Italien:Kinder im Stall

Canale di Tenno, das mittelalterliche Dorf am Gardasee, hat Hirten, Hexen und die Heilige Familie.

Von Helmut Luther

Der Christkindlmarkt von Canale spielt sich weitgehend hinter meterdicken Steinmauern sowie unter Tonnengewölben in Kellern oder ehemaligen Ställen ab. Dort haben die Standbetreiber aus Brettern Theken errichtet und verkaufen selbst gebastelten Schmuck, getöpferte Krippenfiguren oder Spezialitäten wie Almkäse, eingelegte Steinpilze und Olivenpaste. Letztere verkauft sich besonders gut, ebenso wie kalt gepresstes Olivenöl. "Bei Testverkostungen gewinnen die hiesigen Olivenbauern sämtliche Preise weltweit", behauptet Erino Marocchi, Präsident des Organisationskomitees.

Canale di Tenno, das man sich von Riva am Gardasee aus in steilen Kurven erarbeiten muss, ist ein Bilderbuchdorf: ein Häusergewirr, verbunden durch abgewetzte Steintreppen, tunnelartige Durchgänge und mächtige Torbögen. Seit zwölf Jahren organisieren Marocchi und seine Mitstreiter hier einen Christkindlmarkt. Wer von den Standbetreibern nicht die eigenen Produkte anbiete, "ist im nächsten Jahr nicht mehr dabei", erklärt er die strengen Regeln. Ein Hirtenumzug an Heiligabend schafft zusätzlich Atmosphäre; am 26. Dezember, dem Stephanstag, treten die Hirten ein weiteres Mal als lebendige Krippe auf, ein junges Paar aus dem Dorf mit einem Neugeborenen spielt die Heilige Familie. Die Befana, nach altem Brauch eine gutmütige Hexe, wird am Dreikönigstag einen Strumpf voller Süßigkeiten verschenken. Damit die Touristen aber nicht so lange warten müssen, spaziert an den übrigen Wochenenden ein Einheimischer als Kaminkehrer verkleidet durch die Dorfgassen und verteilt wie Kohle aussehende Schokoladestücke, obwohl er eigentlich die Befana begleiten und nur die Guten beschenken sollte. Damit der Mann nicht Schlagseite vom vielen Glühwein bekommt, stärkt er sich zwischendurch mit Carne Salada: in Scheiben geschnittenem Pökelfleisch, dazu gibt es Fasoi, Bohneneintopf. Die Bewohner Canales behaupten, die bekannteste Spezialität der Region erfunden zu haben. Nachdem die Gäste genügend Marktstände abgeklappert und sie vielleicht noch eine Ausstellung mit schmiedeeisernen Krippenfiguren angesehen haben, versammeln sie sich meist im Gemeindehaus. Dort gibt es Essen, im Warmen. Was guttut nach den vielen unbeheizten Kellern, Ställen und Treppen. Profis erkennt man in Canale an ihrem robusten Schuhwerk.

Der Markt findet wieder am 12., 13., 19., 20., 24. und 26. Dez. statt, 9.30-18.30 Uhr.

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