Süddeutsche Zeitung

ITB Berlin:Wat kiekstn so, Fatzke?

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Die Berliner sollen pünktlich zum Start der Internationalen Tourismusbörse etwas freundlicher werden. Das ist der Stadt 200.000 Euro wert.

Martin Kotynek

Freundlich soll er sein, der Berliner, immer gut aufgelegt, stets einen Witz auf den Lippen und natürlich hilfsbereit zu den Touristen. So wünscht es sich zumindest die Stadtverwaltung - und startet eine große Erziehungskampagne.

In Videobotschaften in der U-Bahn und auf Postkarten lernen die gemeinhin für ihre etwas ruppige Art bekannten Berliner derzeit, dass man auf höfliche Anfragen von zahlungskräftigen Stadtbesuchern nicht mit der Gegenfrage "Samma, seh ick aus wie ne Infosäule?" antworten sollte und dass auch "Ham wa nich. Der Nächste!" nicht gerade von großer Menschenliebe zeugt.

Auch mit "Wat kiekstn so, Fatzke?" macht sich der Berliner bei neugierigen Touristen nicht sonderlich beliebt.

Vielmehr sollen sich die Berliner künftig ein Beispiel nehmen an den 150 Straßenfegern, 1000 Polizisten und 1400 S-Bahn-Mitarbeitern, die seit Dienstag mit einer roten Anstecknadel zur Arbeit gehen.

An dem Abzeichen - ein rotes Info-I mit einem Herz als I-Punkt - soll jeder erkennen: Diese Servicekraft ist nett. Sie lächelt mich an. Sie hilft mir, wenn ich Fragen habe. Und sie wünscht mir einen schönen Tag.

Damit diese neue Herzlichkeit auch auf den Rest der Einwohner der Hauptstadt abfärbt, lässt sich die Stadtverwaltung ihre Kampagne 200.000 Euro kosten. Sie soll die Berliner dazu motivieren, es den Polizisten und Busfahrern gleichzutun und - freiwillig, wie betont wird - ihre Freundlichkeit ebenfalls mit einem roten Anstecker zur Schau zu stellen.

Das Herzlichkeits-Gesamtpaket, das außerdem aus einem (laut Stadt) "tollen T-Shirt", aus "witzigen Aufklebern" und einem Flyer mit Freundlichkeits-Tipps besteht, soll den Einwohner zu einem höflichen und engagierten "Berliner mit Herz und Schnauze" machen, wie die Stadtverwaltung ihre Kampagne nennt.

"Mannmannmann, dit darf doch allet nich wahr sein", könnte sich der Berliner da denken und insgeheim den Marketing-Strategen im Roten Rathaus mit "Dit kannste gleichma wieda knicken" eine Absage erteilen.

Aus Sicht der Kampagne ist das aber auch in Ordnung. Unfreundlich denken darf der Berliner ja noch - solange er es bloß nicht ausspricht.

Schon gar nicht vor Touristen!

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SZ vom 11.3.2009 / kaeb
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