Hotelkritik-Serie "Frisch bezogen":Exzentrik inklusive

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Geweihe an den Wänden sind hier nicht selten. Ebenso ausgestopfte Entenpaare, Wildschweine und Eichhörnchen. Eingeweiht wurde das Hotel von Prinz Charles, der die Gegend gut kennt.

(Foto: Sim Canetty-Clarke)

Ein Galerist übernahm das Hotel "The Fife Arms" im schottischen Dorf Braemar, nachdem er dort den schlechtesten Kaffee seines Lebens getrunken hatte. Nun kann man dort Urlaub machen wie eine Queen mit Spleen.

Von Evelyn Pschak

Wo, wenn nicht hier sollte man sich einen Shocking Pink genehmigen? Der Prosecco-Cocktail auf Rhabarberlikörbasis ist nach der Modedesignerin Elsa Schiaparelli benannt, die zu ihrem Freundeskreis den Surrealisten Salvador Dalí zählte, und deren Couture man so gut an ihrer Lieblingsfarbe erkannte. Zur Vervollkommnung tritt der italienische Barchef, der mit seinem kleinen Schnauzer perfekt in dieses elegante Art-déco-Interieur passt, mit einem kristallgeschliffenen Glasflakon an den Marmortisch und zerstäubt mit der Ballpumpe roséfarbenen Blütenextrakt über dem Glas. Willkommen in der Hotelbar Elsa, die sich übrigens nicht in einem mailändischen oder venezianischen Palazzo befindet - sondern im Hotel The Fife Arms in Braemar, einem 450-Einwohner-Dorf in den schottischen Highlands.

The Fife Arms ist der perfekte Ort für jemanden, der es leid ist, auf Einladungen royaler Freunde mit feudalem Landsitz zu warten, um endlich einmal wie die Queen Urlaub zu machen. Hier wird Exzentrik zelebriert und nach Lust und Laune gepaart mit den simplen Freuden des Lachsfischens.

Oder man erklimmt einen Munro, wie in Schottland die Berge ab 3000 Fuß heißen, also mit einer Höhe von über 914 Metern. Es ist ein Ort für jemanden, der zu schätzen weiß, wenn eine freundliche Seele in Kilt und grünen Wollkniestrümpfen parat steht, um den Kamin in der Hotellobby zu befeuern. Oder sich daran erfreuen kann, im angrenzenden Drawing Room einen Afternoon Tea einzunehmen, unter einem Selbstbildnis Picassos.

Das Hotel, erbaut von einem Mitglied des britischen Hochadels, dem Duke of Fife, wurde 1836 eröffnet. In den vergangenen Jahren allerdings ist das imposante Granitgebäude mit den vielen Giebeln und Holzschnitzarbeiten seinem noblen Namen wohl nicht mehr gerecht geworden. 2013, so erzählen die Hotelangestellten, habe der Galerist Iwan Wirth im hoteleigenen Pub den schlechtesten Kaffee seines Lebens getrunken, das Gebäude wenig später gemeinsam mit Gattin Manuela gekauft und im Laufe der vergangenen vier Jahre umgebaut.

THE FIFE ARMS_HERO SHOTS_MARCH 2019 Guestrooms and suites

Das Badezimmer in der Duke of Fife Suite.

(Foto: Sim Canetty-Clarke)

Das Galeristenpaar, Miteigentümer der Galerie Hauser & Wirth, gehört mit sieben Niederlassungen weltweit zu den bekanntesten am Kunstmarkt und hat nun also The Fife Arms wiedereröffnet. Das Gebäude wurde kernsaniert, gestalterisch ist es ein Spagat zwischen neo-viktorianischem Pomp und zeitgenössischen In-situ-Installationen einer internationalen Künstlerriege.

Eingeweiht wurde The Fife Arms am 11. Januar von Prinz Charles. Der kennt die Gegend gut, denn seit Königin Victoria Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Herz an die Highlands verloren und etwa sechs Meilen östlich vom The Fife Arms ihren Sommersitz, Balmoral Castle, errichtet hatte, gehört Braemar zur "Royal Deeside", dem königlichen Rückzugsort am Ufer des Dee. Von "Her Royal Highness Queen Victoria" gezeichnet und mit Wasserfarbe koloriert ist auch das Bildnis eines Hirschkopfs gleich links von der Rezeption.

Das Tier, so klärt die Bildlegende, habe ihr Gefolgsmann John Brown am 6. Oktober 1874 erlegt, selbst die Maße des Geweihs wurden von der Königin, die seit ihrem achten Lebensjahr Zeichenunterricht erhielt, akkurat notiert. Die Zeichnung wurde im Dezember 2017 bei Christie's für 45 000 Pfund versteigert, jetzt schmückt sie das Hotel.

