Kolumne "Mitten in ...":Eine Hochzeit mit extra viel Herz

In Fridingen rückt zur Trauung schweres Gerät an. Und im Kaukasus ist die Kulisse fürs Foto perfekt - trotzdem fehlt etwas.

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Fridingen

Samstags wird Rasen gemäht und Auto gewaschen. Wer behauptet, das sei ein Klischee, der möge den Donauradweg nehmen: Väter mähen, Söhne wienern. Außerdem wird samstags geheiratet. Glocken läuten, Autos hupen. Oder, wie in Mühlheim an der Donau: Das Brautpaar tritt aus der Kirche, und eine Gruppe Motorradfahrer lässt die Maschinen röhren. Ein unbeschreiblicher Lärm, der aber von Herzen kommt. Da hat Fridingen, ein paar Kilometer weiter, mehr zu bieten. Vor der Martinuskirche, wo das Brautpaar unter Kastanienbäumen die Glückwünsche entgegennimmt, winden sich die Gelenkarme zweier riesiger Betonpumpen in den Himmel und treffen sich in der Mitte. Sie gehören einer Baufirma, der Bräutigam ist der Chef. Aber was sollen sie darstellen? Ein Tor ins neue Leben? Ein Schaulustiger löst das Rätsel: Die Maschinenarme formen ein gigantisches Herz.

Wolfgang Janisch

SZ vom 2. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Kazbegi

Da ist das Brautpaar für die perfekte Hochzeitsfoto-Kulisse extra bis in den hintersten Kaukasus gefahren, hinauf auf mehr als 2000 Meter Höhe. Vor der beeindruckenden Gergetier Dreifaltigkeitskirche in Georgien lassen sich wunderschöne Bilder mit schroffen Gipfeln im Hintergrund machen, und obendrüber spannt sich ein sehr himmelblauer Himmel. Instagram-tauglicher kann ein Ort kaum sein. Die Braut posiert in ihrem weißen Seidenkleid, lächelnd dreht sie sich im Wind. Und wo ist ihr Angetrauter? Versteckt sich in seinem Anzug hinter einer Spiegelreflexkamera, die auf einem Stativ steht, drückt auf den Knöpfen herum und gibt durchgehend Anweisungen. An diesem traumhaften Tag vor dieser traumhaften Kulisse hat das Brautpaar für wirklich traumhafte Hochzeitsbilder offensichtlich ein Detail vergessen: einen Fotografen mitzunehmen.

Christina Kunkel

SZ vom 2. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Dutenhofen

Eine Hochzeit am See soll es also sein, in Dutenhofen bei Wetzlar im beschaulichen Mittelhessen. Und da man trotz der Location wohl kaum in Flipflops und Shorts bei dieser Feierlichkeit aufschlagen kann, schnappt man sich seinen Anzug und wirft sich so richtig in Schale. Eigentlich hat man alles richtig gemacht, denn auch der Rest der Hochzeitsgesellschaft steckt im feinen Zwirn. Trotzdem fühlt man sich merkwürdig fehl am Platz - und das liegt an den Leuten hinter der Samtschnur. Eine solche nämlich trennt den Strand in zwei Hälften. Hier die Hochzeitsgesellschaft mit Fischhäppchen und Sekt, drüben Badegäste in Bikini oder Badehose und mit Wassereis in der Hand. Welche Seite die andere wohl mehr beneidet? Das wird spätestens in den frühen Morgenstunden klar - als die feinen Hüllen fallen und die letzten Hochzeitsgäste sich ein kühles Bad im See genehmigen.

Juri Auel

SZ vom 2. August 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Esquinzo

Cluburlaub, das klingt nach Sangria-Eimer und Einheitslook. Die Erwartungen derer, die sich lieber mit dem Auto durch schottische Nebelfronten schieben würden, tendieren gegen Nullkommajosef - so drückt sich ein Österreicher an der Bar aus, der auch nicht ganz so überzeugt ist von dieser Urlaubsform. Umso größer die Überraschung: Die Anlage in Esquinzo auf Fuerteventura gleicht einem Paradies, mit einem Dreierlei aus Blau (Pool, Meer, Himmel). Und, verblüffend: Auch Promipärchen urlauben an diesem Ort, wo es mehr Achter- als Zweiertische gibt. Die schönen Kai Wiesinger und Bettina Zimmermann jedenfalls scheinen sich nicht unwohl zu fühlen im Gewusel um die Büffets. Überhaupt: Die putzigen Atlashörnchen auf der Mauer zum Meer werden öfter fotografiert als die beiden. Zum Dank gibt's Gurkenscheiben. Also für die Tiere.

