Kodiak Island:Auge in Auge mit dem Bären

Adler, Wale und natürlich die mächtigen braunen Kodiak-Bären: Auf der Inselgruppe im südlichen Alaska kann man ihnen nahe kommen. Manchmal zu nahe.

Alaska gilt als beliebtes Ziel von Naturliebhabern, von Menschen, die die Masse meiden und den Tag gerne im Freien verbringen. Sie fischen, wandern oder beobachten Wildtiere. Besonders gut geht das auf Kodiak Island, der fast 9000 Quadratkilometer großen Insel im Süden, wo Adler, Bären und Wale leben.

Kodiak Island: Der Bär ist los, AP
(Foto: Foto: AP)

Die Einsamkeit will erobert werden. Deshalb gibt Kyle Eaton Gas. Der 27 Jahre alte Pilot lenkt sein Wasserflugzeug über die Startbahn, einem kleinen See in Kodiak, dem Hauptort der gleichnamigen Insel.

Die "City of Kodiak" zählt gerade einmal 12 000 Einwohner, der Archipel mit seinen mehr als 100 Inseln insgesamt 13 000 Menschen.

Noch etwas Schwung und der Flieger hebt ab und gleitet dann knapp über den Hügeln der grünen Insel. Bäume, Büsche, Seen, Flüsse und Fjorde - aber weit und breit kein Haus.

"Look", sagt der Pilot via Kopfhörer und deutet nach unten auf eine Bucht: "Minkwale". Deutlich zu erkennen ziehen drei dunkle Wale durch das klare Wasser, tauchen ein in die Wellen und wieder auf.

Nach gut 20 Minuten landet die Propellermaschine in der Zachar Bay. Die einsame Lodge dort liegt in einem Naturschutzgebiet im Südwesten von Kodiak, das ausschließlich über den See- oder Luftweg zu erreichen ist. "Das war in den 1920er Jahren eine Lachskonservenfabrik, später dann eine eringsölproduktion", erklärt Marty Eaton und führt durch eine halb verfallene Halle, die wie ein Museum anmutet. Der US-Amerikaner hat das Areal mit mehreren Holzhäusern in eine rustikale Lodge verwandelt, die als Ausgangspunkt für Sportfischer und Bärenbeobachter dient.

Die Insel Kodiak ist die Heimat der riesigen Kodiakbären, die über drei Meter hoch werden können. "Mit 3000 Stück haben wir eine der dichtesten Braunbärpopulationen weltweit", erzählt Jim Hein.

Der ehemalige Bärenjäger führt eine Gruppe von Touristen zum Frazer-Fluss, nachdem das Wasserflugzeug sie mitten in der Wildnis ausgesetzt hat. Völlig überraschend zeigt sich schon kurz nach dem Eintreffen am Beobachtungspunkt ein Braunbär auf der anderen Flussseite, verschwindet aber gleich wieder. So heißt es warten. Die Mücken schwirren um den Kopf, es beginnt zu regnen. Langsam wird es kühl und ungemütlich. "Typisches Kodiak-Wetter eben", sagt Jim und grinst.

Stunden später der große Moment: Eine mächtige Bärin mit zwei Jungen wandert am Ufer entlang und kommt immer näher. Die Fotoapparate klicken. Als die Tiere das Wasser überqueren und direkt auf die Gruppe zutapsen, wirft manch tapferer Bärenbeobachter doch einen nervösen Blick auf Jims Gewehr. Der Bärenkenner macht aber keinerlei Anstalten, es anzulegen.

Auge in Auge mit dem Bären

Jetzt sind die Tiere auf etwa sieben Meter vorgerückt. Es gibt keine rettende Barriere, keinen Unterschlupf, keinen Schutzwall. Dann bleibt die Braunbärin stehen und blickt auf: Auge in Auge, die Herzen schlagen schneller, der Atem stockt.

Es ist ein Gefühl von Aufgeregtsein und Einssein mit der Natur, bis die Bärenfamilie plötzlich weiterzieht. "Wow, dieser Blick, dieser Moment war den weiten Weg wert", meint Jan Crosta aus Großbritannien, die schon die halbe Welt für Tiersafaris bereiste.

Eine völlig andere Einstellung zu Wildtieren hatten die ersten Weißen, die Kodiak besiedelten. 1784 ließen sich hier die Russen nieder, um die begehrten Seeotter zu jagen. Das ehemalige Pelzlager birgt heute das Baranof-Museum, das die Geschichte der Insel erzählt.

Bis 1867, als die Vereinigten Staaten Alaska von Russland kauften, war Kodiak die Hauptstadt von Russisch-Amerika. Auch das Wahrzeichen von Kodiak, die orthodoxe Kirche, ist Zeugnis der russischen Vergangenheit.

Besonders interessant erscheinen heute die Zeugnisse der Ureinwohner, der Aleuten, die Kodiak seit Jahrtausenden bewohnen: Kajaks aus Seelöwenhaut, wasserdichte Kleidung aus Robbendarm und eine Kollektion von filigranen, aus Seegras geflochtenen Körbchen, jedes für sich ein Kunstwerk. Und Überbleibsel einer Kultur im Verschwinden.

"Ich versuche, unsere Sprache wieder zu beleben", erzählt Lubova Antowak, die 1924 als Tochter eines Aleuten-Häuptlings geboren wurde. "Damals haben die Weißen sie aus uns heraus geprügelt." Alutiiq zu hören, ist nicht einfach. "Nur noch 30 Ältere sprechen Alutiiq fließend", so Sven Haakanson, der Leiter des Alutiiq Museums in Kodiak. Dort werden bis zu 6000 Jahre alte Artefakte gesammelt: Knochen-Harpunen, Holzpuppen, Steinwerkzeug und Kunst aus Walknochen und Walrosselfenbein.

Heute lebt Kodiak vor allem vom Lachsfang. Der Fischreichtum zieht Wale in großer Zahl an. "Wir haben hier Finn-, Mink-, Grau- und Buckelwale", erzählt Dan Bush, der Touristen zur Walbeobachtung auf das Meer hinaus bringt, vorbei an Stellar-Seelöwen, Weißkopfadlern und Papageitauchern. Plötzlich schießt eine Fontäne aus dem Wasser.

Völlig unvermittelt taucht der erste Wal auf, direkt am Boot.

Im Ruf stehend, verhältnismäßig teuer zu sein, gibt es auf Kodiak Island doch auch preisgünstige Urlaubsvarianten, wie beispielsweise Camping an wild-romantischen, abgelegenen Orten. Und im Fort Abercrombie State Parc locken die Trails an der Küste zur Walbeobachtung zum Nulltarif. Tatsächlich tummeln sich mehrere Buckelwale in der Bucht. Einer springt sogar aus dem Wasser: ein Traumanblick für jeden Naturfan.

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