Imagekampagnen für Touristen:Ideen wie Bumerangs

Cook Islands

Paradies gesucht: Nur wenige Reiseziele müssen sich keine Gedanken um ihr Image machen.

(Foto: iStockphoto / Topher McGrillis)

Nur wenige Orte gehen einfach so als Paradies durch. Bei allen anderen muss das Image für Touristen sorgsam gepflegt werden - und dabei gehen Ideen oft nach hinten los. Tops und Flops aus der Welt der Reisekampagnen.

Von Irene Helmes

Man kann eine Stadt in Kentucky anpreisen wie ein stimmungsaufhellendes Medikament. Man kann Singapur mit dem vielleicht seltsamsten Hochzeitstag aller Zeiten bewerben - Stichwort "Oh honey, look!", dazu später mehr. Und manche Menschen haben es kürzlich für eine gute Idee gehalten, auf den Schwarzwald mittels der Silhouette einer nackten Frau und der Ankündigung "großer Berge, feuchter Täler & jeder Menge Wald" aufmerksam zu machen:

Wie kommt es zu solchen Aktionen? Ein Ort ohne Eigenschaften wird als Reiseziel floppen. Mit Slogans, Plakaten und Videoclips versuchen deshalb Länder, Regionen und Städte, ihr Image aufzupolieren oder überhaupt erst zu prägen. Sie liefern sich ein wildes Gerangel darum, von Reisenden auserwählt zu werden - als der Platz, von dem diese glauben, dort würden ihre Wünsche wahr. Doch was kann ein Ort guten Gewissens versprechen? Mit welchen Klischees lässt sich spielen, welche sind allzu mühsam loszuwerden, und welche Ideen sausen ihren Urhebern schnell wie Bumerangs um die Ohren? Ein Blick auf einige vielsagende Erfolge und Misserfolge.

Wozu denn ernst bleiben

Manchmal passt es einfach. Zum Beispiel, was sich 2013 eine rumänische Zeitung einfallen ließ. Als bekannt wurde, dass eine britische Kampagne mit dem Motto "You won't like it here" rumänische Einwanderer abschrecken sollte, lautete die prompte Antwort: Vielleicht mögen wir Großbritannien nicht, aber ihr werdet Rumänien lieben - "Why don't you come over?". Diese Einladung an britische Touristen transportierte in Form von Plakaten etwas sehr Seltenes - nämlich charmante kleine Gemeinheiten gegen die potenziellen Gäste, Selbstbewusstsein und Selbstironie zugleich.

Gandul Why don't you come over Kampagne Rumänien

Ein Motiv aus der Reihe "Why don't you come over?".

(Foto: Gandul.info/ Screenshot SZ.de)

Für den gelungenen Mix gab es 2013 den Eurobest-Award für ausgezeichnete Werbung, die Idee wurde weltweit in sozialen Netzwerken geteilt.

Bereits 2009 ließ das Magazin Forbes Experten ihre Lieblingskampagne wählen: Auf Platz 1 schaffte es mit "What happens here stays here" der offizielle Slogan von Las Vegas, der mittlerweile in den Alltagswortschatz nicht nur der Amerikaner übergegangen ist. Das Credo "Was in Vegas passiert, bleibt auch in Vegas", begeistert weltweit besonders partyfreudige Männer, ob im Kinoerfolg "Hangover" oder auf der Website der Casinostadt, wo mittlerweile fast 100 000 Gäste einen virtuellen Eid auf den Spruch abgelegt haben. Ein Traumziel für folgenlose Eskapaden - ein bewusst unseriöses Image, das funktioniert.

Gut gemeint, nicht unbedingt gut

So locker gewinnen längst nicht alle Orte Fans. Immer wieder werden im Netz Negativ-Listen von Orten zusammengestellt, die ganz besonders witzig oder anrührend zu werben versuchen.

Dabei gerne genannt: "Oh honey, look!", der bereits erwähnte Hochzeitstag in Singapur. Ein Superflop in der jüngeren Geschichte der Länder-PR. Wie ein Pärchen für die Kamera durch die Metropole stakst, über Sehenswürdigkeiten frohlockt und sich verkrampft Geschenke überreicht (zur Krönung gibt es einen positiven Schwangerschaftstest), wurde für das Tourismusamt von Singapur in diesem Frühling so peinlich, dass das Video wieder von den offiziellen Seiten verschwand. (Hier ist es aber noch zu bewundern.)

Die Klischee-Frage

Besonders heikel wird es, wenn Sexismus im Spiel ist. Während der erwähnte Schwarzwald bislang eigentlich nicht als übersexualisierte Region berüchtigt war, wandeln Länder wie Brasilien in diesem Zusammenhang seit langem auf einem schmalen Grat. Und Klischees sind hartnäckig, haben sie sich einmal im kollektiven Bewusstsein etabliert. Im Falle von Brasilien etwa ist der Versuch, nicht nur als Samba-Bühne voller exotischer Schönheiten wahrgenommen zu werden, äußerst mühsam. Eine Episode: Die Tourismusbehörde in Rio wehrte sich kürzlich gegen T-Shirts des Herstellers Adidas, die allzu eindeutig schienen.

