Süddeutsche Zeitung

James-Bond-Museum in Tirol:Geheimauftrag: die Saison retten

Auf dem Gaislachkogel hoch über Sölden, wo Szenen aus dem Film "Spectre" gedreht wurden, eröffnet demnächst ein James-Bond-Museum. In ganz eigener Mission.

Von Titus Arnu

Man muss kein Geheimagent sein, um herauszufinden, wie man den Gaislachkogel am schnellsten bezwingt. Eine bequeme, beheizte Seilbahn führt von der Talstation in Sölden auf den Gipfel, zwölf Minuten dauert die Fahrt von 1390 auf 3048 Meter Höhe. Ein paar Stufen führen hinauf auf eine Aussichtsplattform. Rundum funkeln 250 Dreitausender in der Sonne, man erkennt die Wildspitze, den Similaun und ein paar Dolomiten-Spitzen. Wer will, kann sich anschließend im Gourmet-Restaurant "Ice Q", dessen Architektur an einen Eiswürfel erinnert, bei "Alpen-Tapas" (Gänseleber, Tatar, Lachsforelle) und einem trockenen Wodka-Martini von den Strapazen erholen.

Eigentlich ist auf dem Gaislachkogel kein Platz für noch mehr touristische Infrastruktur. Doch seit der Gipfel Schauplatz für eine Szene im James-Bond-Film "Spectre" war, versuchen die Söldener, aus dem Ort rauszuholen, was rauszuholen ist. Seit Monaten wurde am Gipfel gebaut und gewerkelt, Hubschrauber brachten Beton und Stahlteile, auch im Winter waren Arbeiter zugange, bei minus 25 Grad. Für das neue James-Bond-Museum 007 Elements, das Anfang Juli eröffnet, wurde ein 1300 Quadratmeter großes Gebäude in den Berg implantiert. Die herausgesprengten Felsen hat man am Schluss über dem Gebäude zu einem künstlichen Gipfel zusammengebastelt. "Der Berg ist damit ein bisschen größer als vorher", sagt Jakob Falkner, Chef der Bergbahnen und Hauptbetreiber des 007-Projekts.

Die Betreiber sprechen vom "höchsten Museum der Welt". Zumindest der Berg ist jetzt höher

Nicht nur plastisch, auch inhaltlich soll der Berg überhöht werden. Laut Falkner ist 007 Elements natürlich kein schnödes Filmmuseum, sondern mindestens eine "Erlebniswelt", wenn nicht gar das "höchste Museum der Welt". Mit Gigantismus kennt man sich ohnehin aus in Sölden. Der kleine Ort im Ötztal vermarktet sich als "Hotspot der Alpen" und "Höhepunkt Tirols". Das ehemalige Bergbauerndorf hat 4000 Einwohner und zählt mehr als zwei Millionen Übernachtungen pro Jahr. Allerdings nimmt die Zahl der deutschen Touristen ab, auch die Russen bleiben aus.

Jakob Falkner, den sie in Sölden nur Jack nennen, setzt deshalb verstärkt auf den asiatischen Markt, "und dort ist James Bond eine ganz große Nummer", schwärmt er. Jack Falkner hat frühzeitig eingefädelt, dass 007 nachhaltige Spuren im Ötztal hinterlässt. Irgendwie schaffte er es, die sehr zurückhaltende britische Produktionsfirma Eon und den Rechteinhaber Metro-Goldwyn-Mayer davon zu überzeugen, ausgerechnet auf dem Gaislachkogel ein permanentes 007-Museum zu installieren. Entwurf und Entwicklung stammen von Kreativdirektor Neal Callow, der als Art Director bei den Bond-Filmen "Casino Royale", "Ein Quantum Trost", "Skyfall" und "Spectre" im Einsatz war. Der Innsbrucker Architekt Johann Obermoser, der schon den Glaswürfel Ice Q und die Seilbahnstationen von Gaislachkogelbahn und Giggijochbahn entwarf, plante den komplizierten Bau der "Erlebniswelt" im Gipfel.

"Es soll sich anfühlen, als würde James Bond persönlich in ein Filmset hineinlaufen", sagt 007-Art-Director Neil Callow, "unser Ziel ist es, einen tiefen Einblick in die Dreharbeiten eines Bond-Kinofilms zu gewähren." Der Besucher betritt die Schau durch eine Art begehbaren Vorspann und durchwandert dann sieben Kammern, in denen das Schaffen von Bond auf multimediale Weise präsentiert wird. Ein besonderes Augenmerk gilt der Entstehung des Films "Spectre", der unter anderem in Sölden, Obertilliach und am Hallstätter See gedreht wurde. Aber auch alle anderen Bond-Filme und sämtliche Hauptdarsteller kommen vor. Sehr spaßig ist das "Q-Lab", in dem man mit Bond-Autos und Waffen spielen kann, wenn auch nur virtuell. Die echten Geheimwaffen würde 007 schließlich nie aus der Hand geben.

Bond scheint die Berge zu lieben. 1969 war das Berner Oberland Schauplatz des 007-Films "Im Geheimdienst Ihrer Majestät", das Gipfelrestaurant auf dem Schilthorn (im Film: Piz Gloria) war der Hauptsitz des Oberschurken Stavro Blofeld (Telly Savalas). "Der Spion, der mich liebte" wurde 1977 unter anderem im Skigebiet von St. Moritz gedreht. 1982 lieferte sich Bond "In tödlicher Mission" eine wilde Verfolgungsjagd mit Skiern und Motorschlitten durch die Dolomiten bei Cortina d'Ampezzo. Und in "Die Welt ist nicht genug" (1999) schweben Bösewichte auf Motorschlitten an Gleitschirmen vom Himmel und jagen Pierce Brosnan über die Pisten von Chamonix. Dass die Alpen immer wieder Schauplatz von 007-Abenteuern sind, ist übrigens nicht nur umtriebigen Destinations-Vermarktern zu verdanken, es liegt auch am Bond-Erfinder selbst. Autor Ian Fleming lebte in den 1920er-Jahren in Kitzbühel, wo er eine Privatschule besuchte und Skifahren lernte.

Vom Image als 007-Filmkulisse profitieren die meisten Drehorte bis heute, auch in Sölden baut man auf den hohen Bekanntheitsgrad der Marke James Bond. Mit Hilfe des Agenten könnte insbesondere die Flaute in der skifreien Zeit im Sommer beseitigt werden. "Wir machen das nicht, weil wir bauwütig sind, sondern weil wir eine nachhaltige Entwicklung wollen", verteidigt Falkner das Projekt. Er erwartet 120 000 Bond-Fans jährlich in seiner alpinen Erlebniswelt. Für seine Bergbahnen wäre das ein Geldregen. Denn schließlich kostet die Berg-und-Talfahrt 37 Euro, dazu kommt das Eintrittsticket für 22 Euro. Für einen Familienausflug auf den James-Bond-Kogel kommt da ein recht happiger Betrag zusammen, die Häppchen im Ice Q noch gar nicht mitgerechnet.

Cool ist die Erlebniswelt bestimmt, aber auch sehr kühl. Das Gebäude wurde komplett in Permafrostfelsen hineingebaut, es gibt keine Heizung. Man sollte sich an den Filmtitel "Stirb an einem anderen Tag" halten - und eine Daunenjacke mitnehmen.

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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Quelle:
SZ vom 14.06.2018/ihe
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