Bernhard Blöchl

SZ vom 26. Juli 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... München

Die Szene trägt sich im Bezirk Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt zu, mehr kann nicht verraten werden, denn es steht ein Verstoß gegen die Freischankflächenverordnung im Raum, jenes amtliche Regelwerk, das bewirkt, dass nach 23 Uhr unter der Woche keinerlei Kneipenlärm mehr an sensible Münchner Ohren dringt. Es ist 22.40 Uhr. Der Kellner bringt Bier und Gin Tonic, außerdem, damit rechnet man fest, die Ermahnung, dass gleich Schluss sei. Aber nanu? Nichts dergleichen. 23.32 Uhr: Zwei Frauen erkundigen sich zaghaft durch das geöffnete Panorama-Fenster beim Kellner, ob sie noch Rotwein bekommen können. Klar, können sie! 0:13 Uhr: Ohne dass ein Kellner auch nur ein einziges Mal zum raschen Austrinken ermahnt hätte, verlassen die letzten Gäste das Lokal. Man muss es ja nicht gleich übertreiben mit der neuen Münchner Freischankflächen-Freiheit.

Oliver Klasen

SZ vom 26. Juli 2019

Mitten_singapur

Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Singapur

Die Orchard Road ist die Maximilianstraße von Singapur, nur nicht so schön. Eine Shoppingmall reiht sich an die nächste, alle Luxusmarken sind vertreten und es gibt auch sonst alles, was man sich vorstellen kann. Alles - außer Nagelbürsten. Doch die braucht man, wenn man seine Pflanzen umgetopft hat. Der Singapurer arbeitet aber nicht mit Erde oder Sand, das erledigen die Gastarbeiter aus Bangladesch. Keine schmutzigen Fingernägel, keine Nagelbürsten. Manche Verkäuferin versteht gar nicht, was die Kundin möchte. Eine Feile vielleicht? Ein letzter Versuch in einem Bastelladen. No, sorry. Aber es gibt Hoffnung: An der Kasse steht ein neues Produkt: "Play dirt, the cleanest dirt on planet earth." 435 Gramm für 20 Singapurdollar, 13 Euro. Wenn die singapurischen Kinder jetzt dann mit sauberer Erde spielen, gibt es sicher auch bald Nagelbürsten zu kaufen.

Susanne Perras

SZ vom 26. Juli 2019

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Düsseldorf

Wer nur noch ein einziges Ladekabel hat, sollte das nicht ausgerechnet in Hannover vergessen. Sonst steht man am späten Abend mit leerem Akku am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Ausgerechnet am nächsten Tag werden Möbel geliefert, die Spedition hat nur die Handynummer und außerdem braucht man sein Smartphone als Wecker. Wo lässt sich also kurz vor Mitternacht ein Ladekabel auftreiben? Vielleicht in der Trinkhalle nebenan? Das Büdchen ist Versorgungsstation fürs ganze Viertel mit umfangreichem Sortiment und unendlichen Öffnungszeiten - doch leider ohne Kabel. Der nette Kiosk-Verkäufer bietet sein privates Kabel an. Und so sitzt man dann bis ein Uhr morgens im Büdchen, isst gemischte Tüten und sieht zu, wie sich das Handy mit Strom vollpumpt. Ein paar Tage später der nächste Besuch im Büdchen. Der Verkäufer strahlt: "Wir haben jetzt Ladekabel."

Jana Stegemann

SZ vom 19. Juli 2019

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Hampi

Das indische Stromnetz ist viel besser als vor 25 Jahren, aber doch noch für manches Wagnis gut. Wenn es zum Beispiel mit Spannungsschwankungen das Smartphone-Motherboard zerstört und so den Reisenden ins Zeitalter des Offline-Urlaubs zurückversetzt, eben wie vor 25 Jahren. Und der Reisende dann, nach einer Nacht im analogen Nachtbus, in Hampi ankommt. Tolle Landschaft, antike Tempelfelder, Affenhitze - und Mr. Raghu. Mr. Raghu hat ein sehr gutes Tuk-Tuk, kennt die schönsten Abkürzungen, treibt das beste Frühstück am Wegesrand auf. Vor allem aber hat Mr. Raghu zwei Smartphones. Das ältere leiht er dem Reisenden ganze drei Tage lang - damit der bitteschön von der Weltkulturerbestätte Fotos macht! Zurück in Deutschland, ein neues Handy wird aktiviert. Whatsapp meldet sich. Mr. Raghu schickt die Fotos - und eins von sich.

