Kanada - Die Prärie:Cowboys, Öl und viel Landschaft

Flaches Farmland dominiert die drei Prärie-Provinzen Manitoba, Sasketchewan und Alberta - ein Outdoor-Spielplatz für echte Kerle.

Verena Wolff

Ein Mal im Jahr ist alles anders in Calgary. Zehn Tage lang lässt die größte Stadt der kanadischen Provinz Alberta im Juli den Wilden Westen wieder aufleben - es herrscht Ausnahmezustand in der Prärie. Seit 1912 die erste Stampede veranstaltet wurde, macht die ganze Stadt mit: Krawatten und Anzüge bleiben im Schrank; Cowboystiefel, blitzende Gürtelschnallen und schneeweiße Cowboyhüte sind dann angesagt.

Tausende von Freiwilligen verteilen morgens umsonst frisch gebackene Pfannkuchen mit Speck und Ahornsirup. Und eine bunte Parade mit Pferdewagen und Schwarzfuß-Indianern im vollen Federschmuck verwandelt die Innenstadt mit den gläsernen Wolkenkratzer-Fassaden in eine schräge Kulisse.

Wettbewerbe für harte Männer

Jeden Tag sind 15.000 bis 20.000 Zuschauer beim Bull Riding dabei. Zu den anderen Wettbewerbskategorien gehört zum Beispiel das Reiten ungesattelter Wildpferde. Auch das Einfangen und Niederringen von jungen Stieren mit dem Lasso, waghalsige Planwagenrennen und Hindernisreiten um ein Bierfass haben zahlreiche Fans. Für die Cowboys ist es kein Zeitvertreib, sondern ein Profisport, mit dem sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen. 1,6 Millionen kanadische Dollar werden jeden Tag als Preisgelder vergeben.

Zeb Lanham ist so einer. In ein paar Sekunden kann er ein Jahresgehalt verdienen - oder sich alle Knochen brechen. Sein Glück hängt von Wranglers Rock Star ab. Der Stier besteht aus gut 500 Kilogramm stampfender und schnaubender Muskelmasse. Auf ihm muss sich Zeb Lanham halten, acht Sekunden lang. Zeb hält sich nur mit einer Hand an einem Seil fest, das um den Bauch des Tieres geschlungen ist, als es aus dem Gatter bricht. Nur 4,7 Sekunden dauert der Machtkampf, dann landet der Cowboy im Staub. Enttäuscht springt Lanham auf.

Für Wranglers Rock Star ist die Show allerdings noch nicht zu Ende: Mit einem heftigen Stoß nimmt er den Cowboy auf die Hörner und schleudert ihn mehrere Meter in die Höhe. Lanham stürzt zum zweiten Mal in den Staub. 20.000 Zuschauer schreien vor Schreck auf, selbst der routinierte Stadionsprecher ringt einen Moment um Fassung. "Oh mein Gott, das war ein Stoß", sagt er, als Lanham sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufrappelt. Es sind Episoden wie diese, die aus der Calgary Stampede in der kanadischen Provinz Alberta Nordamerikas aufregendstes Rodeo machen.

Eine wilde Meute

Dabei ist die Stampede eigentlich eine Landwirtschaftsausstellung für die Farmer der Prärieprovinzen - doch landwirtschaftliche Maschinen sind lange nicht so aufregend wie Bullenreiten oder eine andere waghalsige Veranstaltung, das Planwagenrennen. Vier Pferde sind vor jeden Wagen gespannt, vier weitere Pferde mit Reiter, die "Outrider" genannt werden, jagen nebenher. In jedem Rennen gibt es vier Konkurrenten. 32 Pferde sind also immer gleichzeitig auf der Bahn.

Den Überblick über die wilde Meute zu behalten, ist schwer. Auch hier gibt es um die 100.000 Dollar Preisgeld. Aber der Planwagenlenker ist nur so gut wie seine Pferde. Deshalb behandelt Darcy Flad seine Vierbeiner wie Top-Athleten: "Sie bekommen Sportgetränke verabreicht, damit die Elektrolyte stimmen, wir haben Pferdemasseure hier und Chiropraktiker", erzählt der 37-jährige Stampede-Teilnehmer.

Einmal Cowboy sein

Wilder Westen allerorten

Nicht überall in der kanadischen Prärie geht es so wild zu wie bei der Stampede in Calgary - aber der Wilde Westen ist trotzdem überall in den Provinzen Alberta, Sasketchewan und Manitoba zu spüren. Für alle, die selbst als Cowboy im Sattel sitzen wollen, gibt es Urlaub auf einer "Guest Ranch". Die Gäste reiten über einsame Pfade, treiben Vieh und lernen von den einheimischen Familien viel über den Lebensstil der Cowboys - und wer sich nicht vor den Mühen scheut, kann als "Volunteer", als Freiwilliger, auf einer Farm mitarbeiten. Als Gegenleistung für die Arbeit erhält man freie Unterkunft und Verpflegung.

