Istanbul:Die Rückkehr der Engel

Verborgen unter Mauerwerk und einer Metallmaske legen Restaurateure in der Hagia Sophia in Istanbul Erstaunliches frei.

Kai Strittmatter

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Türkei Istanbul Hagia Sophia Mosaik, dpa

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Es passiert nicht alle Tage, dass den Menschen ein Engel erscheint. Im gleißenden Licht ein ernster und herausfordernder Blick. Geschöpf eines Staates, der 1123 Jahre und 18 Tage der größte der Christenheit war. Einer der Wächter der Hagia Sophia, der Kirche der Heiligen Weisheit, des Herzens von Byzanz, der einst prächtigsten Kirche des Christentums. Als Kaiser Justinian die Kirche am 27.Dezember 537 einweihte, da soll er ausgerufen haben: "Oh Salomon, ich habe dich übertroffen!"

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Eineinhalb Jahrtausende später stand da der türkische Kulturminister und war aufgeregt: "In meinem ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht erlebt", sagte Ertugrul Günay, "das ist ein historischer Tag. Für die Hagia Sophia, für die christliche Theologie, für die ganze Welt."

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Mitten in der Hagia Sophia steht ein riesiges Gerüst, seit drei Jahrzehnten schon, und fast jeder Tourist fragt sich, warum das da steht.

Am Wochenende gab es eine Antwort. In einer Höhe von 56 Metern schwebt die überirdisch scheinende Kuppel, von der man sich einst erzählte, sie sei direkt an den Himmel geknüpft.

Der Minister war hinaufgestiegen, dort, wo die Kuppel von Bogengewölben eingefasst wird und zeigte der Welt jenes Mosaik, das seine Restaurateure freigelegt hatten.

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Eines von vier Engelsgesichtern nur, die anderen drei sollen nun schrittweise in den kommenden Monaten ebenfalls ans Licht kommen.

Und wo hatten die Engel sich versteckt, all die Jahre? Am 28. Mai 1453 feierte das Volk von Byzanz, erfüllt von großer Furcht, seine letzte Messe in der Hagia Sophia. Am Tag darauf ritten die Osmanen in die Stadt. Ein neues Reich war geboren.

Sultan Mehmets erster Weg soll der zur Hagia Sophia gewesen sein, er ließ sie zur Moschee weihen.

Ihren Namen durfte sie behalten, sogar die meisten Mosaike - nur wurden die in den nächsten Jahrhunderten überdeckt und zugepflastert: Die Muslime glauben auch an Engel, aber das Bilderverbot in ihrer Religion erlaubt nicht die Darstellung der heiligen Wesen.

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Der Letzte, der die Engel sah, war der Tessiner Architekt Gaspare Fossati, den der Sultan 1847 bis 1849 mit der Restaurierung der Hagia Sophia beauftragt hatte: Er legte sie kurz frei - und musste sie nach Protesten der Imame gleich wieder versiegeln.

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Ein Jahrzehnt nach Gründung der Republik, im Jahre 1934, wurde die Hagia Sophia ein Museum. Nun haben Kuratoren und Bürokraten hier das Sagen. Sechs Schichten Putz und eine Metallmaske entfernten die Restaurateure über dem Engelsgesicht. Wann es entstand, ist noch ungewiss. Wohl nicht vor dem 9.Jahrhundert: Da wüteten in Byzanz die Ikonoklasten, die christlichen Bilderstürmer, die den Muslimen gleich jede bildliche Darstellung von Engeln oder Heiligen als Gotteslästerung bekämpften und vernichteten.

(SZ vom 28.7.2009)

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