Süddeutsche Zeitung

Zimmermädchen-Organisation "Las Kellys":"Für ein Zimmer bekommen wir 2,50 Euro"

Myriam Barros kämpft in Spanien für bessere Arbeitsbedingungen in Hotels. Ein Gespräch über die Schattenseiten des Tourismusbooms, über Putzen im Akkord und grapschende Gäste.

Interview von Jochen Temsch

Sie gehören zu jedem Urlaub dazu, bleiben aber meistens unsichtbar: die Zimmermädchen, die sich darum kümmern, dass im Hotel alles ordentlich ist. In der Branche selbst geht es oft weniger sauber zu, was die Arbeitsverhältnisse auf unterster Ebene der Hotelhierarchie betrifft. Für die Rechte des Reinigungspersonals in Spanien setzt sich die Organisation "Las Kellys" ein. Der Name ist doppeldeutig. Er leitet sich vom gälischen Wort für "kriegerisch" ab und klingt so ähnlich wie "las que limpian", spanisch für "die, die sauber machen". Die Präsidentin der "Las Kellys", die 40-jährige, aus Uruguay stammende Myriam Barros, wurde auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin mit dem To Do Award Human Rights in Tourism ausgezeichnet. Der internationale Preis wird vom Studienkreis für Tourismus und Entwicklung vergeben und soll für die Menschenrechte im Urlaubsgeschäft sensibilisieren.

SZ: Wie schmutzig ist Ihre Arbeit?

Myriam Barros: Ich arbeite seit fünf Jahren als Zimmermädchen bei einer Hotelkette im Touristenzentrum Playa Blanca auf Lanzarote. Dabei geht es mir gar nicht so schlecht, besser jedenfalls als anderen Reinigungskräften, die zu normalen Konditionen arbeiten.

Was heißt normal?

Zum Beispiel, dass man nur Verträge über eine Woche bekommt, dass man bei Schwangerschaft entlassen wird und bei Krankheit rausfliegt.

Warum haben Sie bessere Konditionen?

Als ich anfing, waren meine Arbeitsbedingungen auch miserabel. Aber als Präsidentin der "Las Kellys" hat man mich mit besseren Vertragskonditionen zufriedengestellt, in der Hoffnung, mich zu besänftigen. Aber statt Ruhe zu geben, fordere ich jetzt gute Konditionen für alle.

Für wie viele Menschen sprechen Sie?

Wir haben etwa 3000 Mitglieder. 99 Prozent sind Frauen, aber wir setzen uns auch für die Valets ein, die Männer, die die dreckige Wäsche einsammeln oder Mülleimer leeren. Übrigens nehmen die Hotels neuerdings auch für diese Tätigkeiten lieber Frauen - die lassen sich leichter ausbeuten. Offiziell gibt es in Spanien 200 000 Zimmermädchen. Inoffiziell sind es mehr, weil viele als Putzfrauen eingestellt werden, also noch geringer bezahlt werden können und doch die Arbeit von Zimmermädchen machen müssen.

Was verdient ein Zimmermädchen?

Das kommt darauf an. Früher waren wir bei den Hotels angestellt und konnten direkt mit den Direktoren verhandeln. Die kriegen wir heute überhaupt nicht mehr zu sehen, und sie können sich aus der Verantwortung stehlen. Seit der Wirtschaftskrise und einer Arbeitsmarktreform der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy sind die meisten von uns ausgelagert zu Zeitarbeitsfirmen. Die verändern die Verträge und probieren aus, wie weit sie dabei gehen können. Sie verlangen, dass wir immer mehr Zimmer fürs gleiche Geld oder in kürzerer Zeit putzen oder kürzen den Lohn bei gleichbleibendem Arbeitsaufwand. Wir putzen im Akkord. Für ein Zimmer haben wir etwa acht bis zehn Minuten Zeit und bekommen dafür 2,50 Euro. Wer noch direkt bei einem Hotel angestellt ist, kommt im Monat auf einen Verdienst von etwa 1200 Euro, wer externalisiert ist, nur auf 800 Euro.

Reicht das zum Leben?

