Internationale Küche:Reisen geht durch den Magen

Internationale Küche: Kühle Küche: Wie ist das möglich, dass man in der Arktis campt und trotzdem nicht nur Eintopf isst?

Kühle Küche: Wie ist das möglich, dass man in der Arktis campt und trotzdem nicht nur Eintopf isst?

(Foto: Monika Maier-Albang)

Ob heiße Burger bei 40 Grad minus in der Arktis, eine Überdosis französische Gans oder die groß angekündigte "frische Ziege" in Südäthiopien: Ein Land versteht man erst, wenn man seine Spezialitäten probiert.

Von SZ-Autoren Monika Maier-Albang, Stefan Fischer, Jochen Temsch, Marten Rolff

Burger in der Arktis

Acht Jahre habe er getüftelt, sagt Joe Hardenbrook, bis er die perfekte Musher-Kost gefunden hat. Hardenbrook lebt in Fairbanks, Alaska. Hier füllen die Menschen ihre Freizeit mit so eigentümlichen Beschäftigungen wie Axtwurf, Disc-Golf - oder eben Hundeschlittenrennen. Die Hunde, die bei 40 Grad minus quer durch Kanada und Alaska laufen, bekommen in dieser Zeit viel energiereichen Lachs. Den Mushern bereitet Hardenbrook Burritos zu. Die lassen sich während der Fahrt mit einer Hand essen. Oder sättigendes Oatmeal: Haferbrei, der hier gern zum Frühstück gegessen wird. Sein Oatmeal enthält, neben getrockneten Pfirsichen, einen ordentlichen Schuss Kokosöl.

Da die Speisen unterwegs ohnehin gefrieren, vakuumiert der Koch seine Gerichte, und er tut das so genial, dass der kandierte Speck und der satt belegte Burger schmecken wie frisch aus der Pfanne - obwohl man sie im Camp in der Arktis gerade aus dem Wasserbad gehoben hat. Die Grundlage der Hardenbrook'schen Küche ist: mehr Zucker, mehr Fett. Hunde wie Menschen verbrennen ja ordentlich Kalorien, wenn es kalt ist. Im Frühjahr allerdings wird die Musher-Kost gefährlich. Daheim sagt die Waage: Selbst 15 Grad minus sind für dieses Essen noch eindeutig zu warm.

Monika Maier-Albang

Ganze Gans

Halbe Sachen gibt es nicht bei Madame Descoubet. Wenn sie auf ihrer Gästefarm Gans serviert, wird die Gans gegessen. Ganz. Und es gibt eigentlich immer Gans hier in Saint-Mont, im Herzen der Gascogne. Das ist eine für Vegetarier eher schwierige Gegend. Die Mahlzeit in dem schlichten Bauernhaus beginnt mit Appetithappen; nicht wirklich der erste Gang, ein paar Dutzend Baguettescheiben nur als Gruß aus der Küche für das halbe Dutzend Gäste, dick bestrichen mit Gänseleber. Wer es gewohnt ist, abends zwei, drei Scheiben Brot mit grober Leberwurst zu essen, wäre jetzt eigentlich satt.

Aber zum einen sind da noch längst nicht genügend Weine der lokalen Kooperative Plaimont verkostet, zum anderen hieße, das Besteck bereits jetzt zu strecken, die Rechnung ohne Madame Descoubet zu machen. Sie bringt eine Wurstplatte mit Geflügelsalami, dann eine Salatschüssel, wo tatsächlich ein wenig Grünzeug hervorschaut unter Bergen von Gänsemägen. Als Hauptgang Gänsebrust und als Nachspeise eine Croustade, dieser Apfelkuchen wird mit Gänseschmalz herausgebacken. Eine Spezialität der Gascogne, sagt Madame Descoubet, seien gefüllte Gänsehälse. Die hat sie aber weggelassen bei diesem Menü. Schließlich sei sie gebeten worden, nur eine Kleinigkeit aufzutischen.

Stefan Fischer

Viel Vergorenes auf dem Balkan

Tieren hier hoch. Sie wohnen in einer Hütte mit unverfugten Steinmauern, der Boden aus festgestampfter Erde. Zwei Pferde, sieben Kühe, 120 Schafe - und es kommen immer mehr Touristen, seit es einen Wanderweg gibt, der Albanien mit Kosovo und Montenegro verbindet. Mutter Vatnikaj bekommen die Besucher nicht zu Gesicht, die Sitten des Landes verbieten es. Die beiden Söhne tragen auf, was sie auf dem winzigen Herd zubereitet hat: in grobe Stücke zerhackten Hammel, Säuerliches aus unbehandelter Schafsmilch, Polenta mit viel Butter. So landestypisch hätte es für die Wanderer dann doch nicht sein müssen. Verschämt kramen manche im Rucksack nach Keksen. Früher, sagt Manol, einer der Söhne, waren die Leute in Dobërdol so arm, dass sie Gras essen mussten.

Jochen Temsch

Mallorcas Glut

Ein paar letzte Geheimnisse hat Mallorca noch, etwa die uralten Steinöfen, in denen auch die Bauern auf den Olivenplantagen im Tal von Sóller manchmal noch ihr Essen zubereiten. Man befeuert sie am besten mit Olivenholz, das gibt die beste Glut. Bereits um fünf Uhr früh ist Antonio aufgestiegen in seinen Olivar, 200 Meter über dem Tal - den Ofen anheizen. Nach zwei Stunden kommt das Lamm hinein, ein ganzes.

Den Vormittag über wird es hier leise köcheln, und wenn die Gäste sich in der Hütte versammelt haben, wird das Fleisch so zart sein, dass es vom Knochen fällt. Rosmarin , Thymian, Tomaten, Olivenöl, Knoblauch und Wein, das alles hat sich miteinander zu diesem einzigartigen Aroma verbunden, wie man es zu Hause auch mit Rezept nicht hinkriegte. "Fantastisch. Was ist da alles drin?", rufen die Gäste. "Es ist einfach so, wie wir es immer gemacht haben", sagt Antonio.

Marten Rolff

Bock auf Ziege

"Heute Abend gibt es frische Ziege vom Markt", sagt der Fahrer in Südäthiopien. Das erhöht sofort den Speichelfluss, weniger wegen des Hungers, sondern weil man als weit gereister Afrikaversteher ganz viel Appetit hat auf fremde Kulturen. Und die Ziege ist so etwas wie das fleischgewordene Sinnbild der afrikanischen Savanne. Es ist zwar kein Metzger weit und breit zu sehen, aber der Fahrer wird schon wissen. Ah, da ist er ja - er zieht einen störrischen Bock am Horn hinter sich her und sagt: "Hilf' mir doch mal, das Tier auf das Dach zu heben." Okay, klar. "Jetzt hinlegen und festbinden."

Der Tiertransport zum Campingplatz führt zwei Stunden über Schotter; bei jedem der kraterähnlichen Schlaglöcher gibt es am Dach erst einen dumpfen Schlag, gefolgt von einem kläglichen Meckern. Als dann am Abend die Ziegenschenkel überm Lagerfeuer rösten, dass selbst der alte Hemingway neidisch geworden wäre, da ist einem der Appetit irgendwie vergangen.

Dominik Prantl

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