In der Lausitz:Blühende Wasserlandschaften

Wasser marsch! In der Lausitz entsteht aus Braunkohlegruben ein Seengebiet, das seine Geschichte nicht verleugnet.

Hans Gasser

Als der Bundespräsident zur Besichtigung kam, da war seine erste Assoziation: Castel del Monte. Wie die mittelalterliche Festung in Süditalien erschienen ihm die sechs Backsteintürme in der Lausitz, die früher einmal zur Klärung der Kokerei-Abwasser dienten und nun als "Biotürme" Industriedenkmal, Konzert- und Theaterort sowie Aussichtspunkt sind.

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(Foto: SZ-Grafik: Michael Mainka)

Bevor es so weit kam, fanden die Einheimischen, weit bodenständiger als der Bundespräsident: "Hier hat's immer so gestunken." "Wir mussten da immer wieder aufs Neue kämpfen, damit der Schalter umgelegt wurde", sagt Rolf Kuhn. Er ist Chef der Internationalen Bauausstellung "Fürst Pückler Land" (IBA).

Diese transformiert seit dem Jahr 2000 und noch bis 2010 die ehemalige Braunkohleregion der Lausitz in ein Seengebiet, das für Menschen, speziell für die urlaubende Sorte, wieder attraktiv sein soll. Ein Kernstück ist die Flutung der Braunkohlegruben mit Wasser, auf dass bis zum Jahr 2015 zehn größere, durch Kanäle verbundene Seen entstehen mit einer Gesamtfläche von 7000 Hektar.

Insgesamt wird das Seengebiet, das zum Teil in Brandenburg und zum Teil in Sachsen liegt und von der staatlichen Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft saniert wird, einmal 14.000 Hektar haben, das ist etwas mehr als Starnberger See und Chiemsee zusammen.

In der Lausitz ist die Krise nicht nur ein Wort

Man ist hier in einer Region, in der Krise nicht nur ein Wort ist, das seit ein paar Monaten unentwegt aus Radio und Fernseher tönt. Nein, hier ist die Krise auch richtig zu spüren. Hier hat man die Landschaft bis in die 1990er Jahre mit riesigen Schaufelradbaggern umgewühlt, sodass es aussah wie auf einem anderen Planeten. Seit die Braunkohle erschöpft ist, wurden viele Menschen arbeitslos, es gab und gibt eine Abwanderung vor allem junger Menschen, weil sie hier keine Zukunft sehen.

Ziel der ersten Phase des Strukturwandels musste es sein, das negative Bild aus den Köpfen zu bringen, vor allem aus denen der Einheimischen, sagt IBA-Geschäftsführer und Landschaftsarchitekt Rolf Kuhn. "Das ist uns weitgehend gelungen. Die Leute spüren, dass sie eine Chance haben und wieder stolz sein können auf etwas." 25 Projekte hat er mit seinen 15 Mitarbeitern angeschoben, geschätzte 20 Millionen Euro wurden investiert.

Bergbaurelikte als Attraktionen

Dazu zählt auch die Bewahrung und touristische Weiterverwendung von Bergbaurelikten wie etwa der Abraumförderbrücke F60 bei Lichterfelde, ein 500 Meter langes und bis zu 78 Meter hohes Ungetüm aus Stahl. Zunächst konnte sich niemand vorstellen, dass sich Touristen für so etwas interessieren.

Mit langem Atem gelang es den Leuten von der IBA, die Menschen zu überzeugen, es wurde ein Erfolgsprojekt daraus. 70000zahlende Besucher kamen im vergangenen Jahr, um sich von ehemaligen Kumpels durch die Konstruktion führen zu lassen, unter anderem auch nachts, denn ein Künstler hat aus der Maschine eine Licht- und Klanginstallation gemacht. Alleinstellungsmerkmal - so nennen die Touristiker so etwas.

Lesen Sie weiter, welche weiteren Schwerpunkt das Tourismuskonzept hat.