Kaum. Es heißt immer, der Tourismus schaffe Arbeitsplätze. Das sehe ich kritisch. Denn es sind oft prekäre, schlechte Arbeitsplätze, teils handelt es sich dabei um moderne Sklavenarbeit. 80 Millionen Touristen kommen pro Jahr nach Spanien - von ihrem Geld haben wir wenig. Aber seit wir den Hoteliers auf die Finger schauen, passen sie schon etwas besser auf, sowohl was die Ausbeutung angeht als auch bei sexuellen Übergriffen von Gästen.

Gibt es viele sexuelle Belästigungen?

Auf den Partyinseln Ibiza und Mallorca mehr als auf Lanzarote, wo eher eine ruhigere Form des Tourismus angeboten wird und auch Besäufnisse nicht so gerne gesehen sind. Gäste machen anzügliche Bemerkungen oder werden handgreiflich. Wenn wir das hören, gehen wir sofort drauf los.

Was unternehmen Sie?

Zuerst sammeln wir Beweise, dass die Klagen eines Zimmermädchens über schlimme Arbeitsbedingungen oder Belästigungen einen triftigen Grund haben. Dann gehen wir auf den Manager zu und fragen, wie er dazu steht. Wenn er nicht handelt, indem er etwa einen Gast ermahnt, sich anständig zu verhalten, berichten wir auf unserer Facebookseite darüber. Wir haben viele Follower, also kann das rufschädigend für das Hotel sein. Gleichzeitig machen wir in der Öffentlichkeit Druck. Wir protestieren auf der Straße, bilden Menschenketten am Strand, organisieren Beerdigungen, auf denen die Qualität eines Hotels zu Grabe getragen wird. Aber wir tanzen auch viel, protestieren spielerisch und vielseitig, wollen kein Jammerverein sein.

Eine "Kellys"-Delegation hat den ehemaligen Ministerpräsidenten Rajoy getroffen. Mit Erfolg?

Zumindest hatten wir dadurch viel mediale Aufmerksamkeit. Wir artikulieren uns sehr klar, der Protest ist verständlich, und jeder kann nachvollziehen, was uns stört. Die neue sozialistische Regierung hat nun immerhin einen Aktionsplan gegen Ausbeutung vorgelegt.

Ihr Einsatz ist mutig und selbstbewusst. Für Gäste sind Zimmermädchen ja meist unsichtbare, umherhuschende Wesen.

Klar, aber mit einem schüchternen Stimmchen kommt man nicht durch, wenn man etwas verändern will. Man braucht Kraft und Durchhaltewillen. Wenn ich rede, wissen alle, wer vor ihnen steht. Auf Lanzarote können wir aufmüpfiger sein als auf dem Festland, weil auf der Insel Arbeitskräfte fehlen. In Madrid wird man dagegen schnell rausgeworfen, weil es genügend Ersatz gibt. Allerdings sind wir keine Gewerkschaft. Unser Kampf wird von einzelnen Personen getragen. Wenn die resignieren, ist der Protest schnell zerschlagen. Viele Zimmermädchen sind eifrig bei der Sache, wollen aber lieber anonym bleiben. Sie haben Angst, noch mehr Druck zu kriegen.

Können auch Touristen etwas tun, um die Lage der Zimmermädchen zu verbessern?

Auf jeden Fall. Sie können sich erkundigen, ob der Zimmerservice externalisiert ist, und wenn ja, nicht in dem Hotel absteigen, um die Ausbeutung nicht zu unterstützen. Das klingt vielleicht naiv, aber man merkt schon, dass das Interesse an Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit gestiegen ist. Gerade die deutschen Urlauber sind sich der Probleme besonders bewusst. Der verantwortungsbewusste Tourist ist auf dem Vormarsch.

Was bedeutet Ihnen der Preis für Menschenrechte im Tourismus?

Sehr viel. Die Auszeichnung ist bekannt und international, dadurch fühlen wir uns unterstützt. Manchmal sind wir uns nicht sicher, ob wir alles richtig machen. So ein Preis gibt uns Selbstvertrauen. Er bestärkt uns darin: Ja, wir sind auf einem guten Weg. Wir kämpfen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4365691
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.03.2019/edi
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.