Kakaoernte in Venezuela:Süßes Gold

Fast alle mögen sie, manche sind sogar regelrecht süchtig danach - Schokolade. Warum die Besitzer einer der besten Kakaofrucht-Plantagen in Venezuela durch ihren begehrten Rohstoff trotzdem nicht reich werden.

Susanne Asal

Heiß ist es in Chuao. Sabina sortiert auf einem Holzbrett Kakaobohnen aus. Die Bohnen rinnen durch ihre Finger, immer wieder entdeckt sie eine, die sie entfernt, automatisch, wie im Schlaf. Sie thront vor ihrem Haus, stolz und aufrecht wie eine Königin auf ihrem mit bunten Plastikkordeln bespannten Stuhl, und erzählt Geschichten von einer der berühmtesten Kakaosorten der Welt, vom Kakao ihres Heimatdorfes, der so qualitätsvoll war, dass sich einst alle anderen Sorten mit ihm messen lassen mussten.

Kakaoernte in Venezuela: So wächst die Kakaofrucht am Baum.

So wächst die Kakaofrucht am Baum.

(Foto: Foto: Reuters)

Der berühmte Kakao hat Chuao aber keineswegs reich gemacht. Heute umfasst eine Ernte etwa 15 000 Tonnen Kakaobohnen. 15 Prozent der Bevölkerung in Chuao leben vom Kakao, das sind hundert Familien. 75 Prozent sind Fischer. Man nimmt an, dass ein Kakaopflücker den Mindestlohn von 40 000 Bolivares erhält, das entspricht etwa 200 US-Dollar.

Anreise zu Fuß

Die Anreise lässt nicht vermuten, in eine der Hochburgen des Kakaos zu kommen: Es gibt schlichtweg keine Straße dorthin. Das Dorf Chuao erreicht man zu Fuß vom Strand von Chuao aus. Zum Strand von Chuao schippert man mit dem Boot von Puerto Colombia aus. Das Land hat offenbar wenig Interesse daran, seine kolonialen Attraktionen wie die Kakaodörfchen in sein Verkehrsnetz einzubinden.

Doch die Bewohner von Chuao sind wohl ganz zufrieden damit, wie es ist. Und die Gäste mögen die mühsame Fahrt originell finden, authentisch, etwas Besonderes. Jetzt gibt es auch einen Bus, der den Strand mit dem fünf Kilometer entfernten Ort verbindet, ein elefantöses Gefährt, dessen knallbunten Anstrich sein Alter dezent verblassen ließ. Er kam übers Meer auf einem Fischerboot angeschaukelt; diesen Anblick wird im Dorf niemand vergessen.

Süßes Gold

Die Blütenglocken der Trompetenbäume und Bougainvillea quellen aus dem grünen Dickicht, das die Küstenkordillere überzieht. Zu Kolonialzeiten hatten die spanischen Eroberer afrikanische Sklaven an der Küste von Venezuela angesiedelt, etwa 100 Kilometer westlich von Caracas. Sie schufteten auf den Plantagen.

Kakaoernte in Venezuela: Qualitätskontrolle in einer Schokoladenfabrik

Qualitätskontrolle in einer Schokoladenfabrik

(Foto: Foto: dpa)

Die Nachfahren arbeiten hier immer noch, allerdings plagen sie sich nicht mehr unter fremder Herrschaft, das schwarze Gold gehört ihnen: Die einstige Besitzerin Doña Catalina habe die gesamte Kakaoplantage an ihre negros verschenkt, sagt Sabina. Seither arbeitet das Dorf Chuao, angewachsen auf 3000 Einwohner, gemeinschaftlich.

"Und wie lange ist das schon her, Sabina?" "Oh, sehr lange." Sabina rüttelt die Bohnen auf dem Holzbrett. "Hier hat jeder seinen Arbeitsplatz. Aber die Bohnen, die verkaufen wir natürlich an einen Händler." Der Kakao wird dort lediglich getrocknet und von den Aufkäufern weiterverarbeitet.

Chuao ist ein hübsches, einfaches Dörfchen mit zwei parallelen, gepflasterten Hauptstraßen, mit erdigen Seitenstraßen, die sich in den saftigen Hügeln verlieren. Die Plaza neben der Kirche ist mit großen flachen Steinen belegt und dient der Gemeinschaft zum Trocknen der Kakaobohnen.