Heidi-Idylle in der Schweiz, Aloha auf Hawaii oder Dolce Vita in Italien - viele Urlaubsziele haben lange gut mit Klischees gelebt und diese zu Geld gemacht. Doch Imagekampagnen berühren nichts weniger als Selbstverständnis und Identität der Einheimischen. Konflikte sind also programmiert. In Australien melden sich immer mehr Menschen zu Wort, die nicht nur für Kängurus und Outback bekannt sein wollen. Und in Italien schlugen 2009 viele die Hände über dem Kopf zusammen, als der damalige Regierungschef Silvio Berlusconi seine Tourismuskampagne "Magic Italy" vorstellte:

Logo Kampagne "Magic Italy"

Magisch? Diese Kampagne gefiel längst nicht allen Italienern.

(Foto: Screenshot SZ.de)

Von bodenloser "Scheußlichkeit", gar "Barbarei" schrieben italienische Blogs, die Initiative verschleudere Millionen, und das Land werde durch sie noch mehr als Fantasyland im Stil des Bling-Bling-Berlusconi-Fernsehens präsentiert. Mittlerweile sieht die Werbung für Bella Italia wieder etwas anders aus. Doch der Wettbewerb um die beste Selbstdarstellung treibt weiter weltweit seltsame Blüten. Wie an den folgenden Episoden deutlich wird.

Mehr als 1000 Worte

Wie beliebig hätten Sie's denn gerne?

Kurz und gut - wenn es so einfach wäre. Fast jedes Land der Welt hat inzwischen ein Tourismus-Logo. Dabei entstehen Bilder und Sprüche, die im besten Fall originell und einprägsam sind. Oder aber zwischen schräg und inhaltsleer rangieren.

Tourismus-Logos - Klein, manchmal oho

Verlockung in Miniatur: Logos und Slogans sind die knappste Form des Nation Branding. Weltweit versuchen Länder, sich in bestem Licht zu präsentieren. Eine Auswahl.

Eine hübsche Slogan-Kategorisierung von "wie direkt aus dem Google-Translator" bis zur völligen Beliebigkeit hat der Guardian hier getroffen.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Apropos Beliebigkeit: Worin ähneln die Philippinen Polen und der Schweiz? Zumindest in ihrem Geschmack für Tourismus-PR. Offizielle in Manila hatten während der Suche nach einer schönen neuen Kampagne wenig zu lachen. Nicht genug damit, dass sie 2010 ein Logo zurückziehen mussten, das vielen allzu sehr dem aktuellen polnischen Logo glich.

Philippinen Polen Logo-Combo

Bäume, Wasser, quietschbunte Buchstaben - ein Logo-Entwurf und sein angebliches Vorbild.

(Foto: Screenshots SZ.de)

Der 2012 präsentierte Ersatz "It's more fun in the Philippines" wurde von peniblen Internetnutzern gar in die europäische Nachkriegszeit zurückverfolgt, als die Schweiz für sich dieselbe Behauptung aufstellte. Im Gegensatz zum Polen-Rückschlag blieb Manila beim Schweiz-Zwischenfall standhaft und hält bis heute an der Spaß-Kampagne fest. Diese drücke schließlich nicht weniger als die Wahrheit aus. Im Netz dagegen führte die Sache zu geradezu philosophischen Debatten über das Konzept Spaß im Allgemeinen und seine mögliche Umsetzung in den betroffenen Ländern im Besonderen. So oder so: Statistiken zufolge geht es mit der Tourismusbranche der Philippinen steil bergauf.

Was sollen bloß die Nachbarn denken?

Understatement führt selten weit, doch Vorsicht ist auch bei allzu forschen Behauptungen geboten. Das zeigt eine Episode aus Deutschland. Weil sich Schleswig-Holstein nicht mehr vage als "Land der Horizonte" vorstellen wollte, verkünden teuer entwickelte neue Hinweisschilder an den Landesgrenzen seit Juli 2014, dass Besucher nun "den echten Norden" erreichen. Egal übrigens, aus welcher Himmelsrichtung sich diese Besucher nähern. So viel Selbstbewusstsein wird schnell bestraft, wie sich zeigte: Ein Politiker aus Niedersachsen sprach gar von einem "Affront gegen die Zusammenarbeit der norddeutschen Länder".

Spiel mit dem Feuer

Was tun, wenn der Ruf längst ruiniert scheint? Wirklich komplexen Herausforderungen müssen sich Orte stellen, die international für Armut, Kriminalität, Krisen oder Naturgefahren bekannt sind.

Kolumbien etwa hat sich für die Variante "War da was?" und die offensive Inszenierung seiner schönen Seiten entschieden. Und für den Slogan "El riesgo es que te quieras quedar - The only risk is wanting to stay". Eine Idee, die sicher nicht jedem einleuchtet, aber durchaus raffiniert ist, wie hier ein Konfliktforscher ausführt.

Belize hatte mit einer spontanen Social-Media-Aktion im August 2013 Glück: Nachdem das mittelamerikanische Land in der US-Kultserie Breaking Bad als Synonym für den sicheren Tod genannt worden war ("I'll send you to Belize"), reagierte die Tourismusbehörde prompt - mit einer Einladung an die Stars, doch wirklich mal vorbeizukommen:

Eine Aktion, die sowohl bei Twitter als auch in der Werbebranche bestens ankam.

Menschen, die sehnsüchtig auf Anzeigen schauen und sich dabei in den nächsten Urlaub an genau diesem Ort träumen - sie sind das Wunschziel aller Tourismus-Kampagnen. Nicht Menschen, die sich über den jüngsten Shitstorm schlapplachen. Doch den Geschmack von vielen Millionen gleichzeitig zu treffen, ist ein mehr als anspruchsvoller Auftrag. Insofern: Der nächste Bumerang wird vermutlich gerade jetzt nichtsahnend losgeworfen, in einem Kreativbüro irgendwo auf dieser Welt.

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