Interview:Zu wenig Personal

Interview: "Die Leute sind nicht bereit, am Wochenende zu arbeiten." Sepp Schellhorn, Hotelier und Politiker.

"Die Leute sind nicht bereit, am Wochenende zu arbeiten." Sepp Schellhorn, Hotelier und Politiker.

(Foto: privat)

Im Winter herrscht in den alpinen Urlaubsgebieten akuter Fachkräftemangel. Warum, erklärt der Hotelier und Politiker Sepp Schellhorn.

Interview von Hans Gasser

Bald beginnt die Wintersaison, die vielen Hoteliers im Alpenraum den größten Teil ihrer Einkünfte bringt. Gleichzeitig suchen die meisten noch händeringend nach Personal. Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem für die Branche. Der österreichische Unternehmer Sepp Schellhorn beschäftigt sich damit aus zwei Perspektiven: Als Hotelier und Skihüttenbetreiber, der 110 Mitarbeiter braucht, sowie als stellvertretender Parteiobmann der liberalen Neos, deren Tourismussprecher er ist.

SZ: Immer mehr Betten, größere Wellnessbereiche, aber nicht genügend Personal. Sind die Hoteliers zu gierig?

Sepp Schellhorn: Nein. Die Anforderungen der Gäste werden immer höher, nicht nur was Zimmer und Wellnessbereiche betrifft, auch beim Service. Wenn Gäste heute nicht innerhalb von drei Minuten ihren Cappuccino kriegen, hab ich sofort einen Tripadvisor-Eintrag. Dafür braucht es viel Personal, das wir nicht bekommen. In Skandinavien ist es anders, da gibt es fast nur noch Budget- oder Luxushotels. Wir aber haben Familienbetriebe, die vollen Service bieten wollen. Oft sind sie zu klein, um wirklich rentabel zu sein. 100 Betten wäre die ideale betriebswirtschaftliche Größe. Alles darunter ist wegen der hohen Arbeitskosten wenig rentabel.

Warum finden Hoteliers kaum Personal?

Wir schätzen, dass es in Hotellerie und Gastronomie einen Mangel von etwa 20 000 Fachkräften gibt. Ein Grund dafür ist sicher, dass wir uns von der Dienstleistungsgesellschaft immer mehr in Richtung Freizeitgesellschaft entwickeln. Immer weniger Menschen sind bereit zu arbeiten, wenn die anderen Freizeit haben, also abends oder am Wochenende. Der Partner hat frei, man hat Familie.

Liegt es nicht auch an den Hoteliers, die zu schlechte Arbeitsbedingungen bieten?

Wir haben ja keine Wahl. Wir können es nicht wie die Stadtgastronomie machen und am Wochenende zusperren. Denn zu uns kommen die Gäste am Wochenende. Und Acht-Stunden-Schichtbetrieb funktioniert in meinem Restaurant in Salzburg gut, aber nicht in einem Wintersporthotel, wo die Gäste untertags auf der Piste sind. Da ist mittags tote Hose, da brauche ich kaum Mitarbeiter. Am Arlberg, der vom Preisniveau relativ hoch ist, funktioniert das recht gut. Die können dort höhere Löhne zahlen. Und die oft jungen Mitarbeiter arbeiten morgens und abends, und untertags gehen sie Skifahren.

Lange Zeit kam das Personal in Österreich aus Ungarn und der Slowakei. Wird das weniger?

In den Jahren nach dem Mauerfall hatten wir viele Ostdeutsche, doch die arbeiten jetzt an der Ostsee oder in anderen Jobs. Bei Ungarn ist Österreich nach wie vor attraktiv, mehr und mehr kommen auch aus Rumänien und Bulgarien. Wir hoffen nun auf die Kroaten. Ab Mitte 2020 dürfen sie in Österreich ohne Einschränkungen arbeiten. Da es an der Adria nur die Sommersaison gibt, könnten wir im Winter viele kroatische Hotel-Fachkräfte beschäftigen.

Bezahlt die Hotellerie zu schlecht?

Nein, das ist eine Mär. Denn wo ein Mangel entsteht, gibt es automatisch höhere Preise, beziehungsweise höhere Löhne. Ein Küchenchef verdient bei mir 6000 Euro brutto. Ein Zahlkellner geht mit 2500 bis 2900 Euro nach Hause - plus 13. und 14. Gehalt, das gibt es ja meines Wissens in der deutschen Hotellerie nicht. Trotzdem sage ich immer: Das Personal kostet zu viel, verdient aber zu wenig. Denn die Lohnnebenkosten und Steuern sind einfach zu hoch.

Ist das Problem nicht auch, dass viele Hotels nur auf die Wintersaison ausgelegt sind?

Wenn man Ganzjahresstellen anbieten kann, wie ich das in meinem Hotel in Goldegg und dem Restaurant in Salzburg tue, dann ist es natürlich leichter, Personal zu finden. Idealerweise muss ein Hotel 365 Tage im Jahr geöffnet haben, denn die Mitarbeiter wollen eine feste Anstellung. Das geht nicht überall. Ich versuche es im Hotel mit Kulturveranstaltungen: Die Gäste müssen einen Sinn sehen, im November in ein bestimmtes Hotel zu fahren. In den Skirestaurants, die ich auch betreibe und die nur im Winter offen sind, ist es viel schwieriger mit dem Personal. Da brauche ich 62 Mitarbeiter, habe aber gerade erst 48.

Wie rekrutieren Sie Ihr Personal?

Ich versuche es mit dem Schneeballsystem. Wenn ein Mitarbeiter, den ich schon habe, einen Freund oder Verwandten als neuen Mitarbeiter bringt, bekommt er eine Prämie. Das bringt mehr, als Inserate zu schalten. "Headhunter light" sozusagen. Um Mitarbeiter zu halten, bieten wir Schulungen, Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten. Auch kleine Personalwohnungen sind ein Argument, aber in Österreich leider steuerlich sehr benachteiligt.

Die Zahl der Übernachtungen und auch der Tagestouristen steigt immer weiter. Wo ist die Grenze?

Mit 140 Millionen Übernachtungen bei acht Millionen Einwohnern haben wir eine sehr hohe Tourismusintensität. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es nur knapp 40 Millionen Übernachtungen. Wir sind Tourismusweltmeister, aber das allein ist ein schlechter Titel. Denn wenn wir zu wenig Mitarbeiter haben, verlieren wir unseren Nimbus als hervorragende Gastgeber und Dienstleister.

Salzburg oder das Zillertal platzen vor Gästen. Was kann man tun gegen zu viel Tourismus?

Wir haben in Österreich etwa 30 000 Gästebetten zu viel. Das sind Betriebe, die oft nur dahinvegetieren. Sie können nicht schließen, weil es ein Nachfolgeproblem gibt, oder weil der Wert der Immobilie so hoch ist, dass sie bei der Schließung wahnsinnig viel Steuer nachzahlen müssten. Da müsste die Politik gegensteuern. Beim Tagestourismus muss man die Gäste besser verteilen, sie lenken. Zum Beispiel nur ein bestimmtes Kontingent pro Tag zulassen. Man muss sich anmelden und kriegt dann einen Besuchszeitraum. Das wäre auch für Salzburg nötig. Auch hohe Gebühren und Kontingente für Reisebusse sind denkbar. Anders geht es nicht.

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