Hotels ohne Kinder:Babys raus!

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Ruhebedürftige Urlauber buchen ihr Zimmer bei ausdrücklich kinderfreien Hotels. Davon gibt es immer mehr. Der Kinderschutzbund kann diesem Trend etwas Positives abgewinnen.

Monika Maier-Albang

Ruhe. Das Wort ist allgegenwärtig in den einschlägigen Internet-Debatten. Und diese Ruhe kennt viele Gegenspieler: das Geplärre, das Geschrei, das Gebrabbel, das Rumgerenne, kurzum: den Kinderlärm. Um ihm zu entgehen, tauschen sich Menschen in Foren darüber aus, wohin man am besten ohne Kinder reist. In ein Fünf-Sterne-Hotel, empfiehlt einer, denn "Familien mit Kindern müssen ja in der Regel sparen". In ein Kurhotel, in eine Ferienwohnung - oder gleich "am besten außerhalb der Ferienzeit verreisen". Wobei dieser Tipp Gegenstimmen aktiviert, denn: "Da sind ja die Eltern mit Kleinkindern unterwegs!". "Fahr' doch auf den Mond", schreibt eine Frau, und dieser Rat ist der einzige unfreundliche in dem Internetforum.

Andreas Diefenbach kennt die Debatten - hat er doch ein Geschäftsmodell daraus entwickelt. Seit 2007 betreibt Diefenbach mit seiner Partnerin Astrid Stiefel das Hotel Dolce Vita in Bodenmais im Bayerischen Wald. Es ist, zumindest behauptet Diefenbach das, als einziges in Bayern, "vielleicht sogar bundesweit", garantiert "kinderfrei".

Bitte nur Gäste "Ü14"

Das Adjektiv hat Diefenbach auf der Homepage unterstrichen, seine "Philosophie" erklärt er so: "Wenn Kinder die Gäste von morgen sind, dann warten wir bis morgen." Andere Betreiber bekunden etwas verschämter, dass Kinder bei ihnen unerwünscht sind. Die Hotels tragen dann Zusätze wie "Ü-14" oder "Ü-18".

Einen Markt dafür scheint es zu geben. Als das Hotelbewertungsportal Holidaycheck im Frühjahr seine Nutzer zu dem Thema befragte, gaben 41,6 Prozent an, dass sie sich von Kinderlärm gestört fühlen und kinderfreie Hotels begrüßen würden. Nur 8,2 Prozent lehnten diese kategorisch ab.

In Diefenbachs Hotel gibt es "Kuscheltage", Rosenblätter auf den Zimmern und Abendessen bei Kerzenschein. Die Paare, die das anzieht, sind eine willkommene Ergänzung zu dem älteren Publikum, das sich sonst im Bayerischen Wald wohlfühlt. Die Jüngeren bleiben meist über ein verlängertes Wochenende, sie suchen Erholung und Romantik. Und bei beidem, sagt Diefenbach, würden Kinder nun mal stören.

Den Stempel Kinderfeind will er sich dennoch nicht aufdrücken lassen. Er hat selbst vier Kinder, zwei eigene, zwei brachte seine Lebensgefährtin mit ins Haus. Die jüngste Tochter ist 14. "Die muss unter der Treppe schlafen und darf nur im Dunkeln raus." Diefenbach lacht kurz selbst über seinen Witz, bevor er wieder ernst wird. Gäbe es mehr Eltern, die mehr Rücksicht auf andere nähmen, wäre die Diskussion vielleicht ja auch überflüssig, sagt er. "Aber es gibt halt auch die, die ihre Kinder beim Essen vom eigenen Tisch wegschicken und sich noch freuen, wie lebhaft ihre Kleinen sind. Da können sie auch gleich sagen: ,Geht doch den anderen auf die Nerven.'"

Nun könnte man meinen, dass jene, die sich am Kinderlärm stören, allesamt solvente, kinderlose Mittvierziger sind - die prägende Generation einer "kinderentwöhnten Gesellschaft", wie Heinz Hilgers, der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, es formuliert. Aber so einfach ist es wohl nicht. 80 Prozent seiner Gäste, sagt Diefenbach, seien Eltern, die "ihre Batterien aufladen wollen". Die Kinder werden für den Kurzurlaub zumeist bei den Großeltern abgegeben. Und über mangelnde Nachfrage kann das Hotel in Bodenmais sich nicht beklagen. Im Jahresschnitt ist es zu 70 Prozent ausgelastet.

Auch Reiseveranstalter haben den Markt inzwischen entdeckt - und sie werben zunehmend offensiv um diese Kundschaft. Dertour zum Beispiel hat im aktuellen Sommerkatalog erstmals einen "Adults-only"-Button eingeführt. "Zielgruppengerecht" nennt Sprecherin Antje Günther die Kennzeichnung. Und auch der Branchenführer Tui will den Bereich ausbauen, ein "differenziertes Angebot" sei gefragt.

Lustiges Kullern im Babyhotel

Die Offenheit auf diesem heiklen Terrain ist neu. "Bislang stand so etwas bestenfalls im Kleingedruckten", sagt René Weiß. Der Oberfranke betreibt seit 2008 eine Website, über die man kinderfreie Hotels findet. Warum auch nicht, fragt er. Schließlich gebe es genügend Familienhotels. Sogar Babyhotels mit Angeboten wie "lustiges Kullern".

283 Hotels, Pensionen und Resorts hat Weiß auf seiner Internetseite urlaub-ohne-kinder.info gesammelt - weltweit. In der Karibik oder in Mittelamerika seien solche Resorts längst üblich, sagt Weiß. Europa hinke hinterher. Allerdings spezialisieren sich in Spanien und auf den Kanaren immer mehr Hotels auf kinderlose Urlauber. Und in Österreich haben Hoteliers schon vor Jahren die Marktlücke erkannt. 2005 etwa beschloss das Hotel Cortisen am Wolfgangsee, Kinder erst ab zwölf Jahren ins Haus zu lassen, mit dem Argument, man reagiere eben "auf die Wünsche und Bedürfnisse einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft".

Kinderfeindlich sei dieser Wunsch nach Ruhe im Urlaub nicht zwingend, sagt sogar Heinz Hilgers. Und doch beobachtet der Präsident des Kinderschutzbundes die Entwicklung mit Sorge. Noch hätten Urlauber ja die Alternative zwischen Familienhotel und Hotel ohne Kinder. Aber in einer Zukunft, in der die Eltern in der Unterzahl sind, werde auch das Angebot an kinderfreundlichen Hotels sinken, fürchtet er. "Und dann besteht die Gefahr der Diskriminierung."

Andererseits kann auch Hilgers dem Trend zum Separatismus etwas abgewinnen. Eltern rät er: "Geht dorthin, wo möglichst viele andere Kinder sind." Das sei immer noch die entspannendste Urlaubsvariante. Als seine Söhne klein waren, ist Hilgers übrigens nie ins Hotel gegangen; er hat eine Ferienwohnung gemietet. Drei Jungs am Büfett ruhig zu halten, sagt er, "das hätte ich mir nicht angetan".

© SZ vom 06.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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