ITB: Werben der Krisenländer:Der schöne Sonnenschein

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Neidisch blickt man vom Libyenstand also auf Deutschland, das reiche Dubai, aber auch den Nachbarn Ägypten. Der hat das Gröbste schon hinter sich und lockt ins "Happy life Resort" nach Dahab etwa. Auch für die Hauptstadt Kairo, in der vor ein paar Wochen noch Steine flogen und aus der Tausende Ausländer geflohen sind, hat man Schnell-Slogans ersonnen wie "Tahrir - Ein Platz rockt die Welt!" Und: "Auch friedliche Revolutionen sind möglich". Auf den Plakaten sieht man die Pyramiden von Gizeh, die verhungerten Kamele und Esel (die verhungern, weil Touristen und Futter ausbleiben) sieht man natürlich nicht.

Combination photo shows advertising campaign posters for tourism in Egypt referring to political uprising in the country at ITB in Berlin

"Tahrir - ein Platz rockt die Welt". Etwas verzweifelt wirkt die aktuelle Werbekampagne für das Reiseland Ägypten.

(Foto: Reuters)

Mounir Fakhry Abdel Nour ist erst zwei Wochen im Amt und schwärmt davon, dass er sich "keinen besseren Job vorstellen" könne. Er ist Ägyptens neuer Tourismusminister, der alte, man hat es geahnt, war wegen Vetternwirtschaft gefeuert worden. Nour will auf der ITB die Menschen nach Ägypten locken mit dem auf der Hand liegenden Argument, dass die Sonne am Nil "so großzügig" sei. Ein bisschen kreativer ist da der Tourismusattaché des ägyptischen Generalkonsulats. Tamer Marzouk zaubert ein unschlagbares Argument für eine Reise zu den Karnak-Tempeln bei Luxor aus dem Hut, und zwar dieses: "Üblicherweise kommen jeden Tag 10000 Touristen und schauen sich die Tempelanlagen an. Wenn Sie jetzt kommen, werden Sie der einzige Mensch dort sein!"

Tunesien, wo die Revolution ihren Anfang nahm in Dezember und der korrupte Staatschef ziemlich schnell und ziemlich Hals über Kopf Reißaus nahm, kann schon wieder Senioren anlocken für Überwinterferien und lädt zum Golfspielen auf Djerba ein.

Libyen hat das Golfspiel in gewisser Hinsicht noch vor sich. Es wäre schon froh, wenn überhaupt jemand käme. Ali Saidi sagt, die Medien seien schuld an dem Bild, das die Welt jetzt gerade von Libyen habe. "Glauben Sie mir, ich bin ein Wüstenfuchs, ich weiß: Die Lage ist ruhig!" Geglaubt hat ihm das jetzt eine Handvoll Slowenen. Er habe gerade gestern, "ganz zufällig", eine Reisegruppe von 20 Slowenen für eine Safari in der libyschen Wüste gewinnen können. 20 Touristen aus Slowenien werden also im kommenden Monat nach Libyen reisen, für Ali Saidi ist das schon eine so gute Nachricht wert, dass er ein Lächeln aufsetzt. Eben gerade war er noch ein bisschen verstimmt, weil er erfahren musste, dass Air Afrique, die einzige Fluglinie, die Libyen noch angeflogen hat, ihren Betrieb kommende Woche einstellen wird. Saidi wird jetzt am Montag mit Air Berlin nach Tunesien fliegen, also nach Djerba, und von dort aus mit dem Auto nach Tripolis fahren.

Da ist er wieder, der Nachbar Tunesien, der Konkurrent, der den Revolutionsdurst in Nordafrika entfacht hat. Jetzt muss Ali Saidi aber mal was sagen: "Wissen Sie was? Wenn Sie in Tunesien oder in Ägypten auf einen Markt gehen, handeln die Verkäufer mit ihnen und lassen Sie nicht mehr los, bis Sie etwas verkauft haben. In Libyen respektieren wir die Touristen und es gibt nur einen Preis."

Dass die Frage nach Gaddafi kommt, das hat sich Ali Saidi schon gedacht. "Gaddafi. Hm...", sagt er. Ja, was soll man sagen, wenn man Jeeptouren verkaufen will und eine Nacht unterm Sternenhimmel in der libyschen Wüste? Man redet dann so: "Die Mehrheit der Libyer sind für Gaddafi. Wenn das nicht so wäre, warum war er dann 42 Jahre an der Macht?" Als man wissen möchte, wie das denn zusammenpasse, die Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Saidis Bericht über die Gaddafi-Fans, wird die Musik vom Ruanda-Stand wieder so laut, dass Ali Saidi die Frage nicht versteht. THORSTEN SCHMITZ

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