Hotels und ihre Namen:Moderne Hotels bevorzugen leicht debile Koseworte

"Zur Post" war einmal: Designhotels müssen heute wie verschlüsselte Botschaften heißen.

Von Max Scharnigg

Es ist so, dass die Linden in Deutschland aussterben. Zum Glück aber nicht vorrangig die Bäume, sondern nur Hotels, die den klangvollen Namen "Zur Linde" tragen. Das belegt eine Studie, die vor einiger Zeit vom Ferienportal holidaycheck.de veröffentlicht wurde. Demnach hatte sich die Zahl registrierter Hotels "Zur Linde" in Deutschland in nur vier Jahren halbiert. Alarmierend! Ein ähnlicher Schwund ist vom einstigen Namens-Spitzenreiter zu vermelden, dem guten "Hotel zur Post", das ein bisschen langsamer ausstirbt als die Linde.

Eigentlich schade um die Traditionsnamen, schließlich signalisierten sie dem Ortsfremden relativ deutlich, was ihn erwarten würde. Die Rechnung, Durchschnittsname ist gleich Durchschnittshotellerie, ging schließlich meistens auf. Hieß das Hotel Linde, Adler, Krone, Sonne, Post, bedeutete das übersetzt: blauer Teppichboden in den Zimmern mit dezenten Brandlöchern, dünnes Kopfkissen und schwacher Duschstrahl, dafür aber gestärkte Tischdecken im Frühstücksraum, in dem sich die handfeste Hausdame außerdem noch auf die Zubereitung von erstklassigen Eiern im Glas verstand. Es bedeutete Hotel Garni, Fremdenzimmer, Kurtaxe und natürlich Landluft.

Denn in den Städten hießen die Hotel seit jeher schon anders, größer. "Er wohnte, wie immer, im Imperial", schrieb Joseph Roth in einem seiner Romane. Was für ein Satz, was für ein Bild von einem Hotel hier in einem Namen transportiert wird! Astoria, Carlton, Palace, Savoy - in den Städten musste die Unterkunft einst nach großer Welt klingen und die Hotelnamen mussten so etwas wie eine selbsterfüllende Prophezeiung werden - man fühlte sich gewissermaßen savoy!

Übernachten Sie nicht an Orten, die Ihre Oma nicht als Hotel erkannt hätte

Oder wie der Schriftsteller Herrmann Harry Schmitz es im Jahr 1909 so schön schreibt: "Es war tatsächlich in einem Anfall von Größenwahn, als ich den Entschluss faßte, im Riviera Splendid Palace (sprich Pälläß) abzusteigen. Ich muß gestehen, der Name hatte es mir angetan. Ich war der Suggestion dieser drei Worte rettungslos verfallen. Ich bitte Sie: Riviera Splendid Palace, klingt das nicht grandios, überwältigend? Lösen diese drei Worte nicht Vorstellungen von etwas ganz Fabelhaftem, Märchenhaftem bei Ihnen aus?"

Heute würde sich Schmitz schwer tun mit der fabelhaften Suggestion. Denn mit dem Boom von Designer-, Boutique- und Irgendwieanders-Hotels erfuhren in den Nullerjahren auch die Hotelnamen ein bedauerliches Design-Update und klangen auf einmal alle wie verschlüsselte Botschaften. In Berlin zum Beispiel gibt es heute: Das "Q!", das "nhow", das "25hours" oder das besonders geschwollene "H'Otello K'80". Sicher, diese Namen sehen typografisch so interessant aus wie die gläsernen Waschbecken und asymmetrischen Möbel in den dazugehörigen Zimmern, sind aber sonst ziemlich unpraktisch. "Fahren Sie mich bitte ins KuhAusrufezeichen-Hotel, ach nee, ich wohne ja diesmal im Hotello Strich 80!" Derlei möchte man keinem Kreuzberger Taxifahrer soufflieren müssen. Auch auf Briefköpfen und niedergeschrieben in Memoiren klängen diese Namen eher nach Aufenthalten in militärischen Planquadraten, nicht nach Hauptstadt-Grandezza. Klare Regel für konservativ Reisende: Übernachten Sie nicht an Orten, die Ihre Großmutter nicht als Hotel erkannt hätte.

Offenbar ist die Welle der technoiden Hotelnamen aber schon wieder am Abklingen. Neue Hotels bemühen sich bei der Namensfindung um mehr Authentizität und Kundennähe, leider mit teils bizarren Ergebnissen. "Das Stu" (Berlin) mag noch irgendwie gemütlich zu nuscheln sein, schwieriger wird die korrekte Ansprache der feinen Wellnesshotels, die heute "Das Rübezahl" (Hohenschwangau) heißen, "das liebling" (Pertisau) "Die Wasnerin" (Bad Aussee) oder gleich "... liebes Rot-Flüh" in Tirol. Hä? Spricht man die Punkte mit? Beugt man den Hotelnamen oder sagt man am Telefon: "Ist da die Rezeption des ... liebes Rot-Flüh?" Ist Eigenlob im Namen eine gute Idee? Sollte man so viel über Hotelnamen nachdenken müssen?

Gerade bei den derzeit beliebten nachhaltigen Bio-Luxus-Herbergen mit Relax-Packages für abgeschlaffte Großstädter herrscht eine gestelzte Kosenamensgebung. Man fährt also wahlweise ins Hotel "Heimat - das Natur Resort" (Osttirol) oder gleich ins "Josl Mountain Lounging Hotel" (Obergurgl). Gerade in Verbindung mit dem Ortsnamen ist Letzteres eine Traumdestination für Linguisten. Gerade kommt auch noch eine Pressemeldung: "Das die berge lifestyle-hotel sölden eröffnet im Juni 2016." Das die? Tippfehler? Nein, der Laden heißt: die berge lifestyle-hotel. Gut, dass Joseph Roth das nicht mehr erleben muss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: