Der Berg Cerro Rico ragt hoch über der Stadt Potosi in Bolivien auf.
(Foto: dpa-tmn)Dynamit und eine Flasche mit hochprozentigem Alkohol scheinen auf den ersten Blick nicht die passenden Gastgeschenke für eine Reise in die Berge Boliviens. Touristen, die einen Abstecher zu den Silberminen am Berg Cerro Rico bei Potosi planen, sollten diese ungewöhnlichen Mitbringsel aber nicht vergessen. Der Berg und seine Schätze machten Potosi, mit fast 4100 Metern über dem Meeresspiegel eine der höchstgelegenen Städte der Welt, zur wertvollsten Beute der spanischen Eroberer. Doch der Abbau verursachte unvorstellbares menschliches Leid.
"Acht Millionen Leute sind hier in den Minen gestorben", erzählt Reynaldo Ramirez Uzeda, ein 30-jähriger früherer Bergarbeiter, den Besuchern. Der Cerro Rico ragt über die heute verarmte Stadt. Eine bleibende Erinnerung an ihre finstere Vergangenheit. Seine Hänge sind mit Stollen und den Abfallprodukten von Hunderten Jahren Bergbau übersät.
Heute gibt es 11.000 Bergarbeiter, 1000 davon sind Kinder, manche nicht mehr als zwölf Jahre alt. Die Arbeitsbedingungen und die Abbaumethoden haben sich kaum verändert, seit im Jahr 1545 Silber im Cerro Rico entdeckt wurde. Die Bergarbeiter bauen jetzt andere Rohstoffe ab: Zinn, Kupfer, Zink und Blei. Der größte Teil der Silbervorräte war bereits Ende des 19. Jahrhunderts ausgebeutet.
Ehemalige Bergarbeiter führen heute Touristen durch die Tunnel, die sich kilometerlang unter dem Berg erstrecken. Die Besucher bringen Geschenke mit, die einen freundlichen Empfang bei den Bergarbeitern garantieren sollen. Dynamit und Alkohol sind am beliebtesten.
Einer der Führer ist Ramirez. Er arbeitete drei Jahre in den Minen. Sein Vater starb mit 44 Jahren an Alkoholvergiftung, nachdem er 20 Jahre im Cerro Rico gearbeitet hatte. "Meine Mutter hat ständig wegen seiner Trinkerei mit ihm gestritten", sagt Ramirez. "Er fand nach der täglichen Schufterei in der Mine Zuflucht im Alkohol." Ein älterer Bruder starb im Alter von 16 Jahren bei der Arbeit im Bergwerk. Er stützte in einen 30 Meter tiefen Schacht.
Diese Familiendramen sind aber nur ein kleiner Teil der großen Tragödie des Cerro Rico. Die meisten Bergarbeiter sterben immer noch 10 bis 15 Jahre vor dem nationalen Durchschnitt. Oft kommt es in den Minen zu Unfällen. Die häufigste Todesursache sind jedoch Lungenkrankheiten, die sich entwickeln, wenn die Bergarbeiter in den Minen giftigen Staub einatmen. "Am Anfang hatte ich Angst", sagt Don Mario. Der 35-jährige Vater von drei Kindern fing mit 20 an, im Bergbau zu arbeiten. "Aber man gewöhnt sich daran."