ITB Berlin:Spätes Glück für Frühbucher

Die Branche hofft, dass die Deutschen trotz Flaute verreisen, und verlängert Rabattaktionen - der Umsatz sinkt trotzdem.

Meite Thiede

Früher war ein deutscher Urlauber, der seinen Sommerurlaub im April buchte, aus Sicht der Reiseveranstalter ziemlich spät dran. Schließlich war es die Branche gewohnt, dass der erste große Ansturm auf ihre bunten Kataloge schon im Januar kam, und bis zum Februar hatte sie dann gewöhnlich schon 40 Prozent ihres Sommergeschäfts im Kasten.

Die Branche hofft, dass die Deutschen trotz Flaute verreisen, und verlängert Rabattaktionen - der Umsatz sinkt trotzdem, AP

2009 entscheiden sich viele Deutsche erst spät für einen Urlaub.

(Foto: Foto: AP)

Heutzutage lockt der Marktführer Tui seine Kunden mit einem "Frühbucherrabatt" von bis zu 35 Prozent, wenn er sich nur bitte bis Ende April entscheidet, eine Reise zu kaufen. Schon möglich, dass der Konzern die Frist noch einmal verlängert, falls die Deutschen weiterhin so buchungsfaul bleiben wie in den ersten Wochen des Jahres. Allerdings wäre dann wohl eine Umbenennung in "Spätbucherrabatt" angebracht.

Auswirkungen der Krise unklar

Über solche Scherze können die Manager der Reisebranche gar nicht lachen. Die Wirtschaftskrise wird auch an der Touristik nicht spurlos vorübergehen - wie heftig es sie trifft, ist aber im Moment noch nicht absehbar. Durchhalteparolen machen die Runde, und das Bild vom Deutschen, der auf seinen gepackten Koffern sitzt und nur noch abgeholt werden muss, wird immer wieder gerne gezeichnet.

Tatsache ist aber, dass die Deutschen sich zurückhalten. Wer nicht weiß, ob er morgen noch seinen Job hat, gibt erst mal keine vierstellige Summe für einen Trip in die Sonne aus. Und so liegt der gebuchte Umsatz bei Tui derzeit auch um elf Prozent unter dem Vorjahr; beim Branchenzweiten Thomas Cook, zu dem auch Neckermann gehört, beträgt das Minus 20 Prozent.

Angst um den Job

Auf der Branchenmesse ITB, die von diesen Mittwoch an bis Sonntag in Berlin stattfindet, wird von einer Krise auf den ersten Blick aber nichts zu spüren sein. "Ausgebucht mit Warteliste", meldete der Messeveranstalter: 11.000 Aussteller aus 180 Ländern haben sich in der Hauptstadt angemeldet. Es sind die Urlaubsgebiete, Hotels und Fluggesellschaften, die Städte, Freizeitparks und Museen, die in Berlin um die Gunst der Veranstalter und Reisebüros werben.

Tui, Thomas Cook, Alltours oder Rewe-Touristik, um nur die Größten zu nennen, sind schon seit Jahren nicht mehr mit einem eigenen Stand auf der ITB vertreten. Sie schicken stattdessen ihre Einkäufer nach Berlin.

Lesen Sie weiter, wie Veranstalter und Hoteliers der Krise trotzen wollen.

Spätes Glück für Frühbucher

Es gibt Studien, wonach die Reiseausgaben der Deutschen in diesem Jahr schrumpfen werden- nachdem sie 2008 gerade erst den Rekordwert von 61,5 Milliarden Euro erreicht hatten. Doch lieber halten sich die Reisemanager an diese Botschaft: 25 Millionen Deutsche planen immerhin noch einen Urlaub - im Moment jedenfalls.

Die jüngsten Zahlen der GfK-Marktforscher geben allerdings keinen Anlass für einen besonderen Optimismus. Wegen der trüben Konjunkturaussichten hielten sich derzeit vor allem Familien mit ihren Urlaubsplänen zurück, haben die Nürnberger festgestellt. Die Reisebüros haben demnach im Januar neun Prozent weniger Umsatz erzielt als im Vorjahresmonat.

Sparen am Zweiturlaub?

Wenn schon weniger ausgegeben wird, bleibt der Branche noch die spannende Frage, wohin das bisschen Geld denn dann fließt. Die Veranstalter hoffen, dass der große Sommerurlaub auch in der Krise stattfindet und die Deutschen eher am Zweit- und Dritturlaub, an der Kurzreise sparen. Einen Beleg dafür gibt es nicht. Ebenso könnte das Gegenteil der Fall sein.

Deutschland ist schon seit Jahren beliebtestes Urlaubsziel der Deutschen. Im Jahre 2007 zum Beispiel fanden 30 Prozent aller Urlaubsreisen im Inland statt. Deshalb hat sich die ITB diesmal kein Partnerland, sondern eine Partnerregion auserkoren: Das Ruhrgebiet bildet einen besonderen Schwerpunkt.

Branche hält sich für krisenerprobt

Auch wenn Marktführer Tui bereits laut über Kurzarbeit nachdenkt - diese Krise wird die Reisebranche nicht mit solcher Wucht treffen, wie es nach den Terroranschlägen 2001 der Fall gewesen war. Damals hatte es nach schweren Umsatzeinbrüchen fünf Jahre gedauert, bis das Niveau von 2001 wieder erreicht worden war.

Inzwischen sei die Branche - nach Seuchen, Hurrikanen und noch mehr Terroranschlägen - krisenerprobt und viel stabiler. Die Veranstalter sitzen nicht mehr auf so großen Hotel- und Flugzeug-Kapazitäten, sind mehr Händler als Besitzer, und können flexibler auf Schwankungen der Nachfrage reagieren.

Aber das Zittern um die Marge bleibt, denn die Sommersaison entscheidet über das Gesamtjahr: Im dritten Quartal entsteht fast der gesamte Gewinn. Bei Schnäppchenpreisen wird da nicht viel zusammenkommen, und im Moment sieht alles danach aus, als werde der Frühbucherrabatt nahtlos vom Spätbucherrabatt abgelöst.

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