Goldene Kammer in Köln:So schöne Gebeine

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Bis unter die Decke der Kirche St. Ursula verzieren Knochen die Wände. (Foto: Oliver Berg/picture alliance/dpa)

In der Kölner Kirche Sankt Ursula befindet sich das größte Beinhaus nördlich der Alpen. Glaubt man der Legende, sind hier die Knochen von 11 000 Märtyrerinnen zu bewundern.

Von Jana Stegemann, Köln

Wenn Anna Pawlik zwischen den Tausenden Knochen und 600 Schädeln steht, kann sie für einen Moment entspannen. "Man steht hier einfach, es ist ganz ruhig und man wird von allen Seiten selig belächelt", sagt die Kunsthistorikerin. "Also eigentlich ist es ruhig, wenn nicht gerade draußen die Straße aufgerissen wird." Der Baulärm ist an diesem Nachmittag bis ins Innere der Kirche zu hören.

Die Herbstsonne leuchtet den Raum aus, strahlt einzelne Büsten mit den lächelnden Frauengesichtern an. Goldene Ranken umrahmen die Setzkästen. Meterhoch sind die Schildwände mit Knochen verziert. Oberschenkel- und Unterschenkelknochen formen Ornamente, aus Schulterblättern, Hüftpfannen und Rippen sind Räder gelegt, aus Wirbeln Kreise und Inschriften drapiert. Fein säuberlich sind die Knochen nach Funktion im Körper sortiert und mit feinen Drähten befestigt. Auf den ersten Blick: krass. "Die Kammer will genau das, sie will die Besucher überwältigen", sagt Pawlik.

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Letzte Ruhe auf einem Kissen: Der Schädel einer Märtyrerin steht in der Knochenkammer der Kirche St. Ursula in einem Regal.

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Historikerin Anna Pawlik kennt die Geschichte und Geschichten der Goldenen Kammer.

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In Mustern sind die Gebeine an der Wand befestigt.

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Mona Lisa von Köln: eine Büste mit dem sogenannten "Kölner Lächeln" in der Knochenkammer; sogar Märtyrerinnen lächeln fröhlich-beseelt.

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900 Jahre ist die Kirche St. Ursula alt, in der das größte Beinhaus nördlich der Alpen untergebracht ist, nur zehn Minuten zu Fuß vom Kölner Dom entfernt.

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Die Büsten sind mit Silber beschichtet.

Doch obwohl hier menschliche Überreste von mehr als 10 000 Männern und Frauen an den Wänden hängen und stehen, hat der hellblau gestrichene Raum eine freundliche Aura: Willkommen in der Goldenen Kammer von Köln, dem größten Beinhaus nördlich der Alpen. Hier hat das berühmte "Kölner Lächeln" seinen Ursprung.

Die Goldene Kammer ist das Herzstück der Sankt Ursula-Kirche und nach dem Kölner Dom die von Touristen zweitmeistbesuchte Kirche Kölns. Beide Kirchen liegen direkt am Hauptbahnhof und nur etwa 700 Meter voneinander entfernt. Trotz der Knochen hat die Goldene Kammer aber so gar nichts von einer Schreckenskammer: Sie gilt als barockes Gesamtkunstwerk, als eine der größten Reliquienkammern der Welt.

Die Schädel und Knochen sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen Überreste von Menschen, die vor etwa 2000 Jahren gelebt haben, alle wurden damals außerhalb von Kölns Stadtmauern begraben. Dann jedoch, etwa 1000 Jahre später, im Mittelalter im Jahr 1106, platzte Köln aus allen Nähten. Ein Problem, mit dem die Stadt übrigens auch heute noch kämpft. Jedenfalls sollten im Mittelalter die Stadtmauern versetzt werden, um mehr Wohnraum zu schaffen. "Bei diesen Fundamentierungsarbeiten ist man dann auf das antike Gräberfeld, wahrscheinlich aus der Römerzeit, gestoßen - hat es aber direkt als Gräberfeld der legendär ermordeten Ursula mit ihren angeblich 11 000 Gefährtinnen gedeutet. Was vor allem damit zu tun hatte, dass da ohne Ende Knochen hervorgetreten sind", sagt Pawlik, die unter anderem für die Reliquien des Erzbistums Köln zuständig ist.

