Katakomben von Palermo:Stadt der Toten

Priester, Lehrer, Männer, Frauen - streng geordnet: In den Katakomben von Palermo macht der Tod nicht alle Menschen gleich. Und zwischen den Skeletten ruht die "schönste Mumie der Welt". Ein Besuch im Reich der Toten.

11 Bilder

Abstieg ins Totenreich ? Die Mumien von Palermo

Quelle: dpa-tmn

1 / 11

Der Weg zur größten Mumiensammlung Europas führt durch ein Stadttor, das aussieht wie eine steingewordene Warnung. Von der 500 Jahre alten Porta Nuova starren riesenhaften Maurenfiguren wie Aladins Lampengeist unheilverkündend auf den Fußgänger herab. Diese Stelle markiert das Ende der Altstadt Palermos - und des Schutzreservats für Touristen, das sich in Ampeln, Hinweisschildern und einer gewissen Nachsicht manifestiert.

Abstieg ins Totenreich ? Die Mumien von Palermo

Quelle: dpa-tmn

2 / 11

Hinweisschilder auf das Totenreich gibt es nicht. Man frage unterwegs einen aus dem Fenster lehnenden Einheimischen, er wird dann mit der Hand nach Westen deuten. Dort, ein ganzes Stück vor den Toren der Stadt, errichteten die Kapuziner im Jahre 1534 ihr Kloster. Der ockerfarbene Bau wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Doch er hat es in sich. "Ingresso Catacombe" steht über dem Eingang, dahinter sitzt noch ein einziger lebender Mensch, der den Eintritt kassiert. Dann kommen nur noch Tote.

-

Quelle: AP

3 / 11

Es geht abwärts. Eine Biegung, ein Durchgang - und es öffnet sich der Blick auf die Toten. Nicht schonend aufgebahrt oder gar in Särgen verstaut, sondern aufrecht Spalier stehend wie in einer Geisterarmee. Insgesamt sollen es nahezu 2000 Verblichene sein. Die meisten tragen noch ihre Kleidung: schwarze Anzüge, Rüschenkleider, Kutten und Uniformen, durchlöchert und zerfressen. Das wirklich Verstörende ist: Die Toten befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Verwesung.

Mumien Mönche Katakomben Palermo

Quelle: Reuters

4 / 11

Auf manchem Kragen sitzt nur noch ein nackter Schädel mit gebleckten Zähnen und schwarzen Augenhöhlen. Über anderen Köpfen spannt sich faltig-braune Lederhaut, umrahmt von ein paar Büscheln schwarzen Haars. Aufgrund besonderer klimatischer Bedingungen - ständiger Luftzug und Wände aus Tuffstein, die Feuchtigkeit absorbieren - verfaulen die Toten weniger als dass sie vertrocknen. Die Kapuziner entdeckten diesen Effekt 1599.

Abstieg ins Totenreich ? Die Mumien von Palermo

Quelle: dpa-tmn

5 / 11

Aus diesem Jahr stammt die älteste Mumie des Bruders Silvestro da Gubbio. Schon damals begannen die Mönche damit, ihre Toten an der Wand auszustellen - als Mahnung für die Lebenden: "Was wir sind, werdet ihr sein, was ihr seid, sind wir gewesen." Doch nach einiger Zeit fanden auch reiche Palermitaner Gefallen daran, ihre Liebsten über das Ende hinaus besuchen zu können.

-

Quelle: AFP

6 / 11

Bald war der Andrang so groß, dass die Kapuziner das Gängesystem erweiterten und die Toten in der sogenannten Trockenkammer etwa acht bis zehn Monate Station machten, bis sie ihnen einen festen Standplatz zuwiesen, geordnet nach Männern und Frauen, Priestern und Lehrern. Der Tod macht hier nicht alle gleich, er schreibt die irdischen Verhältnisse fort. Im 19. Jahrhundert wurde der Totenkult verboten, doch danach ging es - dies ist Italien - noch ein paar Jahrzehnte weiter.

Europa Italien Sizilien Palermo Katakomben Mumien, picture-alliance

Quelle: picture-alliance

7 / 11

Die größte Attraktion ist heute der Körper der kleinen Rosalia Lombardo, die 1920 von der Spanischen Grippe dahingerafft wurde. Der Vater der Zweijährigen, General Mario Lombardo, war untröstlich. Und da er ein Mann von einigem Einfluss war, beauftragte er den berühmten Einbalsamierer Alfredo Salafia damit, seine Tochter wenigstens äußerlich zu erhalten. Der Chemiker schuf mit Rosalia sein Meisterwerk: die "schönste Mumie der Welt". Man ist versucht, das bildschöne Mädchen mit der rosa Schleife im Haar aus seinem Glassarg zu nehmen und all den grässlichen Knochenmännern zu entreißen.

-

Quelle: AFP

8 / 11

Die Mixtur, die Signore Salafia zum Konservieren benutzte, hielt er übrigens so gut geheim, dass sie erst im Jahre 2009 in seinem Nachlass entdeckt wurde. Wenn man die Katakomben an einem Vormittag unter der Woche besucht, kann es sein, dass man mit den Toten ganz allein ist. Nur manchmal dringen dann durch einen Luftschacht leise Geräusche aus der Welt der Lebenden in die Tiefe. Den meisten Toten ist die Kinnlade heruntersackt, und so hat es den Anschein, als würden sie schreien - ohne einen Laut.

Europa Italien Sizilien Palermo Katakomben Mumien, apn

Quelle: apn

9 / 11

Je nach Veranlagung mag man das beklemmend oder bizarr finden. Nachmittags, wenn die Besucher zahlreicher werden und der eine oder andere Macho ungerührt auf seinem Handy telefoniert, schlägt die Atmosphäre ins Makabere um. Fotografieren ist verboten, aber daran halten sich die wenigsten. Gitter sollen verhindern, dass man mit den Gebeinen posiert oder ihnen am Rock zieht.

Hinweisschilder wie "Babygirl - Bambina" mit einem Pfeil nach rechts verstärken das Unbehagen. Ist es nicht anstößig, Menschen im Tode so auszustellen? Oder fehlt uns nur die Unbefangenheit, die für frühere Generationen im Umgang mit den Toten noch kennzeichnend war?

Europa Italien Sizilien Palermo Katakomben Mumien, Karte: SZ-Grafik

Quelle: SZ

10 / 11

Bis heute haben viele Sizilianer Fotografien ihrer verstorbenen Eltern und Großeltern über dem Ehebett hängen. Der durchschnittliche Mitteleuropäer erträgt es nicht lange, dem Tod ins Gesicht zu schauen. Spätestens nach einer halben Stunde flieht er nach oben - zurück an die Luft, ans Licht und ins Leben. Da klingt das Hupen wie Musik.

Informationen

Die Catacombe dei Cappuccini (Piazza Cappuccini 1) sind täglich von 9 bis 13 und von 15 bis 17 Uhr geöffnet, sonntags nur vormittags. Der Eintritt kostet drei Euro.

In den Katakomben von Paris, AFP

Quelle: AFP

11 / 11

Auch unter Paris wurden in Katakomben Tote versammelt, allerdings nur ihre Gebeine und Schädel - von sechs Millionen Menschen. Die ausführliche Galerie finden Sie hier: "Das Gruselreich unterm Straßenpflaster".

© Christoph Driessen, dpa /kaeb
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: