Hotel Fatal:Vom gefalteten Ende der Klopapierrolle

Das Origami aus halbvollen Toilettenpapierrollen in Hotels ist reine Tarnung. So wird abgelenkt von der Tatsache, dass schon der Vormieter hier saß.

Max Scharnigg

In guten Hotels, das verkündete einst der Publizist Benjamin von Stuckrad-Barre, entspricht der Winkel zu dem das Klopapier gefaltet ist, genau jenem, in dem die Bettdecke abends aufgeschlagen wird.

Hotel Fatal: undefined
(Foto: Foto: iStock)

Es ist zu hoffen, dass als Folge nicht allzu viele Menschen mit einem Geodreieck die Zimmertoilette besuchten, um diese Behauptung zu überprüfen.

Fest steht jedenfalls, dass diese Zellstoff-Falte genauso zur gehobenen Hotellerie gehört, wie das Club Sandwich aufs Zimmer.

Ja, sie ist im Grunde eines der ganz wenigen Accessoires, die ein Hotelzimmer wirklich von einem aufgeräumten Privatzimmer unterscheiden.

Origami aus Klopapier

Bett, Tisch und Zahnputzbecher hat man ja hier wie dort, nur erst der kleine Kühlschrank, der bedruckte Schuhlöffel und eben ein Origami aus Klopapier lassen fremdartige Erbauung aufkommen. Wobei auch das wieder einzuschränken ist.

Während das Bedrucken von Schuhlöffeln eine gewisse materielle Bereitschaft zur Oberklasse einfordert, ist ein Klopapierende schnell gefaltet - so dass zunehmend auch Hotels der unteren Mittelklasse und Tankstellentoiletten versuchen, sich damit zu profilieren.

Derart Beifall heischend gefaltetes, einlagiges Papier im Zusammenspiel mit einem ungeputzten Spiegel lässt den Betrachter aber nur irritiert über die richtigen Prioritäten nachdenken.

Er denkt sich ohnehin so manches, wenn er neben dem krawattenartigen Ende des Klopapiers Platz nimmt. Zum Beispiel: Ist das eigentlich eine wirklich hygienische Idee, ein Utensil, das gleich in direkten Kontakt mit intimen Körperbereichen treten wird, mehr als nötig von fremden Händen knicken, streichen, falten ergo betatschen zu lassen?

Ist das nicht eigentlich so, als ob man stolz darauf wäre, wenn auf einem Silberlöffel Fingerabdrücke zu sehen sind? Im Grunde läuft die Falte damit doch auch ihrem eigentlichen Ziel zuwider. Sie soll ja gerade das leicht betrapste Gefühl verschleiern, das den neuen Hotelgast befällt, wenn er beim Rundgang durch seine herrliche Suite schließlich einer halbvollen Rolle Klopapiers ansichtig wird.

Halbvolle Klorollen für das Müttergenesungswerk?

Denn so eine halbvolle Rolle ist schrecklich unfein - lieber würde man schließlich keinen Gedanken an den funktionierenden Stoffwechsel seines Vormieters verschwenden.

Andererseits wäre es auch unsinnig, jede angebrochene Rolle durch eine neue zu ersetzen. Kein Hotel hat den Raum, so viele halb- und dreiviertelvolle Klorollen zu lagern, bis sie dann irgendwann vom Müttergenesungswerk abgeholt werden.

Also wird das flatternde Ende eben für den Nächsten wieder gefaltet und damit der Eindruck erweckt, das benutzte Ding wäre immerhin ein bisschen in Form gebracht.

Die gefaltete Klorollenspitze in Gold

Die großen Luxushotelketten, denkt der sitzende Gast weiter, haben bestimmt genaue Anweisungen dafür, ab welcher verbleibenden Reststärke eine Rolle auszuwechseln ist oder eben noch zumutbar.

Sie rüsten ihre Zimmermädchen dazu nicht nur mit speziellen Größenmaßtabellen aus, sondern schicken sie vermutlich auch in eigene Schulungsseminare in die Schweiz. Dort wird dann mit Übungs-Klopapier (extra störrisch!) das Falten trainiert.

Nach bestandenem Vorfalten und Schnellfalten gibt es als Auszeichnung bestimmt die gefaltete Klorollenspitze in Gold, die Zierde jeder Uniform.

So ungefähr denkt der Gast, wenn er wieder ein gefaltetes Klopapierende vor sich hat. Zum Glück hat er es dann bald hinter sich.

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de-Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: