Der Pool ist eigentlich ein Bach und der Hauptgrund, warum immer mehr Besucher Landmannalaugar besuchen. Heiße und kalte Quellen fließen hier zusammen und mischen sich zu einer angenehmen Badewannentemperatur. Die Einstiegsstelle ist leicht zu finden: 100 Meter in Badehose und Stiefeln durch den Schnee - bis zur Holzplattform, von der Stufen ins seichte Wasser führen. Kurzer Test mit dem großen Zeh: zu warm, um wahr zu sein. Mit wohligen Ohs und Ahs sinken wir ins Wasser. Über den Dampfschwaden glitzert ein phantastischer Sternenhimmel. Nur das Polarlicht ist nicht zu sehen, trotz bestem Willen und Whisky aus Plastikbechern.
"Ich bin lieber im Winter hier als im Sommer", sagt Maxime Poncet beim Abendessen an der langen Tafel. "Ist viel entspannter." Traditionell ist Urlaub in Island eine Sommerveranstaltung. Aber seit Kurzem kommen auch im Winter immer mehr Touristen. Sie buchen Busausflüge, Skitouren, Heli-Skiing und Polarlicht-Touren. "Island wird Opfer seines Erfolgs", sagt Poncet. "Im Sommer ist es jetzt schon zu voll, vor allem an den Orten, die im Reiseführer und in den Magazinen stehen." Der Laugavegur sei stellenweise schon fünf Meter breit ausgetrampelt. "Es gibt in Island kaum Regeln, wie man sich in der Natur verhält", erklärt Poncet. "Viele Wege sind nicht markiert, und die Leute gehen überall hin."
Vor drei Jahren noch war Poncet in den kälteren Monaten fast immer alleine in der Hütte, jetzt ist meist noch eine weitere Gruppe da. Diesmal sitzen junge Belgier am Nebentisch. Sie wollen in einer Woche auf Schneeschuhen den gesamten Laugavegur gehen. Gepäck und Vorräte ziehen sie auf Schlitten, 54 Kilometer weit. Dagegen fühlt sich unsere All-inclusive-Variante plötzlich mickrig an. Hákon hat das Gepäck hierher gefahren, und jeden Nachmittag kehren wir nach dem Skiausflug zur Landmannalaugar-Hütte zurück. Stern- statt Weitwandern. Den meisten ist auch diese Variante abenteuerlich genug.
Die Sonne schiebt sich gerade über die Bergspitzen, als wir am nächsten Morgen den Hang hinter der Hütte hinaufsteigen. Windhosen wirbeln über die weiße Ebene des Laugahraun-Lavafelds. Die Morgensonne zeichnet harte Schatten in den Faltenwurf der Hügel, dahinter stechen orange-braune Zacken aus den glitzernden Schneebergen. Poncet spurt in ein Tal hinein, das immer enger wird. Schwefeldampf steigt aus heißen Quellen auf, der Gestank fauler Eier kriecht in die Nase. Vondugil heißt dieser Ort, böse Schlucht.
Vor einem Bach schnallt Poncet die Ski ab und stakst über die bläulichen, orangefarbenen und gelben Steine. Sie seien Rhyolithe, erklärt er, so wie alle Felsen und Berge in der Gegend. Das Vulkangestein ist aus Lava entstanden, die schnell abgekühlt ist. Ähnlich wie der glänzende, schwarze Brocken, den Poncet herumreicht: Obsidian, Vulkanglas. Oder Rabenstein, wie die Isländer sagen.
In einer Spalte im Hang blubbert Wasser. "Hier seht ihr einen Geysir in der Entstehung", sagt Poncet. Das Wasser ist reich an Silikat, das sich beim Überschwappen um die Quelle ablagert. Langsam wächst so ein Schlot. "Wenn er zwölf bis 15 Meter hoch ist, wird es ein richtiger Geysir", erklärt Poncet. "Aber das wird hier noch Jahrhunderte dauern."
Als wir aus der Schlucht zurückgehen, pfeift ein eisiger Wind. Schnell sind die dicken Handschuhe aus dem Rucksack gefischt, Skibrille auf- und Kapuze übergezogen, dazu ein Tuch über Mund und Nase. Eisregen prasselt auf die Brille, Sturmböen schubsen von der Seite, dann brüllt der Blizzard. Mit dem Gleiten ist es vorbei, mühsam schieben wir uns voran. Blind geht es hinter dem Vordermann durchs weiße Chaos.
In der Hütte sitzen schon die Belgier und spielen Karten. Sie mussten umkehren, zu stark war der Sturm. Die nächsten eineinhalb Tage werden wir gemeinsam durchs Fenster das Inferno beobachten. Lesen, essen, dösen, warten. Wir werden zum Pool rennen, wenn der Sturm für eine Stunde nachlässt. Und wir werden sofort versöhnt sein, als am Morgen darauf wieder die Sonne hinter den Bergen aufgeht.
Poncet spurt über die Brücke hinaus in die Eiswüste, gewellt wie die Sahara, und durch einen Skulpturenpark aus schwarzem Fels. Die überirdische Schönheit entschädigt für alles. Und man ahnt, dass Polarexpeditionen süchtig machen können.
Anreise: Von Deutschland aus bieten mehrere Airlines Nonstop-Flüge nach Island an; zum Beispiel Wow Air ab etwa 230 Euro für Hin- und Rückflug von Berlin, Düsseldorf oder Stuttgart, www.wow-air.com. Vom Flughafen fährt Flybus Reisende bis zum Hotel, www.re.is/flybus. Teilnehmer einer Langlauftour werden dort abgeholt (siehe Reisearrangements).
Unterkunft: In der Landmannalaugar-Hütte können regulär 75 Besucher schlafen, zur Not auch mehr als 90. Vor allem für den Sommer sollte man Monate vorher beim Isländischen Wanderverein FÍ reservieren, Tel.: 00354/568 25 33, fi@fi.is. Eine Hüttenübernachtung kostet 7000 Isländische Kronen (rund 47 Euro), der Zeltplatz 1600 Kronen (rund 10 Euro).
Reisearrangements: Die sechstägige Langlauftour "Landmannalaugar im Winter" ist beim Veranstalter Icelandic Mountain Guides buchbar, www.mountainguides.is, Tel.: 00354/587 99 99, mountainguides@mountainguides.is. Inklusive Transport des Gepäcks, Übernachtungen im Schlafsaal und drei Mahlzeiten pro Tag kostet sie 195 000 Isländische Kronen (circa 1315 Euro).
Reisezeit: Die Langlauftour wird von Februar bis April angeboten. Von November bis Januar ist die Landmannalaugar-Hütte geschlossen, weil es für längere Ausflüge an Tageslicht mangelt; von Mitte April bis Mitte Juni ebenso, weil Schmelzwasser die Straße blockiert.