Kirschblüte im Valle del Jerte:Japan? Spanien!

Ein Meer aus Weiß und Rosa: Kirschblüte im Valle del Jerte

Künstlich angelegte Bäche schlängeln sich durch die Obstplantagen.

(Foto: dpa-tmn)

Um die Kirschblüte zu erleben, müssen Urlauber nicht bis nach Japan reisen. Im Westen Spaniens verwandeln zwei Millionen Kirschbäume ein Tal in ein süß duftendes Blütenparadies.

Mitten im Blütenlabyrinth seines Gartens erspäht Gustavo Izquierdo Elizo im warmen Morgenlicht ein einzelnes Kirsch-Zweiglein und schaut so glücklich auf, als hätte er gerade einen verschollenen Goldschatz der Konquistadoren entdeckt.

Fast ehrfürchtig wischt der alte Obstbauer sich die Finger am blauen Kittel sauber, hebt den Zweig mit der linken Hand leicht an und zeigt mit der rechten vorsichtig auf die pummeligen rosa Blüten, die sich gerade erst aus dem schützenden Knospenmantel gewagt haben. "Eine uralte Sorte", freut sich Don Gustavo, "mein Schwager hat sie mir vergangenes Jahr geschenkt, und ich habe einen meiner ältesten Bäume damit veredelt".

Mehr als 200 Kirschsorten

Wenn die zwei Millionen Kirschbäume im Valle del Jerte von Ende März bis Mitte April zu blühen anfangen und man sich als Besucher im weißen und rosafarbenen Meer verlieren kann, schaut ein Kenner natürlich ganz genau hin. Und in der Tat ist die Vielfalt beachtlich: Während sich einige Bäume mit kleinen Blüten ganz in Weiß begnügen, recken andere die duftenden Köpfchen gleich als Blütenbüschel und in unterschiedlichsten Rosatönen empor.

Ein Meer aus Weiß und Rosa: Kirschblüte im Valle del Jerte

Schönheit en masse: Zwei Millionen Bäume blühen im Tal.

(Foto: dpa-tmn)

"Mehr als 200 Sorten bauen wir im Tal an", sagt Izquierdo Elizo stolz. Tagsüber hegen und pflegen die Bauern im Tal ihre Früchtchen, abends trifft man sich in der Dorfbar und redet - oft über Kirschen, wie Don Gustavo gesteht. "Die bestimmen einfach unser Leben hier. Und manchmal ist es ein richtiger Wettbewerb um die ungewöhnlichsten Sorten."

Auf Jahrhunderte alten, sorgsam gepflegten Terrassen tupfen die Kirschbäume die Berghänge wie rosa und weiße Wattebäusche. Besonders wer von Osten, also aus Richtung Madrid, ins Valle del Jerte anreist, wird mit diesem farbenfrohen Frühlingsanblick belohnt.

Kilometerlanger Blütenteppich

Ein Meer aus Weiß und Rosa: Kirschblüte im Valle del Jerte

Ein Meer aus Weiß und Rosa: die Kirschblüte im Valle del Jerte

(Foto: dpa-tmn)

Lange Zeit führt die Straße fast schnurstracks über die karge, baumlose Hochfläche der Extremadura, über die auch tagsüber noch eine frische Brise weht. Am Aussichtspunkt von Puerto de Tornavacas endet die Eintönigkeit abrupt: Tief eingeschnitten wie ein Canyon liegt das Valle del Jerte. Zusammen mit der warmen Luft weht der Kirschblütenduft hinauf bis zum Mirador auf 1275 Metern Höhe. 40 Kilometer weit erstreckt sich tief im Tal der Teppich aus Blüten und endet erst kurz vor den mittelalterlichen Stadttoren von Plasencia.

An den höheren Berghängen, wo es auch den robustesten Kirschen zu kühl wird, leuchtet das grüne Band der Eichenwälder, die von den flachen, baumlosen Zweitausendern des Gredo-Gebirges überragt werden. Die Gipfel tragen auch Ende März noch dicke Hauben aus Schnee. Geschützt durch die hohen Berge gedeiht die Natur im Tal in einem besonderen Mikroklima. Die Winter in den Tieflagen sind vergleichsweise mild, danach sorgen die Schmelzwasser bis in den Frühsommer hinein für üppiges Wachstum.

Apropos: Das Wasser im Valle del Jerte ist eine Attraktion für sich. Überall braust und rauscht, plätschert und gurgelt es im Frühling durch künstliche Bächlein hindurch über die Obstterrassen. Ein uraltes Netz aus Wasserläufen wird gespeist von den riesigen Wasserfällen, die überall tosend durch die steilen Seitentäler hinabstürzen. Am lautesten donnert es oberhalb des Dörfchens Navaconcejo ins Tal: Garganta de Nogaledas heißen die Fälle, die hier über drei hohe Stufen gewaltige Wassermassen ins Tal befördern und sich erst zwischen den Obstgärten beruhigen. Ein Wanderweg führt unmittelbar an den Kaskaden den Berg hinauf.

Zwischen Moos und Ginster

Die südlichen Hochlagen gehören zum Naturreservat Garganta de los Infiernos, wo es sogar noch Iberische Luchse geben soll, die Miniausgabe der europäischen Großkatze. Eingerahmt von dicken grünen Moospolstern und blühendem Ginster führen gut beschilderte Wanderwege durch die lichten Steineichenwälder, die besonders für ihre Vogelwelt bekannt sind. Die ungewöhnliche Vielfalt ist nicht zu überhören. Im hübschen Dörfchen Casas del Castañar startet ein Rundweg zu besonders spektakulären Naturwundern: Vereinzelt im Wald stehen hier mehr als 700 Jahr alte Kastanienriesen, die Stämme mit den Ausmaßen von Carports, und begrüßen selbst am Ende ihres langen Baumlebens den Frühling noch mit zartem Grün.

Überhaupt ist das Valle del Jerte ein Wanderparadies, Menschen trifft man auf den traumhaft schönen Wegen nur selten. So streift man stundenlang allein durchs Blütenmeer, wandert durch die Wälder hinauf zu den zahlreichen Wasserfällen und Wildbächen oder über die aussichtsreichen Wege oberhalb der Baumgrenze. Doch die meisten einheimischen Besucher ziehen es vor, sich die Pracht vom Auto aus anzuschauen. Am späten Nachmittag sind sie wieder weg, in den kleinen Dörfern im Tal teilt man sich das Landidyll mit den Einheimischen und Schwärmen von Schwalben, die durch die engen Gassen von Jerte sausen.

Verwunschene Altstadtgassen

Im Valle del Jerte gibt es nur wenige Hotels und Pensionen, da lohnt es sich in Plasencia zu übernachten. Das Städtchen am westlichen Ausgang des Valle del Jerte lohnt so oder so einen längeren Besuch, vor allem am Abend. Die Auswahl an Tapas-Bars rund um die kleine Plaza Mayor ist sensationell. Ein guter Grund, den Stadtrundgang hier zu beginnen.

Ein Meer aus Weiß und Rosa: Kirschblüte im Valle del Jerte

Das Labyrinth der Gassen in Plasencia lädt abends zum Bummeln ein.

(Foto: dpa-tmn)

Obwohl schon seit Römerzeiten als Handelsort beliebt, ist Plasencia mit seinen heute 40 000 Einwohnern weit weniger bekannt als andere Städte der Extremadura wie Mérida oder Cáceres. Mit der Folge, dass nur wenige Touristen die Altstadtgassen durchstreifen und die Einwohner überwiegend unter sich sind. Dabei gibt es auch in der kleinen Altstadt viel zu sehen, beispielsweise prächtige Adelspaläste der Renaissance, gleich zwei Kathedralen und eine der ältesten Weinkellereien Spaniens, in der seit dem 13. Jahrhundert Wein gekeltert wird.

Tolle Aussicht von der Stadtmauer

Ihren Reichtum schon in früher Zeit hatte das alte Plasencia seiner Lage an der Via de la Plata zu verdanken, die die Iberische Halbinsel bereits vor 2000 Jahren als gepflasterte Handelsstraße von Süd nach Nord durchquerte. Offizielle Stadtgründung war im 12. Jahrhundert als wichtiges militärisches Bollwerk bei der Reconquista, der Rückeroberung Festland-Spaniens von den Mauren. In diese Zeit fällt der Bau der mächtigen Stadtmauer, die vor allem eine tolle Aussicht bietet. Ein besonders schöner ist im Garten des Convento de San Vicente Ferrer zu finden. Das Kloster aus dem 15. Jahrhundert, das heute als "Parador de Plasencia" ein Hotel beherbergt, steht auch Tagesgästen offen. Zwischen den Zinnen kann man hinunter zum Fluss schauen, an dessen Ufer sich die Stadtstörche am Abend versammeln.

Und wenn die tiefstehende Sonne die Dächer und Türme Plasencias in ein goldenes Licht taucht, legt sich ein süßes Frühlingsaroma über die Stadt: Kirschblütenduft aus dem Valle del Jerte.

Informationen

Anreise: Am besten per Mietwagen ab Madrid. Das Valle del Jerte liegt 200 Kilometer westlich von Spaniens Hauptstadt. Weitere lohnende Ziele in der Nähe sind die Städte Cáceres, der Parque Nacional de Monfragüe mit dem berühmten Geierfelsen sowie das Kloster in den Bergen von Yuste, in dem Karl V. Mitte des 16. Jahrhunderts seine letzten Jahre verbrachte.

Kirschblüte 2014 im Valle del Jerte: Wann genau es losgeht mit der Blüte, ist von aktuellen Witterungseinflüssen abhängig. Bislang rechnet man in diesem Jahr mit dem Zeitraum 28. März bis 12. April.

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