Süddeutsche Zeitung

Israel:In der Wüste

Lesezeit: 3 min

Klagen haben Airbnb dazu gebracht, wieder Unterkünfte in jüdischen Siedlungen im Westjordanland anzubieten. Urlauber können leicht übersehen, wo sie sich da einmieten: Die Plattform verortet die Unterkünfte kaum.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Im vergangenen November hatte die Online-Übernachtungsbörse Airbnb noch angekündigt, keine Zimmer oder Häuser in den umstrittenen jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland mehr vermitteln zu wollen. Doch die Empörung in Israel war groß und laut, es wurde zum Boykott aufgerufen, in den USA drohten Klagen. Nun machte Airbnb einen Rückzieher: Seit April werden wieder Übernachtungen in jüdischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten angezeigt, die Entfernung der etwa 200 Angebote wurde gestoppt. Zur Belohnung verkündete Floridas Gouverneur Ron DeSantis nun auf Twitter: Airbnb steht nicht mehr auf der schwarzen Liste des US-Bundesstaats.

So laut war gegen die Ankündigung der Plattform protestiert worden, künftig keine Geschäfte mehr in Gebieten zu machen, "aus denen Menschen vertrieben worden sind". Die Rücknahme dieser Streichung hingegen wird still und leise zur Kenntnis genommen, am liebsten möchte man gar nicht mehr an das Thema rühren: Das israelische Tourismusministerium will offiziell nichts dazu sagen. Und ein Sprecher der Vermieter im Westjordanland hat keine Zeit, um am Telefon Einschätzungen dazu abzugeben. Die per Mail geschickten Fragen beantwortet er genauso wenig.

Urlauber übersehen leicht, wo sie sich da einmieten. Die Plattform gibt kaum Hinweise

Auch Malki, der in der Siedlung Kfar Adumim ein Appartement anbietet und sich nur mit seinem Vornamen vorstellt, will eigentlich nicht darüber sprechen. Nur so viel: Er sei über die zusätzliche Einnahmequelle froh. Er baut noch an seinem Haus, der Zugang ist nicht fertig. Im Gästebereich auf der einen Seite des Hauses ist alles neu. Malki zeigt zuerst das Appartement und stellt dann seine Frau und seine fünf Kinder vor. Selbst die Kleinsten tragen Kippa, seine Frau ist so gekleidet, wie es sich für eine strengreligiöse Jüdin gehört: mit Kopftuch, die Arme durch ein langärmeliges Shirt bedeckt und mit Strümpfen trotz der Hitze.

Malki selbst trägt keine Kippa. Er hatte aber gedrängt, dass man schon eine Stunde vor Sonnenuntergang da sein müsse, denn er halte den jüdischen Ruhetag, den Sabbat, ein. In dieser Zeit sei er auch nicht erreichbar, das Telefon werde abgestellt. Zuvor will er den Gästen aber noch unbedingt die Landschaft zeigen. Die judäische Wüste breitet sich im milder werdenden Sonnenlicht aus. "Hier ist der schönste Blick", verweist er auf einen Aussichtspunkt gleich gegenüber seinem Haus.

Um nach Kfar Adumim zu kommen, fährt man die Bundesstraße Nummer 1 von Jerusalem Richtung Totes Meer. Gleich am Stadtrand muss man einen rund um die Uhr offenen Checkpoint passieren. Wer Richtung Westjordanland will, wird im Regelfall nicht kontrolliert, auf dem Weg zurück kann es aber zu Kontrollen kommen. Die Gegend wird immer mehr zur Wüste. Dann biegt man links ab und folgt dem Verlauf der Straße, die an einem Gatter endet. Ein Wachmann lässt nur in die Siedlung, wen er kennt oder wer jemanden besucht.

Das auf einem Hügel weithin sichtbare Kfar Adumim wurde 1979 von jüdischen Siedlern gegründet. Die Einwohnerzahl des Dorfes verdoppelte sich binnen zehn Jahren auf 5000. Kfar Adumim liegt neben einer der größten Siedlungen, Maale Adumim. Dazwischen befindet sich das Beduinendorf Khan al-Ahmar, das zwangsgeräumt werden soll - worüber in den vergangenen Monaten viel berichtet worden ist.

Wird Malki gefragt, warum er vor zwei Jahren hierhergezogen sei, antwortet er: Weil es jüdisches Land sei und die Gegend wunderschön - und man günstiger als in Jerusalem wohnen könne. Er verwendet die jüdische Bezeichnung Judäa und Samaria, spricht nicht vom Westjordanland, der international gebräuchlichen Bezeichnung für jenes Gebiet, das Kern eines palästinensischen Staates werden soll.

Dass hier günstigere Übernachtungen als im rund 20 Autominuten entfernten Jerusalem angeboten werden, ist auch für viele Touristen ausschlaggebend. Auf der Homepage von Airbnb findet sich zudem kaum ein Hinweis, dass Kfar Adumim oder eine der anderen der etwa 200 jüdischen Siedlungen im Westjordanland dort liegt und nicht in Israel, das man in die Suche eingegeben hatte. Eine dünne, gestrichelte Linie markiert zwar den Grenzverlauf zwischen Israel und den besetzten Gebieten, diese fällt aber kaum auf - besonders nicht, wenn man heranzoomt, um in und um Jerusalem nach einer billigeren Bleibe zu suchen. Einige Kunden kritisieren in ihren Bewertungen, dass es sonst keine Hinweise darauf gebe, dass die Unterkunft in einer der umstrittenen jüdischen Siedlungen im Westjordanland liege.

Airbnb versichert, dass es seine Gewinne aus diesen Vermietungen an humanitäre Hilfsorganisationen spende. "Wir verstehen die Komplexität des Problems, das in unserer vorherigen politischen Ankündigung angesprochen wurde, und wir werden weiterhin Einträge im gesamten Westjordanland zulassen, aber Airbnb wird aus dieser Aktivität in der Region keine Gewinne ziehen", hieß es in einer Erklärung. Schließlich befänden sich die Siedlungen "im Zentrum des Streits zwischen Israelis und Palästinensern".

Zu solchen politischen Fragen möchte sich Malki nicht äußern. "Ich will nur ein ruhiges Leben mit meiner Familie führen." Dazu sollen die Einnahmen aus der Airbnb-Vermietung beitragen.

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SZ vom 13.06.2019
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