Weltmaßstäbe aus dem Urwald

Wenn man das bescheidene Chuao sieht, mag man kaum glauben, dass sein Kakao vor 200 Jahren Weltmaßstäbe setzte. Die Schokoladen-Hausse heute hat ihm wieder etliche hochkarätige Kunden eingebracht, unter ihnen den Maître d'Hôtel des Hilton in Rom beispielsweise und den italienischen Chocolatier Amadei, der 50 Gramm Schokolade für acht Dollar verkauft. Valhrona presst den venezolanischen Kakao. Der französische Schokoladenhersteller Bonnat verkauft ihn als Grand Cru in hübschen altmodischen Blechschachteln.

Aber das alles weiß Sabina nicht. Wesentlich mehr könnte sie verdienen, schimpft Dorfchronist Francisco in seinem Kolonialhaus auf der kühlen Terrasse, aber sie seien nun mal Schwarze. Und die arbeiteten eben nicht gern. Nach ihrer Schicht von sechs bis elf Uhr früh legen sie sich in die Hängematte und schlafen. Er selbst - weiß wie die Bukareblüten - ist empört über so viel ungerührt zur Schau gestellte Faulheit.

Süßes Gold

Ein Stückchen weiter westlich von Chuao liegt Cepe, ebenfalls eine Kakaoplantage mit Stranddorf, das nur per Schiff angesteuert werden kann. Während der Fahrt bereitet María mit dem hochgetürmten blonden Haarschopf den frischesten curagua, den man sich vorstellen kann. Die Fischer haben ihn am Morgen aus dem Meer geholt; jetzt halten sie Siesta in den auf den Wellen schaukelnden Booten. Den Palmenstrand hat man folglich für sich allein.

Mittelpunkt dieser überschaubaren Welt aus Kakaohaciendas und Palmenstränden ist der Fischerhafen Puerto Colombia. Das Dorf hat viel von einem typisch schwarzen Kolonialdorf der Karibik: die gleiche unbekümmerte Lässigkeit der Bewohner, die gleiche einfache pastellfarbene Architektur.

Hier befindet sich der attraktivste Strand des Landes, die von Palmen gesäumte, gänzlich unverbaute Playa Grande. Deshalb kann Puerto Colombia ein bisschen touristische Infrastruktur bieten; vor allem in der Hand voll umgebauter Kolonialhäuser wohnt man schön. Es gibt einen winzigen Malecón, eine Uferpromenade mit zwei Kiosken, in denen man Bier, Eis und Coca Cola kaufen kann. Nur wenige Restaurants haben mehr als die preiswerte kreolische Hausmannskost auf der Karte.

Kulinarische Entdeckung unter Palmen

Üblicherweise bekommt man schwarze Bohnen, Fisch und Maismehltaschen; und so ist das "Mango" eine Entdeckung: Über offen züngelnden Flammen hantiert ein sympathischer Junge mit schulterlangem Zopf und bringt ein Kürbisragout zu einer gebratenen Dorade und selbst gemachtem Tamarinden-Chutney auf den Tisch.

Schöne Strände und Kakaohaciendas - bestehende und zu schmucken Hotelbetrieben umfunktionierte - sind nicht alles in diesem Landstrich. Der älteste Nationalpark des Landes, der Parque Nacional Henri Pittier, schützt hier die tropische Küstenkordillere mit ihrer Artenvielfalt. Zugvögel machen bei ihrer Überquerung des Kontinents Halt, und 30 000 Pflanzen habe der Schweizer Naturforscher und Pate des Parkes klassifiziert.

Drei Kilometer von Puerto Colombia entfernt hält die kleine Kolonialschönheit Santa Clara de Choroní ihren Dornröschenschlaf. In den mit Holzbalken markierten Türstürzen der Häuser findet sich häufig eine stilisierte Kakaobohne eingeritzt. Die Dächer tragen rot gebrannte Schindeln, die dem Flüsschen zugewandten Häuser haben Veranden, die von Holzsäulen gestützt werden. Eine schattige Plaza breitet sich vor der weißgetünchten Dorfkirche mit puppenbunter Ausstattung aus. Einige Bewohner würden all diese tropische Üppigkeit gern auf den Begriff bringen : Klein-Costa Rica, das wäre schön.

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