Zu cool
Die "Oh Boy"-Bar in Berlin
Das Berlin, durch das sich Tom Schilling in Jan-Ole Gersters großartigem Schwarz-Weiß-Film Oh Boy einen Tag und eine Nacht lang treiben lässt, hat wenig mit dem gemein, wie diese Stadt sich sonst so oft gibt. In Oh Boy ist Berlin traurig, poetisch, melancholisch, schweigsam, ein bisschen angestaubt sogar. So ist auch die Kneipe auf der Friedrichstraße, in der Tom Schilling strandet. Außer ihm sitzt in der Bar nur ein weiterer Gast, gespielt von Michael Gwisdek: ein älterer Trinker, der von seiner Kindheit im Nazi-Berlin erzählt.
Bei der Kneipe, in der die Szene gedreht wurde, handelt sich um die King Size Bar, und auch sie hat im echten Leben wenig bis gar nichts mit dem gemein, wie sie im Film dargestellt wird. Denn die King Size Bar ist niemals, wirklich niemals so leer, normalerweise quetschen sich in dem kleinen, schlauchartigen Raum die schönen, coolen Berlin-Mitte-Menschen aneinander - wenn sie den Ansprüchen des Türstehers genügen. Nur die Whisky-Tumbler, in denen hier alle Getränke serviert werden, sind dieselben wie im Film. Fragt man den Barkeeper, ob Oh Boy bei den Gästen ein Thema ist, antwortet er: "Manchmal sagt schon einer, dass er die Bar aus dem Film kennt." Für weitere Reaktionen wäre sich das typische King-Size-Publikum vielleicht auch zu cool.
Judith Liere
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