Süddeutsche Zeitung

Klimafreundliches Reisen:Ist Fliegen besser als Bahnfahren?

Schlechte Auslastung, verkehrsarme Gegend, Randzeiten: Es ist nicht immer ausgemacht, dass eine Bus- oder Bahnreise ökologisch besser ist als eine Autofahrt oder ein Flug.

Interview: Hans Gasser

Ulrich Höpfner, Leiter des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu), berechnet für das Bundesumweltministerium Emissionen und Energieverbrauch aller Verkehrsträger in Deutschland.

SZ: Mit der Bahn zu fahren gilt als besonders umweltfreundlich. Ist das unter allen Umständen so?

Höpfner: Die Bahn ist immer dann nicht so günstig, wenn sie schlecht ausgelastet ist. Geringe Auslastung liegt meist daran, dass auch verkehrsarme Gegenden angebunden sind und auch zu Randzeiten gefahren werden muss. Das bringt die soziale Verpflichtung der Bahn mit sich.

SZ: Ist es ökologisch günstiger, mit einem ausgebuchten Flugzeug statt mit einem halbleeren ICE zu fahren?

Höpfner: Nein. Übrigens sind die Züge immer dann voll, wenn auch die Flugzeuge voll sind: Freitag und Sonntag. Wenn der seltene Fall eintritt, dass jemand die Wahl hat zwischen einem fast leeren ICE und einem vollbesetzten Inlandsflieger, dann könnten die beiden ökologisch miteinander konkurrieren, aber nur, falls der ICE nicht mehr als zu 20 Prozent besetzt ist.

SZ: Die Bahn sagt, sie brauche 2,3 Liter Benzin pro Person und 100 Kilometer auf der Fernstrecke. Aber sind da auch Umwege und Stromproduktion mit eingerechnet?

Höpfner: Die Stromproduktion ist mit eingerechnet. Die Berücksichtigung von Umwegen, die die Bahn manchmal wegen der Gleisverbindungen nehmen muss ist strittig, genauso wie das Einrechnen des Energieverbrauchs von Bahnhöfen; dadurch mag das Ergebnis der Bahn etwas schlechter werden, allerdings nicht so, dass es umweltschädlicher wäre, mit der Bahn zu fahren als mit dem Pkw. Neben dem Reisebus ist die Bahn das ökologisch verträglichste Verkehrsmittel pro Platzkilometer. Wenn ein Auto allerdings mit vier Insassen abends von A nach B fährt und die Bahn fast leer dieselbe Strecke, verbrauchen Sie natürlich weniger im Pkw. Aber da der Zug fahrplangebunden sowieso fährt, ist es unterm Strich besser, den Pkw stehenzulassen.

SZ: Welches Verkehrsmittel ist denn im Nahverkehr, welches im Fernverkehr das ökologisch günstigste?

Höpfner: Im Nahverkehr sind Busse und Bahnen am günstigsten, was Energieverbrauch und CO2-Ausstoß betrifft. Mit großem Abstand folgt der Pkw. Bei den Schadstoffen sind die elektrischen Verkehrsmittel besser, da Kraftwerke mit guten Filtern ausgestattet sind und nur wenige Schadstoffe herauslassen. Im Fernverkehr ist der Bus im Energieverbrauch etwas günstiger als die Bahn, beide liegen mit großem Abstand vor dem Auto und dem Flugzeug. Pro Sitzplatz und Kilometer stoßen Bahn und Bus rund 20 Gramm CO2 aus, das Auto 50 Gramm, das Inlandsflugzeug 100 Gramm.

SZ: Reisebusverbände sagen, selbst ihre alten Busse seien in jedem Fall umweltfreundlicher als Auto und Bahn.

Höpfner: Das gilt nur für CO2. Bei den Schadstoffen sind die alten Busse schlechter als die Bahn, zum Teil schlechter als Benzin-Pkw. Busse stehen sehr gut da, falls sie gute Partikelfilter und eine Stickoxidminderung besitzen. Der Durchschnitt der Reisebusse in Deutschland emittiert aber je Platzkilometer rund fünfmal mehr Stickoxide und Partikel als die Bahn. In der Praxis sind Reisebusse aber sehr gut besetzt, was ihnen zu einer besseren Bilanz verhilft. Deshalb stehen sie im Schnitt beim CO2-Ausstoß und beim Energieverbrauch 50 Prozent besser da als die Bahn.

SZ: Bringen Umweltzonen wirklich etwas?

Höpfner: Der direkte Effekt, dass zurzeit nur die ganz alten Fahrzeuge ausgesperrt sind, macht nur wenig aus. Der indirekte Effekt, dass mehr Menschen sich umweltschonendere Autos kaufen oder die alten Fahrzeuge mit Filtern nachrüsten, bringt viel mehr.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2008/sonn
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