Antilopen grasen auf Überresten von Armee-Camps, junge Löwen erobern neue Reviere: Auf 300.000 Quadratkilometern haben fünf Staaten den Kavango Zambezi Transfrontier Park ausgerufen. Er ist Afrikas jüngstes und größtes Naturschutzgebiet - und Hoffnung für eine ganze Region. Wie in einer alten, verzogenen Glasscheibe spiegelt sich die Morgensonne über dem Sambesi. Bäume, Büsche, Schilf, alles ist doppelt zu sehen - auch die zwei Fischer, die von ihrem Einbaum Tilapia-Barschen nachstellen. Nur die Strömungskanten des mehrere hundert Meter breiten Stroms nehmen den Konturen des Kunstwerks die Schärfe. Seit wenigen Monaten ist diese Kostbarkeit der Natur nun endlich geschützt. Im August haben Angola, Sambia, Simbabwe, Botsuana und Namibia nach jahrelangen Vorbereitungen gemeinsam die Kavango-Zambezi-Transfrontier Conservation Area ausgerufen, kurz KaZa.
Mit fast 300.000 Quadratkilometern ist es das größte Naturschutzgebiet Afrikas, unter anderem befinden sich die Victoria-Fälle darin, der Sambesi teilt es mittig. Die Touristen kommen wegen des Großwilds - und wegen der Ruhe und Einsamkeit. Die Regierungen der fünf Anrainer-Länder des weit verzweigten Flusssystems versprechen grenzenlose Safaris durch atemberaubende Wildnis. Übernachtung auf einer Sandbank im Sambesi
Am Ufer des Chobe, der Namibia von Botsuana trennt, drängeln sich die Elefanten am Nachmittag. Ein paar Minuten flussaufwärts ist ein Rudel Löwen zum Trinken an der Lebensader eingekehrt. Büffel und Impalas weiden auf den Überschwemmungswiesen, Flusspferde kühlen sich im Wasser, riesige Krokodile wärmen sich an Land. 36 Nationalparks und Reservate bestehen schon jetzt zu ihrem Schutz in den fünf KaZa-Ländern. Zusammengelegt haben sie nahezu die Größe Italiens. Die Vision ist ein gemeinsames Park-Visum für Touristen in allen fünf Staaten. Bis dahin wird freilich viel Wasser die mächtigen Victoria Fälle herunterstürzen, noch ist KaZa trotz des offiziellen Beschlusses vor allem eine Marketing-Idee. Russell Taylor und Chris Weaver vom World Wildlife Fund (WWF) haben die Entstehung des Parks von den ersten Schritten an begleitet.
"Als Chris 1993 die ersten Dörfer im Caprivi besucht hat, da haben sie ihn davon gejagt", erinnert sich Taylor, Planungsberater für die zwischenstaatlichen Parkprojekte. "Nimm dein Wild und hau ab, wir wollen es nicht!", bekam Weaver damals zu hören. Heute lacht der Direktor von WWF-Namibia darüber. Der US-Amerikaner setzt auf die Verantwortung der Menschen vor Ort, weil es für ihn keine Alternative gibt. "Wenn Wildschutzgebiete effizient geführt werden sollen, dann muss das durch die Leute geschehen, die mit den Tieren leben", sagt er. In Namibia ist das lange nicht passiert. Das Wild war Besitz des Staates, der Lizenzen für Jagd und Safaris vergab. Die traditionellen Dorfgemeinschaften waren außen vor und hatten entsprechend wenig Interesse, Elefanten zu schützen, die ihre Felder verwüsten. Es störte sie nicht, wenn Wilderer die Tiere töteten, die sie nur als Schädlinge sahen. Mitunter haben sie sogar bei der Jagd geholfen. "Diese Einstellung hat sich geändert, das Wild wird inzwischen viel mehr als gemeinschaftlicher Wert gesehen", beschreibt Taylor den Wandel in den Köpfen. Die Menschen vor Ort profitieren über Lodge-Beteiligungen, Arbeitsplätze, Lizenzen und eigene Campingplatz-Projekte inzwischen spürbar vom Tourismus - und ohne wilde Tiere kommen keine Safari-Touristen.
Die ersten Erfolge der neuen Strategie sind längst sichtbar. Große Elefantenherden wandern wieder entlang des Kwando, einem Nebenfluss des Chobe, quer durch Namibia bis nach Angola und Sambia. Wo noch vor 20 Jahren Armee-Basen im Busch standen, grasen heute Antilopen über den Ruinen. Junge Löwen erobern neue Reviere, Flusspferde grunzen im dichten Schilf, und überall trampeln Elefanten. 133.000 Dickhäuter hat die African Elephant Database 2007 im heutigen KaZa-Gebiet gezählt - die aktuellen Schätzungen von WWF und KaZa-Verwaltung sind sogar doppelt so hoch. Im Chobe National Park in Nord-Botsuana ist die Population derart stark gewachsen, dass die Vegetation bereits deutlich sichtbaren Schaden genommen hat. Es gibt im Riesenprojekt KaZa noch viel Arbeit, vor allem Aufklärungsarbeit.
Die Basis des Naturschutzes scheint noch immer brüchig. George Magwaza bestätigt das so einfach wie eindrucksvoll. "Wenn wir profitieren, unterstützen wir ihn", sagt der Viehzüchter mit dem Stoppelbart und der zerschlissenen Hose über den Megapark. "Aber wenn wir nichts davon haben, dann nicht."
Informationen Anreise: Air Namibia fliegt von Frankfurt direkt nach Windhuk und von dort weiter nach Mpacha, dem Flugplatz von Katima Mulilo. Die 1225 Kilometer lange Busreise ist nur etwas für Abenteurer mit viel Zeit. Für Rundreisende bietet sich ab Windhuk ein - möglichst geländegängiger - Mietwagen an. Reisezeit: Die beste Reisezeit für die Kavango-Zambezi-Transfrontier Conservation Area ist zwischen Mai und Januar, also außerhalb der Flut-Zeiten. Unterkunft: Die Preise schwanken je nach Entfernung zu den etablierten Nationalparks und Standard erheblich. Gute Doppelzimmer sind ab 100 Euro zu haben. Eine viertägige Hausboot-Tour kostet für zwei Personen 360 Euro pro Person, wird jedoch aufgrund der hohen Treibstoffkosten bei vier oder sechs Reisenden wesentlich günstiger. Währung: Ein Euro entspricht derzeit rund elf namibischen Dollar. Die Währung ist an den südafrikanischen Rand gekoppelt, der in Namibia ebenfalls akzeptiert wird. (Stand: Oktober 2011). Weitere Informationen: Namibia Tourism Board, namibia-tourism.com, - Kavango Zambezi Transfrontier Conservation Area, kavangozambezi.org