Süddeutsche Zeitung

Kapitän der MS Europa:Kurs ins Ungewisse

Die Reederei Hapag Lloyd bietet Kreuzfahrten an, auf denen Passagiere die Route selbst bestimmen können. Allerdings hat Demokratie auch auf See auch ihre Tücken. Ein Interview mit Mark Behrend, Kapitän der "MS Europa".

Interview von Margit Kohl

Wohin die Reise geht? Selbst der Kapitän wusste es diesmal nicht. Mark Behrend (52), seit 2004 Kapitän bei Hapag Lloyd, ist zwar versiert im Umgang mit raschen Routenänderungen, schließlich hat er schon Expeditionsschiffe durch Polarregionen gesteuert. Aber eine Überraschungskreuzfahrt durchs Mittelmeer, auf der ihm die Passagiere den Kurs vorgeben, hatte auch er noch nicht erlebt. Einzig der Start in Istanbul und das Ziel - Venedig - waren bei der zweiwöchigen Reise mit der MS Europa vorgegeben.

SZ: Herr Behrend, was sind das für Gäste, die auf einer Überraschungskreuzfahrt mitfahren?

Behrend: Menschen, die Spaß am Reisen haben, natürlich, die das Ganze aber auch spielerisch angehen können. Die also eine Bereitschaft mitbringen, sich unverkrampft auf etwas Neues einzulassen.

Wenn 340 Passagiere bestimmen, wohin die Reise geht, ist der Kapitän ja quasi nur deren Chauffeur. Kränkt Sie das?

Im Gegenteil. Es freut mich, dass die Gäste Vertrauen in die Machbarkeit einer logistisch so anspruchsvollen Tour haben. Die Freiheit der Routenwahl ist ohnehin relativ, wenn das Wetter nicht mitspielt.

Hofften Sie etwa heimlich auf schlechteres Wetter, um die Route so wieder selber bestimmen zu dürfen?

Wir hatten ausschließlich Routenvorschläge mit Highlights zusammengestellt - etwa Delos, Naxos, Mykonos, Santorin in Griechenland, Syrakus in Italien, Kotor in Montenegro, Hvar und Krk in Kroatien. Da hätte also auch eine Änderung wegen schlechten Wetters nicht plötzlich zu zweitklassigen Zielen geführt.

Wie stimmen die Fahrgäste über die Ziele ab?

Während dieser Reise fanden insgesamt drei Abstimmungen statt. Das heißt: an etwa jedem dritten Tag. Zur Entscheidung standen immer drei Routenvorschläge mit je drei bis vier Zielhäfen. Ein Schiffslektor hat kurz erklärt, was es wo zu sehen gibt und ein Meteorologe Prognosen zum Wetter vor Ort abgegeben. Danach haben die Passagiere per Hand abgestimmt. Wenn das nicht eindeutig war, wurde per Stimmzettel gewählt. Das war tatsächlich zwei Mal der Fall.

Reiserouten für Kreuzfahrtkataloge werden mit einem Vorlauf von drei Jahren geplant. Was ist so kurzfristig noch machbar und was nicht?

Wir stoßen da tatsächlich an die Grenzen des Machbaren. In den USA wäre so eine Reise nicht realisierbar, weil die Voranmeldung für Häfen mindestens 96 Stunden beträgt. Zunächst muss eine unkomplizierte Ein- und Ausreise zwischen den Ländern möglich sein. Unsere Generalagenten prüfen dann, wie viele Schiffe bereits im jeweiligen Hafen angemeldet sind, ob es Feiertage gibt, an denen Sehenswürdigkeiten geschlossen sind und ob ausreichend Busse und Guides da sind. Erst dann entwickeln wir die Routenvorschläge.

Kamen nach der Abstimmung aufgebrachte Passagiere auf Sie zu, weil ihr Wunschziel nicht gewählt wurde?

Die kommen damit selten zu mir, sondern tragen ihr Anliegen lieber meinen Mitarbeitern von der Touristik oder an der Rezeption vor, wenn sie Ihre Ausflüge buchen. Wer unbedingt einen ganz bestimmten Ort sehen will, der bucht ohnehin eine andere Reise.

Welche Entscheidungen der Passagiere haben Sie am meisten überrascht?

Dass sie vorwiegend bekannte, klassische Ziele wie Mykonos und Santorin gewählt haben. Außerdem hatten wir etwa 20 Prozent Nichtwähler.

Woher kam die Wahlmüdigkeit?

Manche Gäste fanden es überall schön, wo wir sie hinfahren wollten. Vielleicht lagen die einfach nur lieber am Pool und dachten sich: Die machen das schon.

Nächste Überraschungskreuzfahrt von Istanbul nach Piräus, diesmal mit der MS Europa 2, vom 14. bis 24.5.2016 (inkl. Anreise ab 5411 Euro p.P.). www.hl-kreuzfahrten.de

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Quelle:
SZ vom 13.05.2015
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