Süddeutsche Zeitung

Klage von Reisenden:Wanzen an Bord

Lesezeit: 2 min

Anstatt Entspannung bekam ein Familienvater auf einer Kreuzfahrt Juckreiz, dick angeschwollene Knie und blutige Pusteln bis in den Gesäßbereich. Er verklagte den Reiseveranstalter - mit Erfolg.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Wer nach einer Mittelmeerkreuzfahrt statt Urlaubsbräune einen Körper voll blutiger Quaddeln hat, wird Geld nur als schwache Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden ansehen. Dennoch dürfte eine Familie aus Nordrhein-Westfalen mit dem Urteil nicht unzufrieden sein, in dem am Freitag der Veranstalter MSC Kreuzfahrten zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt worden ist: Für Tausende Bettwanzen, die vor allem den Vater in seiner Schlafkoje auf dem Schiff MSC Melody geplagt haben, muss der Münchner Veranstalter fast 4000 Euro bezahlen.

Für elf Tage in einer Außenkabine auf dem Oceanic-Deck hatten der Immobilienkaufmann und die Lehrerin für sich und ihre beiden Kinder rund 3700 Euro bezahlt. Vor allem der Vater, der die Koje direkt unter dem Bullauge bezogen hatte, musste schier unerträgliche Nächte erleiden: Juckreiz, dick angeschwollene Knie, blutige Pusteln über den ganzen Oberkörper bis hinab bis in den Gesäß- und Genitalbereich. Bald waren die Übeltäter gefunden: Dicke Fladen von Bettwanzen ballten sich hinter der Gardine und unter der Matratze.

Der Bordarzt reagierte nach Aussage des Betroffenen ziemlich emotionslos und applizierte ohne weitere Erklärung eine Spritze, gab Salbe und Tabletten. Der Chefsteward, deutlich freundlicher als etwa das Personal an der Schiffsrezeption, bot der Familie schließlich eine andere Kabine an. Er vermutete, dass die Blutsauger mit Handtüchern an Bord gekommen sein könnten, als das Schiff einige Wochen zuvor in einem brasilianischen Hafen angelegt hatte. Der Kreuzfahrtveranstalter hatte später im Prozess vor dem Landgericht München I dagegen von sich gewiesen, dass die Wanzen aufgrund der Nachlässigkeit des Personals Einzug auf dem Schiff gehalten hätten: Die Kabinen würden täglich gereinigt. Vielmehr sei denkbar, "dass die Insekten vom Kläger und seiner Familie an Bord gebracht worden sind".

Das hielt der Einzelrichter der 3. Zivilkammer jedoch für unwahrscheinlich. Er verurteilte die Reederei, die Hälfte des Pauschalpreises und 600 Euro für die Entseuchung und Reinigung des Reisegepäcks zu bezahlen. Zusätzlich brummte er der Firma ein Schmerzensgeld in Höhe von 1460 Euro auf. "Die Reise war in ganz erheblichem Maße mangelhaft", heißt es zur Begründung in dem Urteil. Es müsse von einer schlechten Reinigungsleistung des Bordpersonals ausgegangen werden, das für sich genommen schon zur Reisepreisminderung bis zu 20 Prozent führe. Dazu komme, dass die bloße Existenz von Insekten oder Parasiten "in einer über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Anzahl" ein Mangel sei - erst recht, wenn das Ungeziefer auch noch erhebliche Infektionskrankheiten übertragen könne.

Das Urteil (Az.: 3 O 4635/11) ist noch nicht rechtskräftig, der Veranstalter könnte beim Oberlandesgericht Berufung einlegen. MSC Kreuzfahrten hat die MSC Melody Anfang dieses Jahres außer Dienst gestellt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1641561
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.04.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.