Überhaupt sind Geweihe in dieser rotwildbevölkerten Gegend ein großes Ding. Gareth Guy vom lokalen Souvenirladen The Horn Shop hat diesem Umstand mit einem riesigen Kronleuchter aus 500 Geweihen Referenz erwiesen. Zwei bis drei Monate habe er an dem 9,5 Meter langen Prachtstück gearbeitet, erzählt der 50-Jährige. Die lokalen Wildhüter sammeln die abgeworfenen Geweihe für ihn.

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Der Kerzenleuchter trägt ebenfalls Geweihe. Nur sind diese aus buntem Glas.

(Foto: Simphotography)

Dass Einheimische in die Gestaltung des Hotels aktiv eingreifen, ist Teil des Selbstverständnisses des Galeristenpaars. Und die Wirths unterstützen ihrerseits das kommunale Kulturprogramm, etwa die Konzertreihen in der Kirche St. Margaret's.

Nach all den Hoteleröffnungen der vergangenen Jahre, die Minimalismus, leere Flächen und vorsichtig gesetzte Blickpunkte propagierten, ist The Fife Arms erfrischend anders. Ausgestopfte Entenpaare in Dioramen, Hirsche, Wildschweine, Widder oder Eichhörnchen finden sich noch in den verstecktesten Ecken. In der Bibliothek etwa thront ein ausgestopfter Auerhahn, die Brust glänzend in metallischem Grün, von der Decke schweben Moorhühner an Nylonfäden über dem Arbeitstisch herab.

Wer auf dem braunen Ledersofa am Kamin Platz nehmen möchte, muss zusätzlich dem mürrischen Blick Queen Victorias standhalten, deren lebensgroßes, schwarz gekleidetes Wachsfigurenporträt aus dem Kabinett Madame Tussauds stammt.

Original shocking

Ein dicker Katalog von 2013 feiert das 20-jährige Bestehen der Galerie der Wirths, die Werke vieler der dort aufgezählten Künstler sind auch im Hotel zu finden. Das Deckengemälde des chinesischen Künstlers Zhang Enli im Drawing Room etwa, das an schottischen Achat erinnert, wie man ihn auch in einer Vitrine in Braemar Castle südlich des Dorfs betrachten kann. Dort im Schloss sind einige der Zimmer auch noch immer im originalen Shocking Pink nach Elsa Schiaparelli ausgemalt. Schlossherrin und Vogue-Redakteurin Frances Farquharson, eine Freundin der Designerin, hatte das veranlasst. Sie habe Style in die Highlands gebracht, erzählt man noch heute bewundernd.

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Das Hotel liegt inmitten der „Royal Deeside“, dem königlichen Rückzugsort am Ufer des Dee.

(Foto: Ben Addy)

An Stil und Fashion denkt man dennoch nicht zwingend, wenn man in der Dorfmitte von Braemar auf der Brücke steht, unter der wild das Flüsschen Clunie hüpft. Mitten im Cairngorms-Nationalpark, dem höchsten und bergigsten Sprengel des Königreichs gelegen, wird Braemar umringt von Bergen, Heidemoor, Tannen- und Birkenwäldern. An der Hauptstraße reihen sich viktorianische Granit-Architektur und bescheidene Cottages aneinander, die Schindeln grün vor Moos unter Waldkiefern, den Scots Pines, an denen der Wind zupft. Hasen hoppeln durch die Büsche.

Und der Berg Morrone, dessen Name im Gälischen treffenderweise große Nase bedeutet, wacht wie ein knolliger Zinken übers Dorf. Seine 859 Meter werden Jahr um Jahr im September beim Braemar Gathering, dem bekanntesten aller Highland Games, dem auch die königliche Familie stets beiwohnt, hochgerannt. Und natürlich werden auch Baumstämme geworfen.

The Fife Arms erlaubt Zugang zu allerlei royalem Lebensgefühl und Vergnügen. Und zudem einen steten Blick auf das sonst so gut abgeschirmte Balmoral, das den Touristen nur von April bis Juli offen steht. Auch ein zartes Aquarell im schmalen Gang zum Hotelrestaurant zeugt vom Charme des Schlosses, der Maler kennt den Landsitz gut, wie ein poliertes Namensschild belegt: H. R. H. Charles Prince of Wales.

The Fife Arms, Braemar, DZ ab 150 Euro / Nacht, www.thefifearms.com. Touren rund um Braemar und eine kundige Führung durch Braemar Castle bietet Simon Blackett an: www.yellowwellytours.com

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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