Süddeutsche Zeitung

Reisebuch:Unterwegs mit der Gärtnerin

Der Autor Marco Maurer und der Fotograf Daniel Etter sind mit einem Fiat Cinquecento von Sizilien aus quer durch Italien gefahren. Es wurde eine gesellige Reise.

Von Stefan Fischer

Dieses Buch kommt zur rechten Zeit. Denn es bedient eine Sehnsucht, die viele Menschen derzeit schier zu zerreißen droht - nach den Geschichten und Gerüchen und dem Geschmack Italiens, nach dem Licht und dem Lebensgefühl des Südens. Und es ist eine Besinnung darauf, was wirklich wichtig ist und was man bislang vielleicht nur dafür gehalten hat.

Dabei gelingt dem Journalisten und Autor Marco Maurer in "Meine italienische Reise", die er gemeinsam mit dem Fotografen Daniel Etter unternommen hat, ein eleganter Dreh: So nostalgisch sein Unterfangen auch sein mag, klingt die Erzählung von dieser Reise nie wehmütig. Maurer jagt nicht den letzten Zipfeln einer im Grunde verlorenen Vergangenheit nach, er fährt vielmehr durch die Gegenwart, wenn auch mit einem sehr alten Auto.

Denn in Messina kauft Maurer sich einen Fiat Cinquecento, Jahrgang 1968, Modell Giardiniera - die Gärtnerin -, das zwanzig Zentimeter länger ist als die Standardversion und dadurch ein wenig mehr Ladefläche hat. Cabrio und Kombi zugleich, ein robustes Auto, mit dem die Italiener früher auch oft auf die Felder gefahren sind. 28 PS, der tennisballkleine Tacho endet bei 110, im Armaturenbrett gibt es vier Anzeigen: für Licht, Lichtmaschine, Benzin- und Ölstand. Ein altes italienisches Kennzeichen, weiße Buchstaben und Ziffern auf schwarzem Grund: ME 111948.

Immer gibt es jemanden, der die Reisenden weiterreicht

Ehe Maurer und Etter Sizilien verlassen, suchen sie die Familien der ersten zwei Besitzer auf. Beide wären heute älter als hundert Jahre, sie leben nicht mehr. Doch das Auto gehört zum Erinnerungsschatz ihrer Nachkommen. Und was mit Domenico De Pasquale begonnen hat, dem Tuchhändler aus Messina, von dem Marco Maurer den Wagen übernommen hat, nimmt hier endgültig Fahrt auf: Der alte Cinquecento, sein neuer Fahrer sowie der Beifahrer werden weitergereicht. Immer kennt jemand jemanden, der den Reisenden an ihrer nächsten Station weiterhelfen kann.

Es ist naturgemäß eine gemächliche Reise, sie führt Maurer und Etter zu Menschen, die fest verwurzelt sind auf ihrer Scholle: Olivenbauern in Kalabrien, Zitronenbauern an der Amalfiküste, Safranbauern in den Abruzzen. Zu Pizzabäckern in Neapel, einer Köchin in Rom, die sich aufs Frittieren von Artischocken versteht und zu Menschen in Ligurien, die wissen, wie man hervorragendes Pesto herstellt.

Diese italienische ist also vor allem auch eine kulinarische Reise, wobei Maurer stets an einer einfachen, bodenständigen Küche interessiert ist aus wenigen, aber hervorragenden Zutaten. Weshalb solle noch Salami auf eine Pizza, wenn schon Schinken darauf liege, sagt etwa einer der Pizzabäcker, der nichts davon hält, das Gericht zu überladen.

Weil es Maurer an die Tische der Menschen zieht, wird die Reise automatisch gesellig. Immer wieder fühlt er sich an seine Großmutter erinnert. Er schildert sie als Mittelpunkt der Familie, auch sie war eine hervorragende Köchin und Bäckerin, die nebenher ein kleines Café betrieben hat in ihrem Haus im Ries, der kreisrunden Senke zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alb. Gutes Essen, Gespräche, Gastfreundschaft und Gemütlichkeit: In diesen vermeintlich einfachen Dingen und speziell in der Passion für traditionelle Lebensmittel sehen die Gastgeber wie auch der Autor eine hohe Lebensqualität.

Da ist es nur folgerichtig, dass Marco Maurer davon ganz unprätentiös erzählt.

Marco Maurer: Meine italienische Reise oder wie ich mir in Sizilien einen uralten Cinquecento kaufte und einfach nach Hause fuhr. Prestel Verlag, München 2021. 240 Seiten, 26 Euro.

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