
Polen ist unser größter östlicher Nachbar - und jedes Jahr reisen 4,5 Millionen Deutsche dorthin. Rund jeder dritte Tourist kommt aus Deutschland. Aber dennoch sind viele Teile des Landes weitgehend unbekannt.

Deutsche Touristen konzentrieren sich vor allem auf die Ostseeküste, die Masuren (im Bild) ...

... und Städte wie Warschau (im Bild), Breslau (Wroclaw), Krakau (Kraków) und Posen (Poznan). "Es gibt sicher keinen Landstrich, wo noch kein deutscher Tourist gewesen ist", sagt Jan Wawrzyniak, der Direktor des Polnischen Fremdenverkehrsamtes. "Aber es gibt noch viele unentdeckte Landstriche." Viele dieser Regionen haben sich bei der Reisemesse ITB in Berlin vorgestellt, deren Partnerland Polen in diesem Jahr erstmals ist.

Für die meisten Deutschen ist Mallorca vertrauter als Masowien, die Region rund um Warschau.

Touristen sind bequem. Sie besuchen das, was sie schon kennen und was leicht erreichbar ist. Davon profitieren die Regionen nahe der Grenze: Der Landkreis Jelenia Góra zum Beispiel mit seiner gleichnamigen Kreisstadt, die von Görlitz in Sachsen nur gut 60 Kilometer entfernt ist. Die Mehrzahl der Touristen, rund 60 Prozent, kommen aus Deutschland, sagt Landrat Jacek Wlodyga.

Längst haben auch jüngere Gäste die Region im Riesengebirge entdeckt, zum Snowboarden zum Beispiel oder zum Downhill-Fahren im Sommer. Outdoor-Urlaub ist überhaupt ein Thema, mit dem Polen immer mehr punktet: Jelenia Góra nicht zuletzt mit dem Bike-Marathon auf die Schneekoppe. Die Region hat aber auch viele Sehenswürdigkeiten: "Die Dichte an Schlössern ist bei uns so groß wie an der Loire", betont Wlodyga. In manche Region kommen aber nur selten ausländische Touristen. "Alles, was hinter Warschau liegt, ist kaum bekannt", hat Magdalena Korzeniowska beobachtet. Dabei gibt es dort viel zu sehen. Wintersport in der Hohen Tatra

"Lublin zum Beispiel ist noch unentdeckt", sagt die Sprecherin des Fremdenverkehrsamtes. Die Stadt, die vor dem Zweiten Weltkrieg als "jüdisches Oxford" galt, hatte die größte jüdische Gemeinde Polens und war berühmt für ihre gelehrten Rabbiner. Schon in der frühen Neuzeit war sie ein multikultureller Handelsplatz. Und auch heute noch ist die ostpolnische Metropole eine Reise wert.

Lubelskie heißt die Region um sie herum, die zugleich eine der 16 Woiwodschaften Polens ist. In ihr liegt zum Beispiel die Stadt Zamosc, die zum Weltkulturerbe der Unesco gehört. Ein Stück weiter südlich und noch näher ... Synagoge in Zamosc

... an der Grenze zur Ukraine liegt die Woiwodschaft Podkarpackie - die Vorkarpaten, die nun endgültig nicht mehr gefährdet sind, vom Massentourismus bedroht zu werden. In den Wäldern ist die Chance, auf Luchse, Wölfe oder Bären zu treffen, genauso gut wie die für eine Begegnung mit deutschen Urlaubern. "Podkarpackie ist allerdings auch nicht einfach zu erreichen", räumt Magdalena Korzeniowska ein. "Man muss nach Warschau oder Rzeszów fliegen und von da aus weiterfahren."

Rzeszów, die Hauptstadt der Woiwodschaft, gilt mit seinem barocken Palais der Adelsfamilie Lubomirski, seinen Cafés rund um den Marktplatz, seinen Kirchen und zwei Synagogen als eine der unentdeckten polnischen Großstädte.

Auch Podlaskie dürfte eine Region sein, von der viele Deutsche zu Unrecht noch nicht gehört haben. Sie liegt im Nordosten des Landes, direkt an der Grenze zu Weißrussland. "Wir sind zusammen mit Masuren die grüne Lunge Polens", sagt Bozena Pogorzelska vom Marschallamt der Woiwodschaft. "Es gibt bei uns viele Seen, viel Grün, viel Natur."

Podlaskie gilt als Paradies für Ornithologen: Rund 300 Vogelarten brüten dort im Frühjahr.

Es gibt gleich vier Nationalparks - darunter den "letzten Urwald Europas", der zum Weltnaturerbe der Unesco gehört. Dort leben noch rund 470 Wisente in freier Wildbahn, außerdem Elche und Wölfe.

Die Provinz Swietokrzyskie (Heiligkreuzberge) ist für die meisten deutschen Urlauber ebenfalls noch zu entdecken: Sie liegt nördlich von Krakau. Sie hat immerhin einen Nationalpark zu bieten und Städte wie Samomierz, den "Garten Polens" - wegen der vielen Obstplantagen so benannt. Kielce ist nicht nur die Hauptstadt der Woiwodschaft und Bischofssitz, sondern auch ein Ort mit ziemlich langer Geschichte: Unweit der Stadt liegt die "Paradieshöhle", in der schon in der Altsteinzeit Menschen lebten. Ruine im Kielcer Bergland

Das unbekannte Polen hat aber auch ganz andere Seiten, ziemlich schicke: "Polen ist auch ein Ziel für Luxusurlaub", sagt Magdalena Korzeniowska. An der Ostseeküste gibt es zum Beispiel solche Ziele. "Zoppot hat ein Sheraton, Danzig ein Hilton." Und viele Hotels haben auch in punkto Wellness viel zu bieten - in aller Regel auch noch zu günstigeren Preisen als an den Reisezielen, die den deutschen Touristen vertrauter sind. Artushof in Danzig

Und Jan Wawrzyniak wird nicht müde zu betonen, dass es unbekannte Seiten Polens gibt, an die viele Deutsche noch weniger denken als an die Urwälder im wilden Osten Polens: Warschau zum Beispiel habe längst den Anschluss gefunden an die internationale Szene, was Konzerte und Clubs angeht. Jugendliche, die in die polnische Hauptstadt kommen, interessieren sich oft weniger für die Kulturdenkmäler als für die Möglichkeiten, die Nacht durchzutanzen und sich von den DJs ordentlich eins auf die Ohren geben zu lassen.

Und da sei das Angebot inzwischen schon ausgesprochen üppig. Wer die Clubs im Berliner Szenebezirk Friedrichshain mittlerweile zu mainstreamig findet, hat in Warschau also eine Alternative, die nicht einmal weit weg ist. Livekonzert in Krakaus jüdischem Viertel Kaziermierz