Auf der 700 Kilometer langen Strecke von Mayerthorpe bis Cardston zeigt sich das echte Rancherleben - Cowboys, die ihre Kälber einfangen, Viehmärkte und Kleinstadt-Rodeos. Durch die Nähe zu den kanadischen Rockies ist die Landschaft nicht mehr so eben, sondern abwechslungsreicher.

Dinosaurier aus der letzten Eiszeit

Im Süden der - vor allem wegen der Ölvorräte - reichsten Provinz Kanadas liegt der Dinosaur Provincial Park, die zweitgrößte Dinosaurierfundstelle der Welt. Die urzeitlichen Tiere lebten vor über 70 Millionen Jahren in dieser Region. Ihre Skelette sind eingebettet in die bizarren Gesteinsformationen der kanadischen Badlands. Nach der letzten Eiszeit spülte das Schmelzwasser der Gletscher hier unzählige Dinosaurier-Knochen frei. Heute spüren Touristen den Überresten der Urzeitgiganten nach.

Der Provinzpark liegt nahe des kleinen Ortes Patricia. Der Blick schweift hier kilometerweit über flaches Land. Bäume gibt es nicht, nur hin und wieder niedrige Sträucher und die Masten der Stromleitungen, die zu den wenigen Farmen mit ihren großen, runden Getreidesilos aus glänzendem Metall führen.

Zwei Tage, so heißt es, braucht man mindestens, um den Dinosauriern hier näher zu kommen und die Dimensionen des Parks und seine Bedeutung für die Forschung zu erfassen. Beiderseits des Red-Deer-Flusses durchbricht die Mondlandschaft der so genannten Badlands die Monotonie der Prärie. Gut 80 Meter tief fällt die Ebene zum Fluss hin ab. Die bizarr wirkenden Felsen in dem hier bis zu 6,5 Kilometer breiten Flusstal sind das Ergebnis einer Erosion, die schon seit mehr als 12.000 Jahren voranschreitet.

Die Weizen-Provinz

Noch ein bisschen mehr Land, ganz unberührt von der Bergkette der Rocky Mountains, lässt sich in der östlich an Alberta angrenzenden Provinz Saskatchewan erleben. Unzählige Seen, sanfthügelige Gras- und Waldlandschaften, die sich bis zum Horizont erstrecken. Nicht zu vergessen: Felder, so weit das Auge reicht. Aus Sasketchewan kommt 54 Prozent des in Kanada angebauten Weizens. "Wenn hier einer abzuhauen versucht, kann man ihn übermorgen immer noch rennen sehen", sagen die Kanadier - das Äquivalent zum friesischen Spruch, man könne schon am Mittwoch sehen, wer am Sonntag zum Kaffee kommt.

Das trifft besonders auf den Grassland Nationalpark im Süden der Provinz zu. Die hügelige Prärielandschaft bot einst Sitting Bull nach der Schlacht am Little Big Horn Zuflucht und zeigt Besuchern heute Einblick in das einzigartige Ökosystem der nordamerikanischen Prärie. Der Cyprus Hills Interprovincial Park im Westen, an der Grenze zur Nachbarprovinz Alberta, hebt sich wie eine Insel aus der Prärie. Steile Felsklippen und sanfte Täler bilden zusammen mit großen Waldgebieten ein ideales Terrain für Wanderungen.

Wo die Mounties lernen

Im Süden Saskatchewans liegt Regina, die Heimatstadt der Royal Canadian Mounted Police (RCMP). Noch heute werden im einzigen Ausbildungszentrum Kanadas die zukünftigen "Mounties" geschult und trainiert. Ein neues Museum öffnete im Mai 2007 seine Pforten und führt Besucher durch die Geschichte der RCMP.

Die östlichste der Prärieprovinzen ist Manitoba - auch hier gibt es viel Landschaft, zudem aber tatsächlich einzigartige Möglichkeiten zur Beobachtung von Wildtieren und weit mehr als 100.000 Seen. Ein ganz besonderes Schauspiel sehen Besucher des kleinen Städtchens Churchill. Wo der gleichnamige Fluss in die Hudson Bay mündet, finden sich im Sommer mehrere Tausend Belugawale ein. Im Herbst sammeln sich dann um Churchill Eisbären und warten auf das Zufrieren der Hudson Bay, um dort auf die Jagd zu gehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: