ITB Berlin:Der Himmel über der Ruhr

Eine Region erfindet sich neu: Seit dem Rückzug der Montanindustrie will sich das Revier zum touristischen Ziel wandeln.

Stefan Weber

Meterhohe Palmen, Strelitzien und Bananenstauden - wer die Firmenzentrale des Reisekonzerns Alltours im Duisburger Innenhafen betritt, fühlt sich schon ein wenig wie im Urlaub.

Die Zeche Zollverein in Essen, dpa

Die Zeche Zollverein in Essen hat sich zum Eventstandort gemausert.

(Foto: Foto: dpa)

Vor gut acht Jahren hatte sich Firmengründer Willi Verhuven entschieden, den Unternehmenssitz von der niederrheinischen Kleinstadt Kleve ins Ruhrgebiet zu verlegen. Ein Reisekonzern mit Milliardenumsatz im Revier, das erschien manchem zunächst so unpassend wie ein Sterne-Restaurant im Bahnhof.

Verhuven hat aber mit viel Weitblick entschieden: Inzwischen ist der Duisburger Innenhafen ein kleines touristisches Juwel. Es gibt Rundfahrten auf dem Wasser, die Uferpromenade ist voll mit Kneipen und Restaurants, und schräg gegenüber der Alltours-Zentrale lädt ein mehrstöckiger Klinkerbau junge Besucher ins Spieleparadies Legoland.

Der Innenhafen ist ein Anziehungspunkt, nicht nur für Duisburger. Auch aus den umliegenden Städten zieht es die Menschen dorthin, wo früher Kohle umgeschlagen wurde und in riesigen Silos Zement, Kalksteinmehl und Futtermittel gelagert wurden.

Das Gelände steht somit für den Wandel des Ruhrgebiets zu einer Region, in der nicht nur vornehmlich gearbeitet wird, sondern die auch zur Erholung einlädt. In diesem Jahr ist das Revier Partnerregion der ITB. "Wir wollen das Ruhrgebiet fest in der ersten Liga der touristischen Ziele verankern", meint Axel Biermann, Geschäftsführer von Ruhrgebiet Tourismus in Oberhausen.

Überraschungen im Ruhrgebiet

Dabei setzen die Reiseexperten vor allem auf das nächste Jahr. Wenn die "Metropole Ruhr" 2010 Kulturhauptstadt Europas ist, hofft die Region auf vier Millionen Übernachtungsgäste. Hinzu kommen Biermann zufolge 1,5 Millionen Tagesbesucher und weitere 1,5 Millionen Gäste aus der Region.

Viele dieser insgesamt sieben Millionen Besucher werden zum ersten Mal im Revier sein. "Dabei werden sie feststellen, dass die Region ganz anders ist, als sie sich das vorgestellt haben", meint Biermann. Rauchende Schlote, ein rußverhangener Himmel - das war einmal.

Herbert Grönemeyer singt zwar immer noch - nunmehr seit mehr als 20 Jahren - in seiner Hymne auf die Heimatstadt Bochum: "Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt . . ." Aber er weiß auch: ". . . ist es besser, viel besser als man glaubt." Der einstige Kohlenpott hat sich gewandelt. Noch Ende der fünfziger Jahre gab der Bergbau 470.000 Menschen Arbeit. Aus 141 Zechen holten sie Steinkohle aus der Erde, meist aus Tiefen von mehr als 1000 Metern.

Stählerne Zeugen

Viele Fördertürme gibt es noch heute, aber sie sind nur noch stählerne Zeugen einer vergangenen Epoche, wie etwa die 1986 stillgelegte Zeche Zollverein in Essen, welche die Unesco zum Weltkulturerbe erklärt hat.

Längst haben Öl, Gas und Importkohle dem teuren heimischen Brennstoff den Rang abgelaufen. Derzeit sind im Bergbau noch 34.000 Kumpel beschäftigt. Mit der gesunkenen Bedeutung der Montanindustrie sind Ruß und Dreck verschwunden.

Tagesausflügler und Kurzurlauber

Die Verhältnisse sind so, wie sie sich Willy Brandt 1961 in einer Wahlkampfrede in Dortmund wünschte: "Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden." Das ist heute der Fall - zumindest bei entsprechender Wetterlage. Das macht den Weg für den Tourismus frei. Vor allem sind es Tagesausflügler und Kurzurlauber, die der Region immer häufiger einen Besuch abstatten.

Beispielsweise indem sie per Bus oder Bahn die Relikte der Zeit besichtigen, in denen Kohle und Stahl den Takt angaben. Wie den Landschaftspark in Duisburg, das Gasometer in Oberhausen oder die Zeche Zollverein - heute allesamt reizvolle Ausflugsziele.

Nur auf das Wetter haben die Tourismusmanager keinen Einfluss. Wer Sonnenschein haben möchte, muss eben bei Willi Verhuven oder anderswo eine Flugreise buchen.

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