ITB: Werben der Krisenländer:Kommen Sie jetzt, Sie werden der Einzige sein!

Alles ruhig, kein Problem: Wie sich Libyen, Ägypten und Tunesien auf der Internationalen Tourismusmesse darstellen.

Thorsten Schmitz

Libysche Truppen bombardieren gerade die Stadt Ras Lanuf, als Ali Saidi seine rosafarbene Krawatte zurechtrückt und sagt: "In Libyen ist es ruhig." Er sagt das in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, schiebt Baklawa über den Tisch und gießt Ananassaft in einen Plastikbecher. Die Honignusskuchen hat er aus Tripolis mitgebracht, 15 Kilogramm, im Koffer versteckt. Überredungsproviant sozusagen für deutsche Reiseveranstalter wie Studiosus und Marco Polo, die alle Reisen nach Libyen storniert haben. Die Deutschen! "Machen sich selbst immer Angst", sagt Ali Saidi.

Er ist Geschäftsführer der libyschen Safari Tourism Services, einem Reiseunternehmen, das seinen Hauptsitz in der Haitistrasse in Tripolis hat. Saidi muss also von Berufs wegen von Ruhe sprechen, wo womöglich gerade gar keine Ruhe herrscht. Saidi sitzt in Halle 21 der Internationalen Tourismusbörse Berlin am Stand von Libyen, und in der Halle ist es gerade gar nicht ruhig. Musiker vom Stand neben dran trommeln und singen, sie werben für einen Urlaub in Ruanda.

Die ganze Welt ist in Berlin an diesem Wochenende zuhause auf der weltweit größten Tourismusbörse ITB, Menschenmassen schieben sich durch die schlecht gelüfteten Hallen, und wären da nicht die Informationsstände alle paar Meter, würde man sich in dem alptraumhaft labyrinthischen Messegelände für immer verlaufen. Den Messestand von Libyen allerdings, dessen Miete noch vor Beginn der Aufstände von Gaddafis Tourismusministerium bezahlt worden ist, kann man nicht übersehen.

Denn er ist leer.

Zehn Tische und 25 weiße Stühle, ein Sofa und nochmal zwanzig Barhocker gruppieren sich vor großflächigen Plakaten, auf denen das ruhige Libyen zu sehen ist, von dem Saidi spricht, also keine Menschen, die den Diktator loswerden wollen, sondern römische Ruinenstädte, hübsch fotografiert im Sonnenuntergang. Auf den Stühlen sitzen höchstens erschöpfte Fachmessebesucher, die ihr mitgebrachtes Reiseproviant verzehren, weil auf der Messe jedes belegte Brötchen unverschämte fünf Euro kostet.

Die Welt ist ungerecht, und nirgendwo sonst wird das deutlicher als unterm Funkturm in Berlin. Die Halle, in der Deutschland wirbt, ist ein einziger Wellnesstempel, man wird mit Wörtern geduscht, die einem zuflüstern, man solle "Ich -Zeit" nehmen, die Fluggesellschaft Emirates aus Dubai ist gleich mit einem ganzen Raumschiff in Halle 22 gelandet und lädt zum Probesitzen in einem First-Class-Abteil ihrer Flugzeugflotte.

Der schöne Sonnenschein

Neidisch blickt man vom Libyenstand also auf Deutschland, das reiche Dubai, aber auch den Nachbarn Ägypten. Der hat das Gröbste schon hinter sich und lockt ins "Happy life Resort" nach Dahab etwa. Auch für die Hauptstadt Kairo, in der vor ein paar Wochen noch Steine flogen und aus der Tausende Ausländer geflohen sind, hat man Schnell-Slogans ersonnen wie "Tahrir - Ein Platz rockt die Welt!" Und: "Auch friedliche Revolutionen sind möglich". Auf den Plakaten sieht man die Pyramiden von Gizeh, die verhungerten Kamele und Esel (die verhungern, weil Touristen und Futter ausbleiben) sieht man natürlich nicht.

