Kapsel-Hotel in Japan:Lebewohl, meine Kabine

Eine Nacht im weltweit ersten Vorhanghotel in Osaka, in dem man von seinen Bettnachbarn mehr mitbekommt, als einem lieb ist.

Christoph Neidhart

Wenn ein Japaner den letzten Zug verpasst, kann er, jedenfalls in der Nähe der wichtigsten Großstadt-Bahnhöfe, in einem Kapselhotel absteigen. Diese Herbergen vermieten Kojen, die etwa so viel Platz bieten wie ein Liegeplatz im Liegewagen der Bahn: ein Schließfach für Menschen. Immerhin hat jede dieser Kojen einen Fernseher. Die meisten Kapselhotels sind nur für Männer, als ob Frauen ihren letzten Zug nie verpassten.

Kapselhotel

Kapselhotel

(Foto: www.first-cabin.jp)

In Osaka beim Namba-Bahnhof gibt es jetzt eine edlere Alternative, das Cabin-Hotel, die Fünfsterne-Variante des Kapselhotels sozusagen. Diese Schließfächer für Menschen sind so groß wie die Kajüte einer Autofähre - das Hotel spielt in seiner Selbstdarstellung auf die First-Class-Kabinen eines Langstreckenflugzeugs an. Neben den 85 Männerkojen gibt es hier auch eine Frauenabteilung mit immerhin 26 Plätzen. An der Rezeption trennt sich ein Paar, bevor beide dann in ihren abgetrennten Bereichen verschwinden.

Der Männerteil ist eine schwarz abgedunkelte Halle. In langen Reihen stehen die Kabinen aus dünner Kunststoffwand. Über dem Fußende des Betts hängt ein großer Flachbildschirm-Fernseher mit wuchtigem Kopfhörer, auch ein winziger Tisch findet sich und ein Anschluss für das Internet. Neben den Handtüchern und der Zahnbürste liegt ein Trainingsanzug auf dem Laken bereit. Verschließen lässt sich die Kabine nicht, sie hat keine Tür, nur einen starren Vorhang. Nur für die Schublade unter dem Bett gibt es einen Schlüssel. Dort findet immerhin ein kleines Gepäckstück Platz. Duschen und Toiletten sind am Ende des Flurs, alles ist blitzsauber und gediegen in grau, bordeaux und schwarz gestylt.

In einem anderen Stockwerk befindet sich ein japanisches Bad mit Sauna, in dem man sich auch massieren lassen kann. Die Japaner duschen erst, und zwar sitzend auf einem Hocker, dann setzen sie sich in eine große gemeinsame Wanne. In einer winzigen Lounge - eine Bar und ein paar Tischchen - werden Imbisse serviert. Die Rezeptionistin verkauft zudem alles, was Reisende vergessen - Rasierzeug, Haargel, Krawatten.

Illusion von Privatsphäre

Schlurft man nachts zur Dusche, dann kommen einem müde Männer entgegen, die ebenfalls den Hoteltrainingsanzug und die Hotelschlappen tragen. Niemand spricht mit dem anderen. So hält man in Japan, nicht nur im Kabinenhotel, die Illusion einer Privatsphäre aufrecht. Nachts dringt gedämpftes Licht durch den Luftspalt über dem Schiebevorhang, man hört den Nachbarn atmen; ein Mann hustet, einer stöhnt, irgendwo hat jemand Albträume. Vielleicht kann man sich daran gewöhnen. Das Benutzen von Mobiltelefonen in der Kabine jedenfalls ist verboten, dafür darf man gerne mit dem Mobiltelefon zahlen, wenn es dafür eingerichtet ist.

Morgens dann beendet eine Frauenstimme den unruhigen Schlaf. "Nummer 621, es ist sechs Uhr". Alle paar Minuten ruft sie eine andere Nummer auf. Es ist Zeit, aufzustehen.

Günstig, ja, das ist es schon. Eine Nacht im Cabin-Hotel in Osaka, weltweit dem ersten seiner Art, kostet umgerechnet zwischen 24und 38 Euro, je nach Wochentag, Saison und Art der Buchung. Tagsüber kann man hier auch stundenweise schlafen. Zumindest kann man es versuchen.

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