Susanne Klein

SZ vom 19. Juli 2019

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Tel Aviv

Tel Aviv, die selbst ernannte Start-up-Stadt, ist die Kapitale der Smombies. Sie sind hier massenhaft anzutreffen: Menschen, die auf ihr Handy starrend durch die Stadt marschieren, den Blick starr nach unten gerichtet. Smartphone-Zombies, kurz: Smombies, heißt diese Spezies, die gefährdet ist, weil sie nicht auf den Verkehr achtet. Deshalb hat die Stadtverwaltung nahe dem Rathaus nun "Zombie-Ampeln" installiert, und zwar auf dem Boden. So leuchten nicht nur die Ampeln in Augenhöhe, sondern gleichzeitig rote und grüne LED-Streifen auf den Gehwegen. Daneben hängen Kameras. Wie sollte man sonst herausfinden, ob die Smombie-Ampeln eine gute Idee sind? Sind sie ganz offensichtlich. Ein roter Streifen auf dem Boden animiert die Zombies tatsächlich zu einer fast vergessenen Bewegung: Sie benutzen ihre Nackenmuskulatur und heben den Kopf.

Alexandra Föderl-Schmid

SZ vom 19. Juli 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Corcovado

Ein Tapir hält selig seinen Wanst in den Schlamm, als die Touristen kommen. Sie waten durchs Wasser - in den Nationalpark Corcovado kommt man nur per Boot - und da steht Carlos, der Guide. Oder: das Medium. Séance am Meeresufer. Man solle seine Kinder, seinen Freund, alle Probleme vergessen und im Moment ankommen. Na gut. Carlos läuft durch den Dschungel, zeigt auf Nasenbären, Affen. Nach zwei Stunden, man hat eben die Schwelle vom Sekundär- zum Primärwald übertreten, setzt Carlos sich auf einen Stamm, Séance Nummer zwei, Thema: Carlos. Wie er von daheim weggelaufen, in den USA zur Schule gegangen sei, dann zur Armee: Mali, Irak, er war überall. Wie das Kartell den Bruder ermordet habe, wie er hier in Costa Rica für die Anti-Drogen-Behörde arbeite. Nebenbei hat er mit Jaguaren gelebt, Ökologie studiert... Aber der Tapir, der war echt.

Friederike Zoe Grasshoff

SZ vom 12. Juli 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Freising

Nest bauen, brüten, füttern - die Kohlmeiseneltern im Garten hatten zuletzt so richtig Stress. Da ist die erste Flugstunde der sechs Kleinen eine leichte Übung. Oder? Kommando Zizidä heißt offensichtlich: nicht zu nah am Boden fliegen! Alarmruf Terretetetetet - beim Efeu sitzt die Katze. Die Kleinen hüpfen und fliegen hin und her, noch ein bisschen unbeholfen, vom Apfelbaum ins dichte Laub des Kirschbaums, und die Tanne ist gottlob auch nicht weit. Als Menschenmutter käme man bei so viel Bewegung ziemlich ins Schwitzen, doch die Kohlmeisen sind echte Helikoptereltern, alles im Blick. Auch als ein Kind ausschert und auf dem Geländer des Balkons landet. Auge in Auge sitzt es da nun mit der Menschin. Ei, wie niedlich, denkt die. Der Vogel jedoch fällt vor Entsetzen in die Tiefe. Terretetetetet ruft die Kohlmeisin. Noch lauter als bei der Katze.

Edeltraud Rattenhuber

SZ vom 12. Juli 2019

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Quelle: Marc Herold

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Mitten in ... Amsterdam

So schön, was drinnen hängt, aber draußen fragen sich alle: Wie komme ich nur rein in diese Festung? Chinesinnen und Italiener, Deutsche und Spanier, in Ratlosigkeit vereint vor dem Van-Gogh-Museum. Der Regen rauscht, in gelben Capes erklären zwei Mitarbeiter die Wirrnis am Ticketautomaten. Jetzt gebe es nur Tickets für in vier Stunden, nein, kein Bargeld, cards only, nein, diese Geldkarte nimmt er nicht, aber es geht auch online, auf der Website iAmsterdam, very easy, heute time slots ab 14 Uhr, haben Sie gerade Internet auf dem Smartphone? Nein? Ja? Sie kriegen dann eine E-Mail, Geld wird abgebucht. So viele Fragen, der ältere Mitarbeiter wirkt gestresst, die jüngere eher cool darling. Ein Möchtegern-Besucher geht, kehrt später zurück, zeigt auf sein Handy. "Ich hab's", sagt er strahlend. Und hat noch nicht mal eine Sonnenblume gesehen.

Frank Nienhuysen

SZ vom 12. Juli 2019

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