Süddeutsche Zeitung

Kanada:Bloß kein Banff!

Tobias Barth erzählt von der Situation im Yukon Territory in der kanadischen Arktis.

Protokoll von Ingrid Brunner

Tobias Barth, 40, ist Deutscher, er lebt seit 2016 in Whitehorse, Kanada. Mit seiner Firma Epic North hat er sich auf Touren ins Yukon Territory, nach Alaska und in die kanadische Arktis spezialisiert.

"Hochsaison im Yukon ist der Sommer, also die Zeit von Anfang Juni bis Mitte September. Aber dieser Sommer verging praktisch ohne Gäste. Stattdessen hatten wir Absagen, Stornierungen und Terminverschiebungen. Wir können von Glück sagen, dass drei Viertel unserer Kunden ihre Touren aufs nächste Jahr verschoben haben. Zwar durften wir das Geschäft weiterführen, aber mit den wenigen Buchungen hätten wir draufgezahlt. Die Kunden hatten Verständnis dafür, dass wir ihnen absagen mussten.

Angekündigt hatte sich die Situation schon im Februar: Normalerweise ist der Winter die Jahreszeit, in der wir hier viele asiatische Kunden haben, die wegen der Nordlichter anreisen. Dann aber kamen von fünf Teilnehmern einer chinesischen Gruppe nur drei bei uns an, die beiden anderen durften nicht an Bord, weil sie erhöhte Temperatur hatten. Da schwante mir, dass etwas auf uns zurollt.

Es mag Europäern seltsam erscheinen, aber der Lockdown in Kanada besteht zwischen den Provinzen: Wer seine Provinz verlässt, muss erst mal 14 Tage in Quarantäne. Und das, obwohl das Land so dünn besiedelt ist. Aber die Regeln sind sehr streng, und im Yukon noch strenger, weil wir einen hohen Anteil an First-Nations-Bewohnern haben, die als besonders anfällig für das Coronavirus gelten. Dank dieser Maßnahmen ist der Yukon weitgehend verschont geblieben. Und dank guter staatlicher Hilfen sind wir bis jetzt gut durch die Krise gekommen. Mit dem Geld können wir unsere laufenden Kosten decken. So ist mein Fazit bis jetzt: Wir hatten eine bescheidene Zeit, was den Umsatz angeht, aber eine tolle Zeit, um unsere Touren weiter zu verbessern und auch, um unsere Website zu optimieren.

Wir hatten hier auch Zeit nachzudenken, welchen Tourismus wir eigentlich wollen. Schon immer war diese Region prädestiniert für Social Distancing - viel Platz ist ja etwas, das viele mit Nordamerika verbinden. Umso mehr im Yukon. Das ist mittlerweile ein Verkaufsargument, der Yukon könnte tatsächlich einer der Gewinner dieser Krise sein.

Das Schöne ist, dass wir hier eine begrenzte Infrastruktur an Hotels und Unterkünften haben - anders als etwa im Skigebiet von Banff. Das soll auch so bleiben. Eine Umfrage in der Bevölkerung ergab klar: Wir wollen ein gesundes Wachstum, aber keine Zustände wie in Banff. Mit Abstand kann man auch gute Geschäfte machen - nächstes, spätestens übernächstes Jahr."

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Quelle:
SZ vom 03.09.2020
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