Süddeutsche Zeitung

Hüttenwirt:"Wir sind Zeitmillionäre"

Lesezeit: 3 min

Gottfried Wieser war sieben Jahre lang Wirt auf der Glungezer Hütte in Tirol. Nun verlässt der Rentner die Alpen, um mit seiner Lebensgefährtin die Welt zu umsegeln. Ob sie irgendwann zurückkommen, ist ungewiss.

Interview von Dominik Prantl

Die Glungezer Hütte auf 2610 Meter oberhalb des Inntals ist bekannt für die höchste Bäckerei Tirols, die selbst kreierten Kathmandu-Nudeln - und Gottfried Wieser. Mehr als sieben Jahre lang hat der 66-jährige Hüttenwirt die Unterkunft geprägt. Doch nun wird er auf sein Segelboot steigen - und die Welt bereisen.

SZ: Herr Wieser, was für Musik ist da bei Ihnen auf der Hütte im Hintergrund zu hören? Klingt nicht sonderlich tirolerisch. Eher nepalesisch.

Gottfried Wieser: Ist es auch. Wir haben schon seit mehreren Sommern einen Sherpa aus Nepal als Mitarbeiter auf der Hütte beschäftigt. Der hat ein wenig nepalesische Kultur importiert. Gemeinsam mit einem Sherpa habe ich auch vor einigen Jahren die berühmten Kathmandu-Nudeln auf unserer Hütte kreiert. Eigentlich kennt der Nepalese ja keine Nudeln.

Und wir dachten schon, Sie sind bereits im Reisefieber, weil sie ja von November an die Welt umsegeln wollen. Wie kommt man als Wirt und alpenländischer Mensch auf die Idee, die Berghütte gegen das Boot zu tauschen?

Grundsätzlich mache ich mir ja schon seit Längerem Gedanken darüber, was nach dem Hüttenleben kommt. Ich selbst bin Segler, habe etliche Segelbücher in meinem Regal stehen und bin auch schon einmal über den Atlantik gesegelt. Und da ist dann irgendwann einmal die Idee entstanden, die Berge der Erde auf ökologische Weise per Segelschiff anzugehen. Vom Boot aus gesehen, ist ja im Grunde jede Insel ein Berg. Und manche sind richtig hoch. Man muss nur an den Pico del Teide auf Teneriffa denken.

Ihre Bergschuhe werden Sie also mitnehmen aufs Segelschiff?

Die sind bereits mit der Kletterausrüstung auf dem Boot vor Gran Canaria. Wir haben auch überlegt, die Skitourenausrüstung mitzunehmen. Aber das war uns dann doch zu viel.

Es heißt, Ihre Lebensgefährtin sei an Ihren Weltumsegelplänen nicht ganz unschuldig.

Natürlich nicht. Sie war stark daran beteiligt, den letzten Schritt zu machen, weil sie auch eine taffe Seglerin und sehr bergbegeistert ist. Sonst hätte sie kaum vor fünf Jahren als Mitarbeiterin hier oben bei mir angefangen - und es so lange ausgehalten.

Zumindest der Wind dürfte Ihnen beiden nach all den Jahren bereits eine sehr vertraute Naturgewalt sein. Die Glungezer Hütte gilt schließlich als eine Art Feuerland der Tiroler Alpen.

Ich weiß auch nicht, warum die hier noch keine Wetterstation hingestellt haben. Die Hütte steht ja tatsächlich sehr exponiert. Was übrigens das Schöne ist: Wir müssen uns auf unserer Weltreise natürlich nach Wind und Wetter richten und an die Saison halten. Im Sommer zum Beispiel hat man auf dem Atlantik nichts verloren. Aber ansonsten haben wir zum Glück überhaupt keinen Druck. Ich sage immer: Wir sind Zeitmillionäre.

Wollen Sie uns schon einmal die grobe Route verraten?

Beim Segeln kann man es nie sicher sagen, aber der Plan sieht so aus: Los geht es in Las Palmas, Gran Canaria, weiter zu den Kapverden, dann Brasilien, dort die Küste entlang nach Norden, durch den Panamakanal und an der Westküste entlang runter nach Patagonien. Über die Atlantikseite wieder nach Norden, erneut durch den Panamakanal, um später einen Sommer in Alaska zu verbringen. Dann runter nach Costa Rica, anschließend Galapagos, Südsee, Neuseeland . . .

Okay, danke, es reicht, wir sind jetzt schon neidisch. Mal ganz ehrlich: Verdient man als Hüttenwirt so gewaltig, oder woher nehmen Sie als Zeitmillionäre das ganze Geld?

Gewaltig verdient habe ich als Hüttenwirt nicht. Ich werde da eher von meiner Zeit als Gastronom in der Schweiz zehren. Und natürlich müssen wir schon sparsam unterwegs sein, um die laufenden Kosten mit meiner Rente zu decken. Außerdem haben wir das Boot sehr günstig bekommen, eine Zwölf-Meter-Kasko aus Aluminium mit zwei Schlafplätzen und einer Hundekoje.

Einer Hundekoje?

Der Hund kommt auch mit. Heißt Tino, ist inzwischen schon zwölf Jahre alt und eine echte Wasserratte. Er würde es uns garantiert nicht verzeihen, wenn wir ihn hier lassen würden.

Sind Sie sicher, dass Sie überhaupt einmal zurückkommen?

Nein, da sind wir uns nicht sicher. Wir haben alle Zelte abgebrochen und keine Verpflichtung, zurückzukehren. Es kann gut sein, dass wir unterwegs sagen: Hier gefällt's uns, hier bleiben wir.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2017
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