Blühende Wasserlandschaften

Und davon soll es noch viele andere geben, hier in der Lausitz, wenn es nach Marcus Heberle geht. Als Vorsitzender der touristischen Gebietsgemeinschaft Lausitz will er den Tourismus im entstehenden Seenland fördern, die Anbieter unterstützen und die Ausbildung von Jugendlichen für die Gastronomie voranbringen.

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(Foto: SZ-Grafik: Michael Mainka)

Dass man die Bergbauvergangenheit nicht einfach verleugnen dürfe und es ein Pfund ist, mit dem man wuchern kann, das habe sich in den Köpfen der Menschen mittlerweile festgesetzt, sagt Heberle. Dennoch würde er sich wünschen, dass mancher Hotelier auf seiner Internetseite statt mit dem 50 Kilometer entfernten Spreewald zum Beispiel mit dem neuen Rad- und Skatingwegenetz entlang der sich füllenden Seen werben würde.

Jeder See bekommt eine eigene Charakteristik

Wenn er an die Zukunft denkt, dann sieht er eine Wasserstraße aus zehn miteinander verbundenen Seen, von denen jeder eine ganz eigene Charakteristik haben soll. Weil das anderswo nicht möglich ist, wird etwa der Spreewalder See zu einem Jetboot-Revier gemacht, wo es internationale Rennen geben soll und Motorboote nach Lust und Laune ausgefahren werden können.

Generell soll Wassersport im Zentrum der Vermarktung des Seenlandes stehen. Die Gäste sollen aus dem Einzugsgebiet Dresden, Cottbus, Chemnitz kommen und vor allem auch aus dem nahen Tschechien.

Schwimmende Ferienhäuser

Weil es dort keine vergleichbaren Seen gebe, sagt Heberle, deute sich an, dass die Lausitz zum Wassersportrevier des westlichen Tschechien werde. Auf anderen Seen wird es ruhiger zugehen, auf dem Partwitzer See etwa, weil dort ganze Siedlungen mit schwimmenden Häusern errichtet werden sollen. Zwar gibt es bisher erst eines dort, das erfreut sich aber als Ferienhaus einer sehr hohen Auslastung.

Schwimmende Architektur ist ein Schwerpunktthema der IBA, man will die Lausitz zu einem "Kompetenzzentrum" dafür machen. So sollen etwa im Geierswalder See, der gerade vollgelaufen ist, von April an 15 auf Stahlpontons schwimmende Wohnhäuser errichtet werden, fünf davon sind für ein Hotel reserviert.

Auch am Partwitzer See gibt es Planungen, einen zehn Häuser umfassenden schwimmenden Ferienhauspark bis 2011 fertigzustellen. Eines der größten touristischen Vorhaben ist ein Golfresort am Sabrodter See, das in drei verschiedenen Hotels weit mehr als 1000Betten anbieten und einmal 300 Arbeitskräfte beschäftigen soll.

Nachholbedarf beim Personal

Bis es aber so weit ist, die Seen also richtige Seen sind und die Hotels nicht nur auf dem Papier stehen, muss Heberle ein zerschundenes Land im Wandel anpreisen, und vor allem muss er genügend qualifiziertes Gastronomie-Personal ausbilden. "Hier haben wir in der Tat Nachholbedarf", sagt er.

Für IBA-Chef Kuhn ist 2010 nur die erste Phase der Umstrukturierung abgeschlossen. Bis das Seenland als Ganzes wahrgenommen wird, sich verschiedene Formen des Tourismus herausbilden und man hier genügend Leute hat, "die spüren, dass Dienstleistung wichtig ist", werde es noch mindestens bis zum Jahr 2020 dauern.

Informationen

Auskünfte zu den Projekten der Internationalen Bauausstellung: www.iba-see.de; Wissenswertes zur touristischen Entwicklung der Region: www.lausitzerseenland.de; Interessante Industrierelikte: www.biotürme.de, www.f60.de

In der nächsten Geschichte beschäftigt sich ein Zukunftsforscher mit den Auswirkungen der Finanzkrise auf die Tourismusbranche.

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