Im Bunker von Helgoland:90 Stufen in die Vergangenheit

Am 18. April 1945 zerstörten britische Bomben die Hochseeinsel Helgoland. Viele Inselbewohner überlebten das Bombardement 18 Meter tief unter der Erde im Bunker. Heute besuchen jedes Jahr Tausende Touristen die Stollen.

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Am 18. April 1945 werfen tausend britische Bomber ihre tödliche Last über Helgoland in der Nordsee ab. Etwa 100 Minuten dauert der Luftangriff auf die von den Nationalsozialisten zur Festung ausgebaute deutsche Hochseeinsel, am nächsten Tag starten die Flieger erneut. Am Ende steht fast kein Haus mehr, es gibt viele Tote und Verletzte. Mehr als 2000 Menschen überleben in der in Fels gebauten zivilen Bunkeranlage. Eine von ihnen ist die heute 83-jährige Insulanerin Erni Rickmers, die Schwester des 1997 gestorbenen Kinderbuchautors James Krüss ("Timm Thaler"). "Zwei Tage lang durften wir den Bunker nicht verlassen, wir lebten wie in einer Höhle", erinnert sie sich. 350 Meter Stollen existieren noch, mehr als 15.000 Touristen besichtigen sie jedes Jahr.

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90 Treppenstufen führen 18 Meter tief hinab in die engen Stollen. Kaltes Neonlicht strahlt von der Decke. Die weiße Farbe an den Bunkerwände ist an vielen Stellen abgebröckelt, Feuchtigkeit dringt ein und lässt Algen wachsen.

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750 Meter Länge sollte der Bunker einst haben, angelegt für 4000 Menschen, aber er wurde nie ganz fertig. Ende des Zweiten Weltkriegs waren es etwa 600 Meter Stollen. An den Wänden standen damals Holzbänke, auf denen jeder Zivilist einen fest zugewiesenen Sitzplatz hatte. "Jeder Person blieben 50 Zentimeter, hinlegen konnte man sich nicht", sagt Jörg Andres, Leiter des Museums Helgoland, das für den Bunker verantwortlich ist. Die Stollen haben unterschiedliche Namen, im sogenannten Fuchsbau bleibt Erni Rickmers (im Bild) plötzlich stehen. "Hier war unser Platz", sagt sie und zeigt auf den dunklen Boden.

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67 Jahre zuvor: Die 16-jährige Erni ist Lehrling in der Helgoländer Sparkasse. Fast täglich ist Luftalarm, weil Helgoland in der Einflugschneise der Royal Airforce liegt, das Warten im Bunker gehört zum Alltag. Doch meist überfliegen die Bomber Deutschlands einzige Hochseeinsel, nur vereinzelt fallen Bomben, im Oktober 1944 wurden bereits Teile des Unterlandes zerstört. Doch am 18. April 1945 beginnt der große Luftangriff. Der Alarm kommt um die Mittagszeit.

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Unter Bänken hat jede Familie einen Koffer mit ihren wichtigsten Habseligkeiten und ein bisschen Kleidung. Eine Gasmaske und Essgeschirr gehören zur Grundausstattung. Zwei Tage lang sitzen die Menschen auf ihren Plätzen. Die Kanalisation ist zerstört, ein schlimmer Fäkaliengeruch zieht durch den Bunker. Es gibt Haferflocken, in Wasser und Dosenmilch gekocht. Noch heute sind die Ofenanschlüsse in der früheren Bunker-Küche zu sehen.

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Als die Helgoländer endlich aus dem Zivilschutzbunker dürfen, ist ihre Heimat zerstört. Sie müssen sie verlassen.

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Die Briten nutzen die unbewohnte Insel sieben Jahre lang als Bombenübungsziel. Am 18. April 1947 zerstören sie mit etwa 7000 Tonnen Munition alle militärischen Anlagen. Dabei entsteht ein riesiger Krater, der das heutige Mittelland an der Südspitze der Insel bildet. An diesen "Big Bang" erinnern im Bunker auch historische Fotos und Radio-Originalaufnahmen.

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Museumsleiter Andres ruft Erni Rickmers eine Warnung zu und drückt einen Knopf für den Ton. Sie hält sich die Ohren zu, als der gewaltige Lärm der historischen Sprengung durch den Stollen tönt.

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Heute leben nach Gemeindeangaben rund 1500 Menschen auf der Insel, die meisten vom Geschäft mit den Urlaubern. Etwa 600.000 Touristen jährlich nutzen die Möglichkeiten, die Helgoland als Nordseeheilbad und zollfreies Einkaufsgebiet bietet. Nur rund 70 Minuten dauert die Überfahrt mit dem Schnellboot von Cuxhaven aus, dann können die Urlauber Attraktionen wie die skandinavisch-bunten Häuser der Hummerfischer bestaunen oder die natürlichen Sehenswürdigkeiten, die Helgoland zu bieten hat.

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Die Lange Anna ist ein 47 Meter hoher freistehender Felsen im äußersten Nordwesten der einzigen deutschen Hochseeinsel.

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Absolute Touristenlieblinge sind die Kegelrobben, nirgendwo sonst in Deutschland können sie aus solcher Nähe bestaunt werden. Lange waren sie in der Nordsee fast ausgestorben, seit 2001 ziehen sie auf der Helgoländer Düne wieder ihre Jungen auf. All zu nah sollte man ihnen allerdings nicht kommen: Das Gebiss der Kegelrobbe ist so scharf und kräftig wie das eines Bären.

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Ein wahres Naturspektakel ist der Lummensprung alljährlich im Juni: Dabei stürzen sich die noch flugunfähigen Jungtiere von den Klippen ins Meer.

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Die Idee, die Hauptinsel und die Düne durch Aufschüttungen zu einer Insel zu vereinen und so neue Möglichkeiten für den Tourismus zu schaffen, scheitert 2011 in einem Bürgerentscheid. Helgoland wird auch künftig seine jetzige Form behalten.

© Süddeutsche.de mit Material von dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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