Süddeutsche Zeitung

Hotels und Fachkräfte:"Es muss eine Herzensangelegenheit sein"

Der Tiroler Hotelier Marcel Gutheinz wurde kürzlich zum besten Arbeitgeber Österreichs gekürt. Was macht er richtig? Und warum bedeuten gute Arbeitsbedingungen auch höhere Preise für Gäste?

Interview von Dominik Prantl, Tannheimer Tal

Die Corona-Krise hat den Mitarbeitermangel in der Tourismusbranche noch einmal verschärft - allerdings nicht überall. Das Hotel Jungbrunn im Tannheimer Tal etwa wurde vom Fachmagazin Falstaff als "Bester Arbeitgeber Österreichs" in der Kategorie "Innovation" ausgezeichnet; die Wahl wurde dabei von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Hotel- und Gaststättenbranche getroffen, die ihre Arbeitgeber online bewertet haben. Ein Gespräch mit dem Jungbrunn-Geschäftsführer Marcel Gutheinz.

SZ: Hand aufs Herz: Wie viel Druck mussten Sie auf Ihre Mitarbeiter ausüben, dass diese ihre Stimme für Ihr Hotel abgeben?

Marcel Gutheinz: In diesem Fall war es nur ein kleiner Post in unserem Intranet mit dem Hinweis, es wäre schön, wenn alle daran teilnehmen. Wie viele von den 160 Mitarbeitern dann mitgemacht habe, weiß ich aber ehrlich gesagt nicht.

Sie bieten Ihren Angestellten kostenfreie Leihautos und Spa-Abende, Weiterbildungsmöglichkeiten und Mitarbeiterwohnungen. Dennoch haben auch Sie wie viele aus der Hotel- und Gastronomiebranche derzeit etliche Stellen vom Zimmermädchen über den Jungkoch bis zum Masseur ausgeschrieben. Was ist das Problem?

Wenn eine Stelle ausgeschrieben wird, heißt das ja nicht, dass sie im Moment auch offen ist. Trotz des derzeit wirklich krassen Personalmangels in der Branche, der übrigens nicht erst seit Corona ein Thema ist, stehen wir gut da. Du brauchst aber - um ein Bild aus dem Sport zu nehmen - auch eine Ersatzbank. Um gewappnet zu sein, wenn einer wechselt oder ausfällt.

Welche "Innovationen", für die Sie ja ausgezeichnet wurden, bieten Sie im Speziellen, um Angestellte für das Hotel zu finden?

Bei uns sind das beispielsweise geregelte und flexible Arbeitszeiten. Modelle, die von drei bis sechs Arbeitstagen reichen. Da kann dann jeder selbst entscheiden, wie viel man arbeiten will. Dazu werden die Wohnung und das Essen komplett gestellt. Das ist aber nur die Basis. Das Entscheidende ist eine gute Atmosphäre. Es muss eine Herzensangelegenheit sein, dass die Mitarbeiter über unseren Betrieb sagen: Da wird uns wirklich zugehört.

Wird vielleicht auch einfach zu wenig gezahlt in der Branche?

Ich denke: Ja. Ich denke auch, dass es künftig nicht darauf ankommt, noch zehn weitere Saunen zu bauen, sondern lieber die Angestellten ordentlich zu entlohnen. Andererseits verdient beispielweise eine Rezeptionistin - die Zahl ist jetzt meines Wissens branchentypisch - 1600 Euro netto monatlich, und das 14-mal im Jahr. Dazu hat sie, weil Kost und Logis oft gestellt werden, im Grunde keinerlei Ausgaben. Die Gastronomie und Hotellerie ist also bei Weitem nicht so schlimm wie ihr Ruf. Man muss allerdings auch so realistisch sein und sagen, dass gewisse Dinge nicht gehen - wie etwa während der Hochsaison spontan zwei Tage freinehmen. Vielleicht muss man den Mitarbeitern auch besser klarmachen, dass es durchaus ein Vorteil sein kann, an einem Sonntag im Winter zu arbeiten, wenn alle Pisten voll und die Geschäfte geschlossen sind.

Eine Nacht für Gäste kostet bei Ihnen ...

Es geht bei etwa 400 Euro pro Zimmer los.

Heißt mehr Zufriedenheit für Mitarbeiter letztlich also auch: höhere Preise für Gäste?

Klar. Wir haben die schöne Situation, dass wir Kunden haben, die das auch zu zahlen bereit sind.

Sie haben das Hotel 2017 übernommen, sind selbst Mitte dreißig. Muss die Chefetage in der Hotellerie generell jünger denken? Oder führen Sie nur den Weg Ihrer Eltern, von denen Sie das Hotel übernahmen, fort?

Den Weg haben schon meine Eltern eingeschlagen, aber generell braucht die Branche ein Umdenken. Sonst wird es schwer, Leute zu gewinnen. Das gilt übrigens nicht nur für unsere Branche, sondern für Unternehmen im Allgemeinen. Es geht den jungen Leuten heute ja weniger um das Gehalt als die - bei dem Wort habe ich immer etwas Kopfschmerzen - Work-Life-Balance und viel Freizeit. Aber auch darum, bei einer möglichst coolen Marke zu arbeiten. Da hat das Jungbrunn zum Glück mehr zu bieten als irgendein beliebiges Hotel Post.

Allgemeiner gefragt: Hält die Hotelbranche zu sehr an alten, möglicherweise überholten Konzepten fest? Nach dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht?

Ich darf da als Betreiber eines einzigen Hotels vielleicht nicht zu scharf urteilen, aber auch hier denke ich: Ja! Auch ein Koch und ein Kellner müssen im Regelfall normale Arbeitszeiten haben. Aber dann kann ein Schnitzel mit Pommes halt auch nicht mehr weniger als zehn Euro kosten.

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