertretende Bürgermeister Roms sein Büro, der Kapitolshügel ist nicht weit. Echt, eine tolle Piazza. Doch in der Nachbarschaft interessieren wir uns, sehr schnöde, nur für ihre Parkplätze. Es gibt da nämlich eine ganze Menge, und zwar legale, garantiert ohne Abschleppgefahr. Und da solche Parkplätze im historischen Zentrum ungefähr so rar sind wie abfallfreie Ecken, sind sie selbstverständlich immer besetzt, alle. Manche Autos stehen das ganze Jahr da, zugedeckt mit Taubendreck und Saharasand. Außer im August, da ist die Piazza Campitelli fast leer, ein Hauch Herrlichkeit. Wirklich ein Grund, nicht wegzufahren.

Oliver Meiler

SZ vom 16. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Paris

Im August hat man in Paris zwei Möglichkeiten: Man bleibt in der Stadt und freut sich, dass alle anderen weg sind. Oder man folgt den Massen aufs Land. In einem Feriendorf, zwei Stunden von Paris entfernt, laufen nicht nur urlaubende Städter in kurzen Hosen, sondern auch Ziegen, Hühner und Kaninchen frei herum. So stellen sich Kinder, die Natur nur aus dem Bilderbuch kennen, einen Bauernhof vor. Ein Schild am Eingang verkündet stolz, dass es hier kein Internet gibt. So stellen sich Workaholics, die in Pausen nur Chancen zum Netzwerken sehen, die Rückkehr zu sich selbst vor. Neben der Bar hängt eine Tafel, auf der darum gebeten wird, Fotos der Idylle auf Instagram zu veröffentlichen. Nachträglich, wenn man zu Hause wieder in der Metro hockt und sich ernsthaft fragt, ob die Freunde neidisch genug auf die Sommerbräune sind.

Nadia Pantel

SZ vom 16. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Hellissandur

Island im Sommer. Überall ist die Vogelwelt eifrig damit beschäftigt, den Nachwuchs aufzupäppeln. Die meisten Vogeleltern stehen Besuchern auch durchaus aufgeschlossen gegenüber. Ausnahme: die Küstenseeschwalbe, ein Wiesenbrüter. Man könnte jetzt vom Problemvogel faseln, denn bereits der Reiseführer weist darauf hin, dass mancherorts die Fortbewegung zu Fuß von A nach B während der Brutsaison etwas anstrengend werden könnte, aber im Land der Elfen und Trolle können die einem ja viel erzählen. Die Heftigkeit der hitchcockreifen Szenerie und die gratis Kopfhaut-Akupunktur kamen dann aber doch unerwartet. Beim zweiten Wanderversuch jagen dann schon beim Einparken zwei wütende Vogelelternpaare wie Kampfjets über die Windschutzscheibe. Was macht man da? Nun ja. Dezent legt man den Rückwärtsgang ein und sucht das Weite.

Gaby Klein

SZ vom 16. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Warschau

Warschau im August gleicht einem Backofen. Der einzige See ist 25 Kilometer vom Zentrum entfernt. Also strömt man in die wenigen Schwimmbäder - etwa in den "Wasserpark". Dort sind die Schlangen an den Kassen dann lang, schimpfen Familienväter über die nicht funktionierenden elektronischen Schließfachschlösser, drängeln sich bei über 30 Grad im Schatten 600 Gäste in einem Bad, das mit 300 Besuchern schon gut gefüllt ist. Wem das alles egal ist: den Kindern. Sie freuen sich über den Ausnahmezustand im 50-Meter-Becken, in dem gewöhnlich Leistungsschwimmer wie Atom-U-Boote durchs Wasser pflügen. Aber nicht bei dieser Hitze. Es wartet: ein Parcours aus mehreren Plastikhügeln, bestehend aus schwankenden Schaumstoffbrettern, von denen Väter dann wie nasse Säcke ins Wasser abrutschen. Schwimmbahn? Blamagebahn.

Florian Hassel

SZ vom 16. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Schondorf

Ein Vater-Sohn-Wochenende ist das Beste, was es gibt auf der Welt, und welcher Ort wäre dafür besser als ein oberbayerischer See? Schlafen im Campingbus, grillen, Schokolade schlemmen, am Morgen mit Seeblick aufwachen: So sieht Sommer aus. Dann: See Nummer eins. Lange Schlange am Campingplatz. T'schuldigung, habt ihr alle reserviert? Ungläubige Blicke, pff, Anfänger. Drei Seen und sechs Campingplätze später gewinnt das Gefühl Oberhand, dass man zum Grillen und Schlafen ja nicht zwingend einen Campingplatz braucht. Der Sohn aber hat Angst, dass die Polizei das anders sehen könnte. Die Stellplatz-App sagt: idyllischer Parkplatz in Schondorf am Ammersee, gut für eine Nacht, sehr, sehr ruhig. Klingt gut, also hingefahren, Bus geparkt, Grill raus, der Sohn ist begeistert, cool hier, Papa. Ja. So schön kann Campen am Friedhof sein.

Michael Neudecker

SZ vom 16. August 2019

Mitten In

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Klais

Der Bahnhof Klais, höchstgelegener Bahnhof des Freistaats Bayern, 933 Meter über dem Meer, Blumenkästen an den Fenstern, aber: Fahrkarten gibt es nur am Automaten. Der steht im prallen Sonnenlicht, auf dem Display ist fast nichts zu erkennen. Die junge Frau ist schier verzweifelt, gleich kommt der Zug, es klappt nicht. Sie klopft am Fahrdienstleiterhäuschen, die Tür öffnet sich einen Spalt: "Ich kann hier nicht raus, der Zug kommt gleich." "Der Automat", fleht die junge Frau, "die Sonne ..." "Weiß schon", sagt die Gestalt im Türspalt ungerührt, "ich hab den ja nicht aufgestellt." Neuer Versuch. Endlich - nur noch bezahlen. Der Automat verweigert die Annahme des Fünf-Euro-Scheins. Flutsch rein, flutsch raus. Der Zug fährt ein. Ein Mitreisender offeriert einen anderen Schein. Jawoll! Das Ticket kommt. Sprint über zwei Gleise. Geschafft.

Hans Holzhaider

SZ vom 9. August 2019

Korrektur: In einer früheren Version haben wir den Bahnhof Klais fälschlicherweise als höchstgelegenen Bahnhof Deutschlands bezeichnet. Der Bahnhof Klais ist jedoch der höchstgelegene Bahnhof Bayerns auf einer Normalspurstrecke. Der höchstgelegene Bahnhof Deutschlands auf einer normalspurigen Strecke und gleichzeitig der höchste der Deutschen Bahn ist allerdings der Bahnhof Feldberg-Bärental im Schwarzwald auf einer Höhe von 967 Metern. Der Gipfelbahnhof der Brockenbahn (Harzer Schmalspurbahnen) befindet sich sogar auf einer Höhe von 1125 Metern. Der höchstgelegene Halt einer Zahnradbahn ist der Sonderhalt Schneefernerhaus der Bayerischen Zugspitzbahn auf 2650 Metern; der reguläre Halt auf dem Zugspitzplatt, Sonnalpin, liegt auf 2588 Metern.

Mitten in

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Charleroi

Vom Flughafen Charleroi bis nach Hause sind es 60 Kilometer, es ist spät, es regnet, der Shuttlebus fährt erst in 30 Minuten. Alle murren. An der Haltestelle wartet ein junger Mann und bietet den Murrenden an, sie für 20 Euro nach Brüssel mitzunehmen. Manche ignorieren ihn, andere sagen "Nein danke" und drehen sich weg. Wir sagen Ja. Der Fahrer fährt ein wenig mörderisch, ist aber nett. Er wohne in Antwerpen, habe Freunde zum Flughafen gebracht und dann fast eine Stunde gewartet, bis jemand mit zurückfahren wollte. In Bulgarien, wo er herkomme, sei Carpooling völlig normal. "Man nimmt ständig jemanden mit oder wird mitgenommen. Aber hier sitzt in jedem Auto nur ein Mensch. Und wenn man Leute fragt, ob sie mitfahren wollen, scheinen sie Angst zu haben." Das wäre mal eine Maßnahme für weniger Verkehr: mehr Vertrauen.

Nadja Schlüter

SZ vom 9. August 2019

Mitten In

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Tokio

Jeden Morgen führen drei Frauen im Park ihre Hunde aus. Nicht an der Leine. Zwei Hunde thronen im Kinderwagen, der dritte lugt aus einem Babytragetuch. Japan zählt neun Millionen Hunde und 9,5 Millionen Katzen. Mehr Haustiere als Kinder. Und viele von ihnen sind verwöhnter als die Kinder, die sie ersetzen. Im Modeviertel Omontesando gibt es Boutiquen für Tierklamotten, viele Hunde gehen alle paar Wochen zum Friseur. Pudgys, die sich in der Hitze mit dem Atmen schwertun, können sich in Tierpensionen mit Sauerstoffversorgung erholen. Manchmal aber erlischt die Liebe, dann wird der Ex-Liebling entsorgt wie altes Spielzeug. Hunderttausende Haustiere setzen die Japaner jedes Jahr aus. Nun hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, wonach jedem Hund und jeder Katze ein Identitätschip implantiert werden muss. Um untreue Besitzer wiederzufinden.

Christoph Neidhart

SZ vom 9. August 2019

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