Man muss nicht zwingend in die ägyptische Mythologie eintauchen, um eine offenbar intrinsische Faszination des Menschen für auch merkwürdig Katzenhaftes zu entdecken; die jüngere Ahnenreihe berühmter Felidae reicht beispielsweise von der nervig veranlagten Grinsekatze über den verfetteten Garfield bis hin zur mürrischen Grumpy Cat. Letztere ist als Internetphänomen am ehesten als Vorläufer von jener Kot (polnisch: Katze) Gacek zu begreifen, die nun in der westpolnischen Hafenstadt Stettin etwas völlig Neues geschafft hat: Sie wurde zu einem Touristenmagnet.
Wie genau Gacek dies gelungen ist, lässt sich heute schwer rekonstruieren und dürfte manchen Vermarktungsprofi in die Sinnkrise treiben. Medienberichten zufolge soll 2020 ein lokales Portal erstmals über den schwarz-weißen, an sich weitgehend unauffälligen Kater im Stadtzentrum berichtet haben, ehe sich mit der Zeit die Schnurre von dem Streuner über die Landesgrenzen hinaus verbreitete und sich schließlich die Kraken der Digitalwelt seiner bemächtigten. Für Instagram ist Gacek heute schon die Nummer-eins-Attraktion von Stettin, das zwar nicht gerade einen Ruf als Weltstadt genießt, aber immerhin 400 000 Einwohner zählt. Auf Google Maps erreicht Kot Gacek - Stand Mitte April, denn die Rezensionen treffen teils im Minutentakt ein - immerhin rund 5000 Bewertungen. Das ist zwar deutlich weniger als etwa die Galerie Kaskada gleich nebenan, aber deutlich mehr als der Kentucky Fried Chicken ums Eck. Der Durchschnitt der Kritik erreicht ohnehin den unschlagbaren Wert von 5,0.
Kolumne: Hin und weg:Herr Ober? Ist da jemand?
Alle gängigen Urlaubsländer erwarten einen großen Gäste-Ansturm im Sommer. So weit, so schön. Die Frage ist nur, wer die ganzen Erholungssuchenden bedient und ihre Zimmer putzt.
Der ureigenen Blattlogik folgend titelte etwa die Bild daher bereits: "Gacek macht das Internet verrückt", was nebenbei die Frage aufwirft, ob sich das jetzt nun wirklich Gacek in die Pfoten schieben lässt und wie womöglich die Therapiemöglichkeiten für dieses Internet aussehen. Die Urteile der Netz-Insassen über Gacek reichen zumindest von "Einfach nur schön" bis zu: "Die Aussicht auf ihr tolles Fell hat meine Depressionen geheilt und die Hungersnot in Afrika ein wenig weniger schlimm gemacht." Anderswo ist die Rede von der "Kim Kardashian der Katzen" oder vom "König der Kaszubska". So heißt die Straße, in dem der Kater in einer Holzkiste ... ja, was eigentlich? Wohnt? Darin ausgestellt ist? Google Maps bezeichnet ihn als "Sehenswürdigkeit".
Dass Gacek und dessen Internet-Erben in dieser Melange aus Heilsbringer-Sehnsucht und Social-Media-Dynamik den großen Attraktionen wirklich langfristig den Rang ablaufen, muss allerdings niemand befürchten, der mit den Verrücktheiten der digitalen Welt vertraut ist. Eher ist zu erwarten, dass Kot Gaceks Ruhm deutlich weniger lang dauern dürfte als jener der Bremer Stadtmusikanten oder auch nur des gestiefelten Katers - vor allem dann, wenn er sich nicht bald rar macht. Rezensenten und Anwohner stellen körpermassig nämlich längst eine gewisse Garfieldisierung von Gacek fest. Womöglich liegt das vor allem daran, weil er laut Google Maps "rund um die Uhr geöffnet" hat.