Combination photo shows advertising campaign posters for tourism in Egypt referring to political uprising in the country at ITB in Berlin

"Tahrir - ein Platz rockt die Welt". Etwas verzweifelt wirkt die aktuelle Werbekampagne für das Reiseland Ägypten.

(Foto: Reuters)

Mounir Fakhry Abdel Nour ist erst zwei Wochen im Amt und schwärmt davon, dass er sich "keinen besseren Job vorstellen" könne. Er ist Ägyptens neuer Tourismusminister, der alte, man hat es geahnt, war wegen Vetternwirtschaft gefeuert worden. Nour will auf der ITB die Menschen nach Ägypten locken mit dem auf der Hand liegenden Argument, dass die Sonne am Nil "so großzügig" sei. Ein bisschen kreativer ist da der Tourismusattaché des ägyptischen Generalkonsulats. Tamer Marzouk zaubert ein unschlagbares Argument für eine Reise zu den Karnak-Tempeln bei Luxor aus dem Hut, und zwar dieses: "Üblicherweise kommen jeden Tag 10000 Touristen und schauen sich die Tempelanlagen an. Wenn Sie jetzt kommen, werden Sie der einzige Mensch dort sein!"

Tunesien, wo die Revolution ihren Anfang nahm in Dezember und der korrupte Staatschef ziemlich schnell und ziemlich Hals über Kopf Reißaus nahm, kann schon wieder Senioren anlocken für Überwinterferien und lädt zum Golfspielen auf Djerba ein.

Libyen hat das Golfspiel in gewisser Hinsicht noch vor sich. Es wäre schon froh, wenn überhaupt jemand käme. Ali Saidi sagt, die Medien seien schuld an dem Bild, das die Welt jetzt gerade von Libyen habe. "Glauben Sie mir, ich bin ein Wüstenfuchs, ich weiß: Die Lage ist ruhig!" Geglaubt hat ihm das jetzt eine Handvoll Slowenen. Er habe gerade gestern, "ganz zufällig", eine Reisegruppe von 20 Slowenen für eine Safari in der libyschen Wüste gewinnen können. 20 Touristen aus Slowenien werden also im kommenden Monat nach Libyen reisen, für Ali Saidi ist das schon eine so gute Nachricht wert, dass er ein Lächeln aufsetzt. Eben gerade war er noch ein bisschen verstimmt, weil er erfahren musste, dass Air Afrique, die einzige Fluglinie, die Libyen noch angeflogen hat, ihren Betrieb kommende Woche einstellen wird. Saidi wird jetzt am Montag mit Air Berlin nach Tunesien fliegen, also nach Djerba, und von dort aus mit dem Auto nach Tripolis fahren.

Da ist er wieder, der Nachbar Tunesien, der Konkurrent, der den Revolutionsdurst in Nordafrika entfacht hat. Jetzt muss Ali Saidi aber mal was sagen: "Wissen Sie was? Wenn Sie in Tunesien oder in Ägypten auf einen Markt gehen, handeln die Verkäufer mit ihnen und lassen Sie nicht mehr los, bis Sie etwas verkauft haben. In Libyen respektieren wir die Touristen und es gibt nur einen Preis."

Dass die Frage nach Gaddafi kommt, das hat sich Ali Saidi schon gedacht. "Gaddafi. Hm...", sagt er. Ja, was soll man sagen, wenn man Jeeptouren verkaufen will und eine Nacht unterm Sternenhimmel in der libyschen Wüste? Man redet dann so: "Die Mehrheit der Libyer sind für Gaddafi. Wenn das nicht so wäre, warum war er dann 42 Jahre an der Macht?" Als man wissen möchte, wie das denn zusammenpasse, die Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Saidis Bericht über die Gaddafi-Fans, wird die Musik vom Ruanda-Stand wieder so laut, dass Ali Saidi die Frage nicht versteht. THORSTEN SCHMITZ

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