Kolumne: Hotel fatal:Ich bin nackt, kommen Sie ruhig rein!

Zwei Welten prallen an der Zimmertür zusammen: Hier der ruhebedürftige Gast, dort die der Sauberkeit verpflichtete Putzkraft. Das kann nicht gutgehen.

Max Scharnigg

Es gibt auf diesem weiten Erdenrund nur wenige Kämpfe, die dem Duell zwischen Hotelgast und Zimmermädchen an Hartnäckigkeit gleichkommen. Die Ursache dafür ist der allmorgendliche Zusammenstoß von gewissenhafter Pflichterfüllung mit gewissenhaftem Ausschlafwillen.

Kolumne: Hotel Fatal, iStock

Selbst in Hotels mit gestickten Wappen auf den Badschlappen, endet die Geduld der Flurbesatzung für gewöhnlich gegen 9.30 Uhr - mit abnehmender Sternezahl wird es immer eine Stunde früher.

Was dann folgt, ist aber in allen Häusern wieder ziemlich ähnlich. Die Tür des Langschläfers wird zum "main target" der anrückenden Feudel-Truppen und ein versehentlich darauf knallender Besenstiel zum ersten Fanfarenstoß. Es folgt die Kampftaktik "Gespräch schwerhöriger Marktweiber" und schließlich das monotone Anklopfen mit laufendem Staubsauger gegen den Türspalt.

Unbedingt bemerkbar machen

In der darauf einsetzenden Stille sei dem geweckten Hotelgast dringend geraten, auf sich aufmerksam zu machen - zum Beispiel durch Patschen ins Handwaschbecken oder wiederholtes Zuschlagen von Schranktüren.

Denn hören die Herrscher über Schlüssel und Schüssel in dieser Pause nichts, gehen sie davon aus, man wäre in der Nacht verstorben - und betreten siegestrunken das Zimmer. Wer erst jetzt Einspruch erhebt, muss sich das erste missbilligende "Der lebt ja doch noch"-Gesicht seines Lebens gefallen lassen, gepaart mit dem koketten Hinweis, es handle sich hierbei um "Housekeeping!".

Es mangelt in diesem Zusammenhang überhaupt an ausgefeilten Dialogen. Was sind die richtigen Worte, wenn einen das Klacken im Türschloss über ein gleich erfolgendes Zusammentreffen zweier Menschen unterrichtet, von denen nur einer angezogen ist? Brüllt man "Besetzt!"? Das wäre zweifellos töricht, denn die Eindringenden wissen ja genau um die Besetztheit, außerdem erinnert es an einen Lokus.

"Noch nicht!" hat so gar keine Strahlkraft. "Bitte warten sie noch eine Dreiviertelstunde!" ist zu lang und wenig markant. "Ey! Bleiben Sie draußen!" wirkt in seiner Panik etwas überzogen und auch rüde, außerdem könnte damit draußen der Verdacht aufkommen, es wäre in diesem Zimmer wirklich jemand verstorben - und zwar nicht ganz freiwillig.

Natürlich, es gibt ja noch das DNDS, das Do-not-disturb-Schild. Ein hervorragender kleiner Helfer, so in etwa mit demselben Wirkungsgrad wie ein "Mein Rad ist registriert"-Schild am Fahrrad. Denn nicht immer sind es die Zimmermädchen und -jungen, vor deren Arbeit der Autor übrigens objektiv jegliche Hüte zieht, die das Schild einfach so ausblenden.

Gemeine Scherze von Kongress-Teilnehmern

Mindestens ebenso häufig passiert es, dass der Hotelgast, bereits kurzbehost, noch mal dem Bett entsteigen muss, weil er das Schild vergessen hat, das ihm am nächsten Morgen Schlaf bescheren soll. Um dem steten Strom heimkehrender Kongress-Teilnehmer auf dem Flur nicht zu viele Pyjama-Details zuzumuten, pfriemelt er das hakelige Ding hastig und mit einem ungelenken Arm um die äußere Klinke. Nach diesem beruhigenden Akt schläft er selig.

Allerdings nur bis Schlag sechs Uhr, dann sieht er sich einer Reinigungs-Visite an seinem Bett gegenüber, das Türschild fröhlich schwenkend - allerdings die schlimme PCU-Rückseite. "Please clean up!" hatte versehentlich die ganze Nacht an der Tür gehangen. Oder hatten sich die Kongress-Teilnehmer einen Scherz erlaubt und das Schild umgedreht? Oder war beim reflexartigen "Klinkendrücken, um zu sehen, ob die Tür zu ist" das Schild draußen zu Boden gegangen? Man wird es nie erfahren.

Um gegen derlei Widrigkeiten des Services gefeit zu sein, empfiehlt es sich, auf diesen zu verzichten und allen Zwängen der Zivilisation zu entfliehen. Zum Beispiel in ein bezauberndes Hostel auf der kleinen Insel Raasay, Innere Hebriden, Schottland.

Besonders verlockend neben der spektakulären Natur ist hier das Credo der 192 Inselbewohner, das man bereits auf der Fähre zu hören bekommt: "No rush on Raasay!". Das gilt auch fürs Housekeeping, das es in dem kleinen Hostel freilich gar nicht gibt.

Raasay Hostel, Creachan Cottage, Raasay, Ross-Shire IV40 8NT, Scotland, Tel. +44 (0)1478 660240, Bett ab 18 Euro / Nacht

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de-Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

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