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Schon seit dem 6. Jahrhundert wird die Heilige Ursula verehrt. Sie soll im 4. Jahrhundert nach Christus gelebt haben und ist heute die Stadtpatronin von Köln. Die christliche Legende geht so: Ursula war eine englische Prinzessin, die ihr Leben Gott weihen wollte - aber mit einem heidnischen Königssohn verheiratet werden sollte. Sie willigte unter der Bedingung ein, zuvor drei Jahre auf Pilgerreise gehen zu dürfen. Ein Engel soll Ursula gewarnt haben, dass sie auf der Heimreise den Märtyrertod sterben werde. Und so kam es: Auf dem Rückweg aus Rom wurde sie der Überlieferung nach vor den Toren Kölns von Hunnen überfallen und ermordet. Ursula hatte den von ihrer Schönheit angezogenen Hunnenkönig abgewiesen, der sie daraufhin mit einem Pfeilschuss tötete und die anderen Jungfrauen umbringen ließ. Erst ein Engelsheer vertrieb die Hunnen aus Köln. Dass aus den eigentlich elf Jungfrauen plötzlich 11 000 Gefährtinnen wurden, hatte wohl später mit einem Schreibfehler zu tun. Aus der Abkürzung "M" für Märtyerinnen wurde das lateinische "milia", also tausend.

"Man sah sich für die Zahl ja bestätigt, weil vor den Toren der Stadt Köln diese unglaubliche Menge an Knochen gefunden wurden", sagt Pawlik. 1643, mitten im Dreißigjährigen Krieg, ermöglichte ein reicher Kaufmann den Aufbau der Goldenen Kammer samt Ausstattung, um der Ursula-Verehrung einen zentralen Raum zu geben. Eine Taube soll einem Bischof einmal Ursulas Grab gezeigt haben, mehr Wunder brauchte es nicht. "Nach mittelalterlichem Verständnis war es so: Wo viel Verehrung stattfand, das galt als heilig", erklärt Pawlik.

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Die Pilger kamen in Scharen - viele mit dem Ziel, ein Erinnerungsstück an die Heilige Ursula mitzunehmen. "Köln war spätestens mit der Ankunft der Heiligen Drei Könige neben Aachen eigentlich das Pilgerziel im Mittelalter. Hinzu kam, dass die Stadt durch die Rheinnähe verkehrsgünstig gelegen war", so Pawlik.

"Die Ursula-Reliquien wurden dann zu den Exportschlagern Kölns", sagt die Kunsthistorikerin. Und durch die Büsten wurde das "Kölner Lächeln" in ganz Europa bekannt. Kölner Handwerker fertigten Holzbüsten von lächenden Frauen, in denen echte Schädel und sonstige Knochen der vermeintlichen Ursulinnen Platz fanden. Einige tragen Silbermasken, andere sind mit Silberfarbe bemalt. Im Mittelalter: das begehrteste Mitbringsel aus Köln. Für die Zeit war dieses Lächeln ungewöhnlich, in der mittelalterlichen Kunst ging es sonst ernst zu. "Das selige Lächeln der Frauen soll darauf hinweisen, dass die Heiligen im Himmel bereits wissen, wie gut es im Himmel ist. Sie sollen diese Hoffnung, dieses Positive ausstrahlen", so Pawlik. Noch heute finden sich Ursula-Reliquien auf der ganzen Welt.

Obwohl nahezu 90 Prozent der Stadt Köln im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden und auch die Ursula-Basilika einen Treffer abbekam, blieb die Goldene Kammer unversehrt. "Das ist die Wirkung der Heiligen", sagt Pawlik, "ich finde den Gedanken schön, dass es irgendeine Art von Schutz dann doch gibt."

Insgesamt 116 der Büsten sind in der Goldenen Kammer zu sehen. Jedenfalls wenn die Reinigung abgeschlossen ist. Die Knochen, Schädel und Büsten werden nämlich gerade teilweise gereinigt und für die nächsten Jahrzehnte fit gemacht.

Knochen werden in Köln übrigens immer noch gefunden. "Wenn man im Umfeld der Kirchen gräbt, ist die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass man welche findet." Zwölf romanische Kirchen befinden sich in einem Halbkreis um die Kölner Innenstadt - auch das ist weltweit einzigartig.

Goldene Kammer, Ursulaplatz 30, 50668 Köln; Telefon: 0221 / 133400 Besichtigungen Kirche und Goldene Kammer: täglich außer Sonntag, 10 bis 12 Uhr und von 15 bis 17 Uhr; Sonntag von 15 bis 17 Uhr. Der Eintritt für die Goldene Kammer beträgt 2 Euro.

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